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"Es wäre gut, wenn wir möglichst bald nur einen einzigen
seriösen Weltmeister haben"
Interview mit Dr.Dirk Jordan von Dr. René Gralla
Dresden - Er lässt in Sachsen die Figuren tanzen: Dirk Jordan, der Mann, den
Leipzigs gescheiterte Olympiabewerbung nicht irritiert. Sondern den das Desaster
erst recht motiviert, die Metropole Dresden zur Olympia-Stadt zu machen. Nur
dass es dabei dann nicht um "schneller, höher, weiter" gehen wird, sondern um
scharfen Verstand und die hohe Kunst der Strategie: Dirk Jordan möchte die
Schach-Olympiade 2008 an die Elbe holen. Außerdem bereitet der 47-jährige Dr.
rer. nat, der beruflich im Projektmanagement arbeitet, wie jedes Jahr
Deutschlands einzigen Grand Prix-Wettbewerb vor: das ZMD-Open vom 15. bis 23.
Juli 2004. Der Turnierprofi rechnet dem Schachautor Dr. René Gralla vor, warum
sich eine Schacholympiade für die Veranstalter auszahlt; er kommentiert noch
einmal das Tauziehen um die Teilnahme israelischer Sportler im Vorfeld der
FIDE-Weltmeisterschaft im libyschen Tripolis, und er ruft Garri Kasparow zur
Ordnung, der aktuell
quer schießt gegen die in Gang gekommene Wiedervereinigung der gespaltenen
Schachwelt: "Dem Schachsport wäre es sehr dienlich, wenn wir bald wieder nur
einen seriösen Weltmeister haben."
Leipzig hat versucht, die olympischen Sommerspiele wieder nach Deutschland zu
holen, und ist damit gescheitert, gegen übermächtige Konkurrenz wie New York.
Nun setzen Sie sich, Herr Dr. Jordan, mit Nachdruck dafür ein, dass
Dresden die Schacholympiade 2008 ausrichtet: Wird die Schacholympiade Dresden
die Ehre des Ostens retten?
Wir haben natürlich Leipzig bei seiner Olympiabewerbung ganz doll die Daumen
gedrückt , leider hat das am Ende nicht geholfen. Auf jeden Fall ist die
Schacholympiade, gemessen an der Zahl der teilnehmenden Länder - nämlich über
150 - , und gemessen an der Zahl der teilnehmenden Mannschaften - nämlich über
230 - , nach den olympischen Sommerspielen die zweitgrößte Sportveranstaltung
der Welt.
Das sind Zahlen, die überraschen. In der Öffentlichkeit herrscht eher der
Eindruck vor, dass Schach als Sport bloß eine Sache für hochgradige Spezialisten
ist.
Ein Irrtum - wenn Sie allein berücksichtigen, wie viele Menschen auf der Welt
Schach spielen. Schach gehört wahrscheinlich zu den Sportarten, die überhaupt am
weitesten verbreitet sind; die Annahme, dass geschätzt eine Milliarde Menschen
Schach spielt, dürfte realistisch sein. Nach einer Untersuchung von Emnid aus
dem Jahr 1997 kennen 40 Millionen Deutsche wenigstens die Regeln, das ist
jeder zweite Bundesbürger.
Wie schätzen Sie Dresdens Chancen ein, dass die Denksportler der Welt im Jahr
2008 an der Elbe um olympisches Gold wetteifern?
Unsere Aussichten sind etwas besser als die von Leipzig, was deren
Olympiapläne angeht. Um nicht zu sagen: Unsere Chancen sind sehr gut. Seit mehr
als einem Jahr arbeiten wir an dem Projekt. Insbesondere die Finanzierung ist
auf einen guten Weg gebracht, wir haben die Zusagen öffentlicher Gelder sowie
die Willenserklärungen von Sponsoren vorliegen. Von den potenziellen
Konkurrenten, darunter sind immerhin Schwedens Göteborg und Argentiniens Mar del
Plata gewesen, sind alle anderen Kandidaten zwischenzeitig abgesprungen
sind, mit Ausnahme von Talinn in Estland.
Kann Dresden im Wettbewerb gegen die Kapitale eines neuen EU-Mitgliedslandes
bestehen?
Erinnern wir uns: 2003 fand der Eurovisions-Grand Prix in Talinn statt. Die
Stadt hat damit bewiesen, dass sie über die Potenz verfügt, eine so große
Veranstaltung wie die Schacholympiade auszurichten. Folglich müssen wir eine
starke Vorstellung abliefern beim FIDE-Kongress am kommenden 27. Oktober auf
Mallorca, wenn es - vor dem Hintergrund der parallel laufenden diesjährigen
Schacholympiade - darum geht, ob Dresden oder Talinn den Zuschlag kriegt.
Deswegen hoffen wir auch, dass Bundesinnenminister Otto Schily als prominenter
Fürsprecher unsere Delegation nach Mallorca begleitet.
Sie haben soeben die Finanzierungsfrage erwähnt. Gerade wird wieder über ein
neues Rekord-Minus im Bundeshaushalt diskutiert, jetzt soll sogar die
Aufbauhilfe Ost gekürzt werden. Alle müssen sparen - während Sie sich, Herr
Jordan, eine aufwändige Großveranstaltung in den Neuen Bundesländern wünschen.
Passt dieses Vorhaben überhaupt noch in die Landschaft?
Das Budget der Schacholympiade liegt ungefähr in der Dimension von 6,5
Millionen Euro. Gleichzeitig können wir von rund 1700 Teilnehmern plus 500
Journalisten plus 1000 Gästen ausgehen; zu rechnen ist mit summa summarum
ungefähr 3000 Übernachtungen pro Tag. Wenn man das auf die drei Olympia-Wochen hoch
rechnet, ist eine Größenordnung von 60.000 Übernachtungen realistisch. Das
entspricht einer Wertschöpfung, die jenseits der 10 Millionen Euro-Grenze liegt.
