New York 1924, Runde 1: Aljechin startet mit Sieg gegen Yates

von Johannes Fischer
05.05.2020 – Das Großmeisterturnier in New York, eines der stärksten Turniere der Schachgeschichte, hat begonnen. Favoriten sind der amtierende Weltmeister José Raúl Capablanca, Ex-Weltmeister Emanuel Lasker und Alexander Aljechin. In der ersten Runde endeten zwei der fünf Partien mit einer Entscheidung: Aljechin gewann mit etwas Glück gegen Frederick Yates und Savielly Tartakower gewann nach origineller Eröffnung gegen Efim Bogoljubow. | Foto: Alexander Aljechin

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New York 1924, Runde 1

Mit seinen 31 Jahren ist Alexander Aljechin der jüngste Teilnehmer in New York. Er wurde am 31. Oktober 1892 in Moskau als Sohn einer wohlhabenden Familie geboren, aber nach den Wirren der Oktoberrevolution von 1917 entschied sich Aljechin, der damals schon einer der besten Spieler Russlands war und 1920 die Allrussische Meisterschaft gewonnen hatte, zur Emigration. 1921 verließ er Russland zusammen mit seiner zweiten Frau, Anneliese Ruegg, die 13 Jahre älter als Aljechin war, aus der Schweiz stammte und in Russland als Journalistin und Delegierte der Komintern gearbeitet hat. Doch die Verbindung hielt nicht lange und schon kurz nach Ankunft des Paares in Westeuropa trennten sich die Eheleute wieder.

Aljechin ist bekannt für seinen Ehrgeiz und seinen scharfen Angriffsstil und in New York möchte er beweisen, dass er das Zeug hat, gegen den amtierenden Weltmeister José Raúl Capablanca erfolgreich um die Weltmeisterschaft zu spielen. Tatsächlich gelang Aljechin in Runde 1 ein Auftakt nach Maß: er gewann mit Schwarz gegen den Engländer Frederick Yates, hatte dabei im entscheidenden Moment allerdings das Glück auf seiner Seite.

 

Das Turnier 1924 ist eines der stärksten Schachturniere aller Zeiten und zugleich verspricht es ein Kampf alter und neuer Schachauffassungen zu werden. So äußerte sich Ex-Weltmeister Emanuel Lasker in einem Gespräch mit Edward Lasker, seinem Namensvetter und einem ganz entfernten Verwandten, vor Turnierbeginn skeptisch über die eigenen Erfolgsaussichten in New York.

Mit 55 Jahren ist Ex-Weltmeister Lasker nach Dawid Janowsky der zweitälteste Teilnehmer des Turniers und meinte, wie Edward Lasker, der ein Buch über seine Schacherlebnisse plant (Arbeitstitel: Chess Secrets I learned from the Masters), uns im Anschluss verriet, dass "Schach sich seit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs sehr verändert hat, und dass die jungen Spieler – Aljechin, Reti, Bogoljubow und all die anderen – neue Eröffnungssysteme entwickelt haben, deren genaue Kenntnis ihnen große Vorteile verschafft. Wer sich in diesen Eröffnungen nicht auskennt, hat nur wenig Hoffnung unbeschadet davon zu kommen, und selbst wenn man das schafft, so verbraucht man dabei viel Zeit und das ist ein zu großes Handicap gegen einen erstklassigen Meister".

Emanuel Lasker

Ob Laskers Skepsis über die eigenen Chancen berechtigt ist, wird sich erst in der zweiten Runde zeigen, denn zum Beginn des Turniers war Lasker spielfrei. Allerdings ist schwer zu glauben, dass Lasker nicht doch darauf hofft, das Turnier gewinnen zu können, denn immerhin war er 27 Jahre lang Weltmeister und hat erst letztes Jahr, beim internationalen Turnier in Mährisch-Ostrau mit 10,5 aus 13 souverän gewonnen. Lasker verlor dabei keine einzige Partie und verwies Spieler wie Reti, Bogoljubow und Tartakower, die ebenfalls in New York dabei sind, auf die Plätze.

Doch klarer Turnierfavorit ist natürlich der amtierende Weltmeister, José Raúl Capablanca, der seit nunmehr acht (!) Jahren keine einzige ernsthafte Turnier- oder Wettkampfpartie verloren hat. Allerdings fehlt Capablanca zur Zeit die Spielpraxis, denn in den letzten 15 Monaten hat er auch kein einziges Turnier und keinen einzigen Wettkampf gespielt. Außerdem plagte den Kubaner vor Turnierbeginn die Grippe und so startete er in New York mit einem Remis gegen Janowsky ins Turnier – die Partie endete nach 21 Zügen mit Dauerschach.

 

Für den zweiten Sieg in der ersten Runde sorgte der für seinen Wortwitz und paradoxen Aphorismen bekannte Savielly Tartakower. Auch in seiner Eröffnungswahl gegen Efim Boguljubow bewies Tartakower Originalität: nach 1.e4 e5 2.f4 exf4 überraschte er seinen Gegner, die anderen Turnierteilnehmern und wohl fast alle Experten mit dem Zug 3.Le2, einem für das Königsgambit erstaunlich verhaltenem Konzept. Doch Boguljubow fand nicht das richtige Mittel und so teilen sich Tartakower und Aljechin nach der ersten Runde gemeinsam die Tabellenführung.

 

Savielly Tartakower

Ergebnisse der 1. Runde

D. Janowsky ½-½ J. Capablanca
F. Yates 0-1 A. Aljechin
F. Marshall ½-½ R. Réti
Ed. Lasker ½-½ G. Maróczy
S. Tartakower 1-0 E. Bogoljubow

Spielfrei: Em. Lasker

Stand nach der 1. Runde

Rg. Name 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Pkt.
1 Alexander Alekhine                   1 1.0
2 Saviely Tartakower                 1   1.0
3 Jose Raul Capablanca               ½     0.5
4 Frank James Marshall         ½           0.5
5 Richard Reti       ½             0.5
6 Edward Lasker             ½       0.5
7 Geza Maroczy           ½         0.5
8 Dawid Markelowicz Janowski     ½               0.5
9 Efim Bogoljubow   0                 0.0
10 Frederick Dewhurst Yates 0                   0.0

Partien der 1. Runde

 

Links

Weltklasse-Turnier in New York

 


Johannes Fischer, Jahrgang 1963, ist FIDE-Meister und hat in Frankfurt am Main Literaturwissenschaft studiert. Er lebt und arbeitet in Nürnberg als Übersetzer, Redakteur und Autor. Er schreibt regelmäßig für KARL und veröffentlicht auf seinem eigenen Blog Schöner Schein "Notizen über Film, Literatur und Schach".

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