Tigran Petrosian
Tigran
Vartanovich Petrosian wurde am 17.Juni 1929 als Kind armenischer Eltern in
Tiflis, Georgien geboren. Seine Eltern starben im Zweiten Weltkrieg, bevor
Petrosian sein 16. Lebensjahr vollendet hatte. 1946 zog er nach Erevan,
Armenien. 1950 übersiedelte er schließlich als Journalist nach Moskau. Das
Schachspiel hatte Petrosian im Alter von acht Jahren von seinen Eltern gelernt.
Mit dreizehn Jahren sorgte er für Aufsehen, als er bei einer
Simultanveranstaltung Salo Flohr schlagen konnte. Mit 17 gewann der die
Meisterschaft von Armenien und die Jugendmeisterschaft der UdSSR. Mit 25 wurde
er geteilter Zweiter bei der UdSSR-Meisterschaft. 1959 und 1961 gewann er
diese.
Petrosian entwickelte und vervollkommnete einen für damalige Zeit einzigartigen
prophylaktischen Stil, der auf seiner herausragenden Technik und seiner
physischen Überlegenheit gegenüber seinen Gegnern basierte. Er machte so gut
wie keine Fehler, und wartete auf Fehler der Gegner, die er konsequent
ausnutzte. Er selber riskierte in seinen Partien nichts. So verlor er nur ganz
selten eine Partien, die meisten seiner Partien endeten jedoch auch nur remis.
Beim Interzonenturnier in Saltsjöbarden 1952 verlor er keine einzige Partie.
Ebenso wenig bei den Sowjetischen Meisterschaften 1954, 1955 und 1958 und beim
Interzonenturnier 1955 in Göteborg (fünf Siege, fünfzehn Remis). Im ganzen Jahr
1962 gab er nicht eine Partie ab. In manchen Jahren betrug seine Remisquote
70-80%. Sein pragmatischer Stil wurde von seinen Zeitgenossen nicht eben
gefeiert, denn seine auf Sicherheit angelegten Partien boten kaum
Spektakuläres. Außerdem entsprach sein Sicherheitsstil nicht der
Vorstellung vom mutigen unternehmenden Sowjetschach. Dennoch war er mit seiner
Philosophie sehr erfolgreich.
1962
gewann er das Kandidatenturnier von Curacao Nach dem Turnier erhob
Fischer, der zuvor das Interzonenturnier in Stockholm noch überlegen gewonnen
hatte, den Vorwurf, die Sowjets hätten ihn betrogen. Von den acht Teilnehmern
stammten fünf aus der UdSSR - Petrosian, Geller, Keres, Kortschnoj und Tal -,
ein weiterer, Filip, aus der sowjetfreundlichen CSSR. Laut Fischer hätten die
Sowjet-Großmeister Ergebnisse abgesprochen und mit Kurzremisen ihre Kräfte
geschont. Tatsächlich endeten die zwölf zwischen Petrosian, Keres und Geller
gespielten Partien allesamt Remis mit einer Durchschnittszügezahl von 19 Zügen.
Gegen die übrigen Teilnehmer spielten sie hingegen durchschnittlich 39 Züge.
Nach allem, was man inzwischen über das Ideologie behaftete Sowjetschach und
dessen Politik gegenüber Nichtsowjets weiß, kann man davon ausgehen, dass
Fischer mehr als Recht hatte. Wahrscheinlich war Petrosian, der einigen
Einfluss besaß, nicht nur Nutznießer, sondern auch der Drahtzieher.
1963
entthronte Petrosian Botvinnik als Weltmeister. Erstmals hatte der Weltmeister
nicht mehr das Recht auf einen Revanchewettkampf. Diese Regel hatte Botvinnik
bisher schon zweimal, gegen Smyslov und Tal, geholfen, den Titel sofort wieder
zurück zu erobern.
Der Wettkampf zwischen Botvinnik und Petrosian fand im
Moskauer Estradentheater statt. Zuvor hatte es endlose Einwände von Botvinniks
Seite und zähe Verhandlungen um die Wettkampfbedingungen gegeben. Themen der
Diskussion waren u.a. die Schiedsrichter, die Temperatur im Saal, Bedingungen
für Auszeiten. Selbst darüber, welche Toiletten benutzt werden durften, wurde
ausgiebig verhandelt.
Nach 22 Partien stand es 5:2 nach Gewinnpartien für Petrosian
bei 15 Remisen. Die letzten beiden Partien endeten nach nur je 10 Zügen remis,
Botvinnik hatte aufgegeben. Im Laufe des Wettkampfes hatte Petrosian 10 Kilo
Gewicht verloren. Botvinnik sah, alt, müde und abgekämpft aus. Als Botvinnik in
der letzten Partie die Hand zum Remis reichte und Petrosian damit Weltmeister
wurde, stürmten die armenischen Anhänger die Bühne und überschütteten den
Sieger mit Blumen. Die Begeisterung in Armenien war riesig.
Von 1963 bis 1966 war Petrosian Chefredakteur des
Schachmagazins Shakhmatnaya Moskva.
1966
verteidigte Petrosian seinen Titel erfolgreich gegen Spasski, unterlag aber
drei Jahre später und verlor seinen Titel. 1971 wurde er von Fischer im
Kandidatenwettkampf vernichtend geschlagen. Seine Frau schob die Hauptschuld
seinem Trainer Alexej Suetin zu, der daraufhin gefeuert wurde.
Vor dem Wettkampf gegen Fischer hatte Petrosian Kortschnoj und Hübner
ausgeschaltet. Inzwischen gibt es glaubhafte Aussagen darüber, dass Kortschnoj
absichtlich den Wettkampf gegen Petrosian verloren hat, weil die Sowjets
glaubten, dass Petrosian bessere Chancen gegen Fischer besaß. 1974 verzichtete
Petrosain dann " wegen Krankheit" auf seine Wettkampf gegen Kortschnoj - eine
Retourkutsche? Auch bei den Wettkämpfen 1977 und 1980 unterlag Petrosian gegen
Kortschnoj.
Robert Hübner hat keine guten Erinnerungen an seinen Wettkampf gegen Petrosian
1971, der in Sevilla stattfand. Gespielt wurde in einer Einkaufspassage. Über
den Spielern war ein Fußgängerweg, von dem unentwegt laute Geräusche zu hören
waren. Petrosian, der schwerhörig war, störte das nicht. Er stellte einfach
sein Hörgerät ab. Hübner rieb sich in den Verhandlungen mit dem unkonzilianten
Schiedsrichter Harry Golombek auf und gab den Wettkampf entnervt auf, nachdem
er die siebte Partie durch einen Figureneinsteller verloren hatte. Beim
Interzonenturnier 1976 in Biel verdarb Hübner gegen Petrosain in der vorletzten
Runde eine klare Gewinnstellung und verlor die Partie. Hätte er sie gewonnen,
wäre er geteilter Erster geworden. So qualifizierte sich statt seine Petrosian
für die Kandidatenwettkämpfe.
Tigran Petrosian starb am 13.August 1984 im Alter von 55
Jahren in Moskau an den Folgen seiner Krebserkrankung.
André Schulz