Robert Löhr: Der Schachautomat

von ChessBase
08.12.2005 – Seit er als Kind mit E.T.A Hoffmanns Figur "Olimpia" im "Sandmann" literarische Bekanntschaft machte, war Robert Löhr von Automaten fasziniert. Und der Star unter den Automaten des 18.Jahrhunderts war Wolfgang von Kempelens Schachautomat, wegen seiner Kostümierung, als Schachtürke bekannt geworden. Mit "Der Schachautomat" hat er einen spannenden historischen Kriminalroman vorgelegt, der sich nicht um den berühmten Erfinder, sondern den unbekannten Schachspieler innerhalb des Automatens rankt, im Roman heißt er Tibor Scardanelli. Anke Groenwold hat das Buch für die Neue Westfälische Zeitung rezensiert. Zum Jahresende findet im Heinz-Nixdorf-Forum In Paderborn der zweite Schachtürken-Cup statt. Pararallel spielen die Ur-ur-Enkel des Türken beim Internationalen Paderborn Computer Chess der Universität Paderborn. Zur Neuen Westfälische Zeitung...Mehr...

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Aus der Neuen Westfälischen Zeitung vom 23.11, Nachdruck mit freundlicher Erlaubnis.

Das Herz der Täuschung
Inspiration aus Paderborn: Robert Löhrs praller Debütroman "Der Schachautomat"
Von Anke Groenwold

Fotos: Alexandra Buck
 

Robert Löhr hatte gerade damit begonnen, seinen Roman "Der Schachautomat" zu schreiben, als er vom Paderborner Schachtürken erfuhr. Bernhard Fromme, Restaurator des Heinz Nixdorf Museumsforums (HNF), hatte den im 18. Jahrhundert erbauten, 1854 in Philadelphia verbrannten Automaten rekonstruiert. Im März 2004 wurde das mechanische Wunderwerk einem staunenden Publikum vorgeführt.

Der in Berlin lebende Löhr ließ sich die Chance zur Recherche nicht entgehen und reiste nach Paderborn. "Ich habe sehr von dem profitiert, was ich dort erfahren habe", sagt Löhr.

Der originale Schachtürke hatte 1770 seinen ersten Auftritt. Der Beamte Wolfgang von Kempelen stellte Kaiserin Maria Theresia und ihrem Hofstaat seine neueste Erfindung vor, einen Schach spielenden Automaten. Es war eine Sensation. Doch es gab auch Zweifler. War der Geist aus der Maschine nur eine Illusion? Bediente sein Konstrukteur ihn insgeheim über Magnete? Hatte er einen dressierten Affen oder ein Kind in dem großen Tisch versteckt?

Es dauerte Jahrzehnte und einige plauderhafte Schachspieler, bis zweifelsfrei feststand: Kempelen hatte getrickst. Das Räderwerk war nur Tarnung. Eine Täuschung auch die Türen, die nach einem strengen Ritual geöffnet wurden und die Zuschauer in dem Glauben ließen, das Innere des Tisches sei leer.

Robert Löhr, Sohn eines Informatikprofessors, stieß während seines Studiums erstmals auf den Schachtürken. In E.T.A. Hoffmanns "Sandmann" faszinierte ihn die Puppe Olimpia. Sie brachte ihn dazu, sich mit dem automatenverliebten und auch philosophisch stark auf das Mensch-Maschine-Thema fixierten 18. Jahrhundert zu befassen. Der Schachtürke war der Star unter den Automaten.

Löhr stellte erstaunt fest, dass es noch keinen Roman über den Schachtürken gibt, der auf historischen Fakten beruht. Als Hauptfigur wählte der gebürtige Berliner jedoch nicht den cleveren Erfinder des Schachtürken, Wolfgang von Kempelen. "Mich interessierte die Figur, die drinnen sitzt", sagt der gelernte Journalist, der neben dem Schreiben noch als Regisseur, Drehbuchautor, Schauspieler und Puppenspieler arbeitet. Außerdem schätze er Stoffe, in denen Außenseiter die zentrale Rolle spielen.

