Der menschliche Faktor im Computerschach
Text: Eric van Reem
Rybka und Naum setzen sich nach sechs Runden an die Spitze
Gestern begann ein weiterer Höhepunkt der Chess Classic 2008: die vierte Livingston
Chess960 Computer World Championship mit den vier stärksten Chess960-Engines der
Welt: neben dem amtierenden Champion Rybka und Shredder, dem erfolgreichsten Programm
in der Geschichte der Schachcomputer, spielten auch die Programme Naum und Deep
Sjeng, die sich bei einem Turnier im ICC qualifiziert hatten.
Führt in Mainz: Rybka
Diese vier Programme liegen im Moment auch auf den Plätzen Eins bis Vier der Chess960
Computerweltrangliste. Nach dem ersten Tag führen Rybka und Naum das Feld mit
3.5/6 an, Shredder folgt mit 3/6, während Deep Sjeng 2/6 erzielte. Donnerstag
wird ein weiteres Rundenturnier gespielt und die beiden bestplatzierten Programme
spielen dann am Freitag das Finale.
Alle Programmierer spielen auf den gleichen Maschinen mit Quadcore- Prozessoren,
aber nach einem Test der Maschinen und der Programminstallation waren die Spieler
mit der Prozessorengeschwindigkeit unzufrieden. Nach der ersten Runde wussten
die Spieler erst einmal nicht weiter und diskutierten, wie sie ihre Engines schneller
machen könnten. Wieder und wieder maßen sie die Schnelligkeit ihrer Programme
auf anderen PCs. Zum Glück fand Felix Kling, Webmaster der Rybka-Website einen
Bugfix, installierte ihn auf allen vier PCs und plötzlich liefen die Computer
schneller und rechneten mehr Züge pro Sekunde.
Hans-Walter Schmitt, Organisator in Mainz, führt den ersten Zug aus: 1.b3.
(Foto: Eric van Reem)
In den ersten drei Runden gab es nur Weißsiege (sechs in Folge), aber Rybka durchbrach
diese Serie in der siebten Runde mit einem hübschen Sieg gegen Deep Sjeng und
gewann dadurch ihr Mini-Match schließlich 2-0. Aber in den zwei Partien gegen
Naum, das von Aleksandar Naumov entwickelt wurde, verlor sie (Rybka ist weiblich!)
1.5-0.5.
Vasik Rajlich, Entwickler des Rybka-Programms
In der letzten Partie des spannenden ersten Tages machte Vasik Raijlich einen
Bedienerfehler: er führte auf dem DGT-Brett nicht den Zug aus, den das Programm
vorgeschlagen hatte. Der menschliche Faktor im Computerschach sollte nicht unterschätzt
werden! Die Spieler bemerkten den Fehler erst ein paar Züge später. Pause wurde
gemacht, die Uhr neu eingestellt, danach die Partie rekonstruiert, die dann nach
einer kurzen Pause weiter ging, wobei beide Programm allerdings nur noch eine
Minute Bedenkzeit auf der Uhr hatten. Es gab gewisse Schwierigkeiten, die Uhr
korrekt einzustellen, aber am Ende gelang es Naum, seinen Vorteil nach 130 Zügen
in einen ganzen Punkt zu verwandeln.
Gespannt verfolgen Programmierer (ganz links Shredder-Programmierer Stefan Meyer-Kahlen)
und Zuschauer das Geschehen.
(
Foto: Eric van Reem)
"Bringt mich ins Krankenhaus, das war so irre", sagte ein erschöpfter Aleksandar
Naumov gleich nachdem sein Gegner aufgegeben hatte. Die Partie war schon etliche
Minuten vorüber, da zitterte er immer noch wie Espenlaub und seine Hände waren
eiskalt. Die Zuschauer waren aufgeregt und applaudierten nach diesem spannenden
Kampf zweier großartiger Schachprogramme.
Partien...