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Senioren-Team-EM
erlebt russischen Favoriten-Sieg
Silber an Schweiz, Bronze an
Finnland, Deutschland wird Vierter
Von Dagobert Kohlmeyer
Nach zweijähriger Pause richtete Dresden vom 10.-18. Februar wieder traditionsgemäß die Mannschafts-EM der Senioren aus. Schachlegenden wie Viktor Kortschnoi, Wolfgang Uhlmann, Fritz Baumbach, Witali Zeschkowski, Jewgeni Wasjukow, Heikki Westerinen oder Andreas Dückstein erwiesen sich einmal mehr als Publikumsmagneten. Mit 78 Teams gab es erneut eine Rekordbeteiligung.
Fritz Baumbach
Keine Frage, das Seniorenschach boomt. Es ist eine Disziplin ohne „Nachwuchssorgen“. Älter werden wir alle von allein, und weil unsere Sportart bis ins hohe Alter zu betreiben ist, sitzen bei den Events immer mehr 70- oder 80-jährige am Brett und bringen dort noch erstaunliche Leistungen. So auch dieses Mal bei der Europameisterschaft.
Die Russen ließen ihre Figuren wie erwartet am besten tanzen und standen schon vor der Schlussrunde als Gewinner fest: Sie waren bei der 12. Mannschafts-EM im Dresdner Ramada Hotel eine Klasse für sich und nicht zu schlagen. Als einziges Team gab das Schachland Nr.1 keinen einzigen Matchpunkt ab und trat nach dem überlegenen 18:0 völlig verdient als Gewinner die Heimreise an. Noch nie hatte ein Senioren-Team eine so weiße Punkte-Weste.
Sieger ohne Punktverlust
Jewgeni Wasjukow
Alexander Petruschkin
Oleg Chernikov
Um die Silbermedaille gab es bis zuletzt einen harten Kampf zwischen Deutschland (Nr. 3 der Setzliste) und der an Nr. 8 gesetzten Schweiz. Am Spitzenbrett spielte der Dresdner Wolfgang Uhlmann gegen den unverwüstlichen Viktor Kortschnoi.
Deutschland gegen Schweiz
Es sollte das Schlüsselspiel werden. Den Eidgenossen genügte ein 2:2, um Zweiter zu werden, sie boten deshalb vor der Runde Remis an allen vier Brettern an. Die Gastgeber lehnten diese Offerte der Schweizer natürlich ab. Nach fünf Stunden Spielzeit stand es 1,5:1,5. Christian Clemens hatte schon früh remisiert, Klaus Klundt danach seine Partie als Anziehender gewonnen. Nachdem Hajo Hecht seine Stellung aber nicht halten konnte, hing alles vom Ausgang der noch laufenden Partie am 1. Brett ab. Dort hatte Uhlmann sich mit Weiß geduldig Stellungsvorteile erarbeitet und ein gewonnenes Turmendspiel auf dem Brett. Nach zwei Ungenauigkeiten des Dresdner Großmeisters konnte sich Kortschnoi jedoch mit viel Glück ins Remis retten. Das Unentschieden wurde im 81. Zug fixiert, wodurch die Schweizer mit 14:4 Mannschaftspunkten am Ziel ihrer Wünsche waren.
Hinter dem Kortschnoi-Team wurde Finnland noch Dritter vor Deutschland (beide je 13:5), weil die Skandinavier einen halben Brettpunkt mehr erzielten.
Pech hatte auch Tschechien (an Nr. 2 gesetzt), das bis zuletzt um Bronze mitspielte, aber das Handy von Jindrich Trapl klingelte in der Schlussrunde während der Partie. Er wurde vom Schiedsrichter genullt, und aus war der Medaillentraum unserer Nachbarn.
Vlastimil Jansa
Jiri Lechynsky
Eitel Freude herrschte natürlich bei den Russen. Sie standen zu Beginn des letzten Spieltages schon als Gewinner fest.
Wir trafen uns am Vorabend im Spielerhotel mit Großmeister Jewgeni Wasjukow, der bei dieser Gelegenheit den Pokal schon mal streichelte. (siehe Foto).
Der knapp 77-jährige Moskauer startete zum fünften Mal in Dresden. Wasjukow war 1995 schon Seniorenweltmeister und holte mehrmals den EM-Titel der Veteranen mit seinem Team: „Ich bin immer sehr gern in Deutschland, wo ich viele Freunde in der Schachszene habe. Zu ihnen gehört Wolfgang Uhlmann. Wir beide kennen uns seit ewigen Zeiten, haben gemeinsam viele Turniere bestritten und sind uns einfach sympathisch. Auch die Turnierorganisation in Dresden hat eine lange Tradition und ist wie stets auf einem sehr hohen Niveau. Deshalb sind wir wieder mit Vergnügen gekommen. Von der Beliebtheit der Team-Europameisterschaft zeugt ja auch die Tatsache, dass es in diesem Jahr bei den Senioren wieder eine Rekordbeteiligung gab.“
Der klare Sieg der schlauen Russen im EM-Turnier war dennoch kein leichter Spaziergang und jedes Match umkämpft. So kassierte ihr Spitzenbrett Vitali Zeschkowski, immerhin ehemaliger WM-Kandidat, in der zweiten Runde gegen Horst Watzka aus der Steiermark eine überraschende Niederlage.
Vitali Zeschkowski
Doch seine Teamkollegen machten diese wett, indem sie die anderen Österreicher von den Brettern fegten. Auch am letzten Spieltag zog Zeschkowski mit Weiß gegen den Italiener Stefano Tatai in einem Sizilianer unerwartet den Kürzeren, so dass die anderen drei Russen alles geben mussten, um auch diesen Kampf zu gewinnen und die weiße Weste zu behalten.
Stefano Tatai
Bester Deutscher war Klaus Klundt, der am dritten Brett 6,0 Punkte aus acht Partien holte. Gegen den russischen Großmeister Nikolai Puschkow gelang ihm ein glänzender Angriffssieg, der die Schachfans entzückte.
Während die Sportwelt vor allem nach Vancouver schaute, lag Dresden neun Tage lang im Schachfieber. „Es war schon die elfte Mannschafts-EM, die wir ausgerichtet haben“, erklärte der Direktor des Festivals Dr. Dirk Jordan. Eingebettet in den Dresdner Schachfrühling waren neben dem Teamwettbewerb der Senioren auch der Jungsenioren-Cup, der Amercian-Amateur-Cup und die Dresdner Familienmeisterschaft. Im nächsten Jahr spielen die Schachveteranen in Griechenland, für die Team-EM 2012 will Dresden sich wieder bewerben.
Zum Abschluss noch zwei Personalien: Der Norweger Per Ofstad, der seit acht Jahren Senior Officer der Europäischen Schachunion ist (er hatte die Funktion damals auf Bitten des unvergessenen Egon Ditt übernommen), will sein Amt demnächst in jüngere Hände legen. Und der neue Seniorenreferent des DSB, Dr. Georg Hamm, ließ es sich nicht nehmen, bei der Euro in Dresden im Team von Sachsen-Anhalt (21. Platz) mitzuspielen.
Georg Hamm
Endstand
1. Russland 18:0
2. Schweiz 14:4
3. Finnland 13:5
4. Deutschland 13:5
5.St. Petersburg 13:5
6. Tschechien 12:6
7. Hessen 1 12:6
8. Wien 1 12:6
9. Italien 12:6
10. Schottland 1 12:6