Bundesligasplitter
Von Johannes Fischer
Wie
spielt man gegen stärkere Gegner? In der aktuellen Bundesligasaison steht der
Internationale Meister Rainer Polzin, der als Anwalt für Arbeitsrecht und
Gewerblichen Rechtsschutz in Berlin eine gut gehende Kanzlei unterhält, oft vor
dieser Frage. Zwar ist er bei den Schachfreunden Neukölln an Brett fünf hinter
vier Großmeistern gemeldet, aber da die Neuköllner die Großmeister nicht immer
einsetzen, spielt Polzin praktisch an Brett zwei und drei. Keine leichte
Aufgabe, denn an Brett zwei ist mit Karsten Rasmussen nur ein Spieler mit
weniger als 2500 Elopunkten gemeldet. Dafür bringen vier Spieler mehr als 2600
Punkte auf die Waage, und Alexei Shirov, der Elobeste an Brett zwei, weist sogar
2713 Punkte auf. Doch bislang schlägt sich Polzin ordentlich und hat mit zwei
Siegen, zwei Niederlagen und fünf Remis die 50% Marke erreicht.
Gute Dienste leisten ihm dabei seine ausgezeichneten theoretischen Kenntnisse.
Nachdem er als Jugendlicher gerne obskure Eröffnungssysteme wählte, hat sich
Polzin im Laufe der Jahre zu einem Eröffnungsspezialisten mit einem gründlich
analysierten Repertoire entwickelt, mit dem er auch gegen Großmeister gut
besteht. Wie am letzten Bundesligawochenende beim Kampf Katernberg - Neukölln
gegen Vladimir Chuchelov: In einem Sveshnikov-Sizilianer wählte Polzin eine
Nebenvariante, auf die Chuchelov ungenau reagierte und die Partie bereits in der
Eröffnung verlor.
Polzin gegen Chuchelov...
Auch
gegen Shirov, die Nummer 10 der Weltrangliste, kam es in Runde 5 zu einem
theoretischen Duell. Wie Rainer Polzin im Porträt im KARL 3/04 erzählt, verfügt
er über eine umfangreiche Datenbank, in der alle Eröffnungsanalysen gespeichert
sind, die er je angestellt hat. Viel Platz nimmt darin der Drachen ein, eine
Eröffnung, die Polzin mit Weiß und Schwarz spielt. Nun wäre der Drachen für
viele nicht die erste Wahl gegen den gefürchteten Angriffsspieler Shirov – der
als Profi zudem noch über viel mehr Zeit verfügen sollte, um die aktuellen
Varianten zu studieren. Aber der Berliner ließ sich nicht ins Bockshorn jagen,
blieb seinen Varianten treu und lieferte Shirov als Außenseiter einen packenden
Kampf:
Shirov gegen Polzin...
Trotz dieser guten Ergebnisse droht Neukölln diese Saison der
Abstieg, denn bislang wurden einfach zu viele wichtige Punkte verschenkt. Das
kommende Bundesligawochenende ist deshalb für die Neuköllner besonders wichtig.
Während man sich gegen Porz lediglich Hoffnungen auf einen Außenseitererfolg
macht, will man gegen Hofheim, den direkten Konkurrenten im Abstiegskampf
punkten. Eins steht in jedem Falle fest: Rainer Polzin geht gut vorbereitet in
den Kampf.