Von Kempelen hütete sein Geheimnis so gut, dass bis heute nicht bekannt ist, wer die Schachfiguren damals per Storchenschnabel bewegte. In den weißen Fleck der Historie fabuliert Löhr den italienischen Zwerg Tibor Scardanelli. Es ist eine wunderbare Figur mit einem dramatischen, bewegenden Schicksal. Das Herz der Täuschung ist eine ganz wahrhaftige Figur.

Von Kempelen rettet den gottesfürchtigen Tibor aus den Bleikammern Venedigs und macht dem genialen Schachspieler ein Job-Angebot, das Tibor nicht ablehnen kann. Er folgt von Kempelen nach Preßburg. Niemand darf ihn je zu Gesicht bekommen. Eindringlich beschreibt der Autor Tibors Qualen im Inneren des Schachtürken. Erkenntnisse, die Löhr vor allem Achim Schwarzmann verdankt, der den Paderborner Schachtürken bemannte.

Tibor wird das Leben im goldenen Käfig zur Last. Dem Spott ist der Kleinwüchsige entgangen, dem Leben aber auch. Er findet einen Weg, sich aus dem Haus zu stehlen. Es wird gefährlich. Auch für Kempelen wird die Lage prekär. Er hat sich Feinde gemacht: Ein Konkurrent lässt ihn bespitzeln, eine Ex-Geliebte verfolgt ihn. Und dann gerät sein Schachtürke auch noch unter Mordverdacht.

Löhrs historischer Roman ist eine spannende Geschichte, die großartig unterhält und viel erzählt. Über Menschen, die Grenzen überwinden und über sich hinaus wachsen. Und über das ganze Spektrum der menschlichen Leidenschaften. Seine Story mischt Löhr gefällig mit Sex und Crime ab. Die philosophischen Aspekte des Automaten werden freilich nur im Vorübergehen gestreift.

Ursprünglich war "Der Schachautomat" ein Drehbuch, das niemand haben wollte. Das hat sich inzwischen geändert: Löhrs Roman ist in 16 Sprachen übersetzt, und die Filmbranche ist sehr interessiert. Der Schachtürke – eine unendliche Geschichte.

Robert Löhr: "Der Schachautomat", Piper Verlag, 407 S., 19,90 Euro.


2. Schachtürken-Cup in Paderborn



Die zweite Auflage des Schachtürken-Cups im Paderborner Heinz-Nixdorf-Forum beginnt auch in diesem Jahr am 27. Dezember. A-Gruppe (DWZ >1700) und B-Gruppe (DWZ <1800) spielen sieben Runden bis zum 30. Dezember.
 
Die Ausrichter von Blauer Springer Paderborn haben einige Anregungen von Teilnehmern der Premiere im vergangenen Jahr aufgenommen. Das Startgeld in der B-Gruppe ist jetzt niedriger, die Zahl der Preise höher. Insgesamt 4.000 Euro Preisgeld (plus ein 500-Euro-Sonderpreis für den Sieger der A-Gruppe) sind  zu vergeben.

Die Teilnehmer begegnen nicht nur den Nachbau des Schachtürken im Foyer des Computermuseums, sie erleben auch die Ur-Ur-Enkel der Kempelen-Maschine in Aktion. Zeitgleich zum "Menschenturnier" richtet die Universität Paderborn  
die 15. IPCCC (International Paderborn Computer Chess Championships) aus, ebenfalls im Heinz-Nixdorf-Forum.

 Viele Programme von Rang sind vertreten, unter anderem "Hydra", die wahrscheinlich stärkste Schachmaschine der Welt. Außerdem: "Zappa", der Weltmeister, "Fruit", der Vize-Weltmeister, oder "Shredder", Mehrfach-Weltmeister der vergangenen Jahre.

Wie im vergangenen Jahr werden einige Partien auf Leinwände projiziert. Außerdem ist geplant, die Partien live zu kommentieren. Weitere Infos: http://www.schachtuerken-cup.de









 

 


Die ChessBase GmbH, mit Sitz in Hamburg, wurde 1987 gegründet und produziert Schachdatenbanken sowie Lehr- und Trainingskurse für Schachspieler. Seit 1997 veröffentlich ChessBase auf seiner Webseite aktuelle Nachrichten aus der Schachwelt. ChessBase News erscheint inzwischen in vier Sprachen und gilt weltweit als wichtigste Schachnachrichtenseite.

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