Hört sich fast wie ein Plusgeschäft an. Das wird freilich regelmäßig auch im
Zusammenhang von Olympiaden behauptet - wobei geflissentlich die gleichzeitig
notwendigen Investitionen in die Infrastruktur ausgeklammert werden.
Aber gerade hier zeigt sich der große Vorteil der Sportart Schach. Für die
Wettkämpfe brauchen wir nur eine entsprechende Halle - und die ist in Dresden
schon vorhanden: mit dem neuen internationalen Kongresszentrum direkt neben der
Semper-Oper.
Fragt sich nur, ob die Fans in Massen zu einer Schacholympiade strömen. Bei
einem Schachturnier sieht der Laie doch nur Menschen hinter Brettern mit
Holzfiguren hocken: Das ist nicht besonders spannend.
Da wird uns die moderne Technik helfen. Wir haben die Möglichkeit, alle
Partien mit Beamern und Plasma-Bildschirmen dem Publikum zugänglich zu machen.
Wäre es obendrein nicht sinnvoll, die Bedenkzeit der Partien radikal zu kürzen?
Die Olympiade als Schnellturnier - um dem Publikum mehr Action zu bieten?
Das wäre eine Idee. Dieser Vorschlag taucht immer mal wieder auf bei
Überlegungen, Schach als gleichberechtigte Disziplin für die große Olympiade
zuzulassen. Schach ist denn auch bei den letzten Sommerspielen in Sydney 2000
bereits Demonstrationssportart gewesen; da glaube ich schon, dass wir mit
anderen Schachformen eine sehr gute Chance haben, auch in den großen
Olympiakanon aufgenommen zu werden.
Herr Dr. Jordan, Sie sind einer der führenden Macher von Schach-Events. Sie
haben nicht nur Dresdens Bewerbung für Schach-Olympia 2008 angeschoben, sondern
Sie sind auch Vater des einzigen deutschen Grand Prix-Turniers, das am 15. Juli
2004 zum dreizehnten Mal startet. Wie beurteilen Sie vor dem Hintergrund Ihrer
Erfahrungen den Beschluss der FIDE, die Weltmeisterschaft 2004 ausgerechnet in
Tripolis zu veranstalten? Obwohl den Verantwortlichen doch hätte klar sein
müssen, dass es, wie geschehen, im Vorfeld erhebliche Probleme mit der Einreise
der israelischen Delegation nach Libyen geben musste?!
Ich glaube nicht, dass wir Schachspieler uns unbedingt in politische
Diskussionen einmischen sollten. Allerdings ist unbestreitbar, dass von
englischer, amerikanischer und deutscher Seite aus der Bann über Libyen
aufgehoben worden ist. Rein schachlich gesehen ist es deswegen ein positives
Ereignis , dass wir mit der FIDE-WM in Libyen einen Schritt in Richtung
Wiedervereinigung der Schachwelt vorangekommen sind . Sie wissen ja, dass wir
momentan zwei Weltmeister haben, die Nr. 1 der Fide und den Sieger des 2000'er
Duells gegen Garri Kasparow, den amtierenden Klassischen Weltmeister Wladimir
Kramnik. Der Sieger von Libyen soll nach den Prager Beschlüssen von 2002 gegen
Kasparow antreten, und der Gewinner
dieser Match-Serie gegen denjenigen, der beim Titelkampf zwischen Kramnik
und dem Ungarn Peter Leko von Ende September bis Mitte Oktober vorne
liegt. So dass wir hoffentlich bald wieder nur einen Weltmeister haben - und das
kann dem Schach weltweit nur gut tun.
Nun schießt aber außerdem noch das Enfant terrible Kasparow quer. Er schlägt
plötzlich ein Acht-Personen-Turnier vor: Kasparow, Kramnik, Leko sowie der
Weltranglisten-Zweite Viswanathan Anand aus Indien gegen die ersten Vier aus
Libyen. Sind damit die Prager Beschlüsse reine Makulatur geworden?
Da würde ich gerne erst einmal hinterfragen, ob Kasparow mit dem, was er in
seinem jüngsten Interview angeregt hat, tatsächlich aus dem Prag-Prozess
aussteigen will. Dem Schachsport wäre es sehr dienlich, wenn wir möglichst bald
wieder nur einen einzigen seriösen Weltmeister haben. Daher muss der
beschlossene Vereinigungsprozess so umgesetzt werden, wie er von breitem Konsens
getragen wird. Alle sonstigen Nuancen, wie sie nachträglich durch Statements ins
Spiel gebracht worden sind, sollte man tunlichst außen vor lassen.
Ihr Erfolgsrezept für das ZMD-Turnier ist es, abgesehen vom rein schachlichen
Programm, ein attraktives Event für alle Fans zu schaffen - das heißt, auch für
solche Fans, die keine Spezialisten des Spiels sind.
So laden Sie immer wieder Prominente ein, die der Veranstaltung Glanz
geben, wie im Vorjahr den Helden der Fußball-WM von Tokio 2002, Marco Bode. Nun
ist bekannt, dass sowohl der deutsche Rap-Star Smudo von den "Fantastischen
Vier" als auch die Pop-Königin Madonna Schach spielen; wie wäre es also, wenn
Sie deswegen Smudo zum diesjährigen ZMD-Open 2004 und Madonna zur
Schacholympiade Dresden 2008 einladen würden?
Eine hübsche Idee. Ich denke darüber nach.
Dr. René Gralla