Ein altes Spiel, aber das Feld ist jung
Von Dagobert Kohlmeyer
Das Sparkassen
Chess-Meeting geht heute in die Halbzeit. Am fünften Spieltag will das
Führungsduo Carlsen und Kramnik mit Weiß versuchen, die Kontrahenten auf
Distanz zu halten. Mit je 2,5 Punkten aus den ersten vier Runden haben die
beiden Turnierfavoriten einen halben Zähler Vorsprung vor den Verfolgern.
Magnus Carlsen könnte mit 3,0 Punkten sogar allein vor dem Feld liegen, wenn
er am Sonntag seine Schwarz-Partie gegen Etienne Bacrot gewonnen hätte.

Aber der Franzosen
errichtete nach wildem Handgemenge am Ende mit Turm und drei Bauern eine
uneinnehmbare Festung gegen Carlsens Dame, die nur noch einen Bauern an
ihrer Seite hatte.

Etienne Bacrot
Peter Leko und Dmitri
Jakowenko trennten sich zuletzt remis.

Der sympathische Russe
hat seine Startniederlage gegen Carlsen gut verkraftet, kam in Runde 2 mit
einem Sieg gegen Arkadij Naiditsch ins Turnier zurück und liegt jetzt mit
Leko und Bacrot in Lauerstellung hinter den beiden Spitzenreitern.

Titelverteidiger Peter Leko
Magnus‘ Ersatzvater
Im Dortmunder
Schauspielhaus sind die meisten Augen natürlich auf Magnus Carlsen
gerichtet, der jeden Tag das gleiche Ritual vollzieht. Nie kommt er ohne
seinen geliebten Orangensaft auf die Bühne. Um das Getränk hat sich Frederic
Friedel gekümmert. Der Hamburger vertritt hier einige Tage lang Carlsens
Vater Henrik, der mal dringend nach Norwegen zurück musste. Am Morgen
organisiert Friedel ein opulentes Frühstück für den Schach-Mozart, weil
Magnus bis gegen Mittag schläft. Im Schauspielhaus aber ist der junge
Großmeister dann hellwach. Magnus setzt sich an den Schachtisch, reicht
seinem Gegner die Hand und vergräbt das Gesicht in den Händen, bis das
Startzeichen ertönt. Wenn er seine Eröffnungszüge getan hat, sieht er auf
die Leinwand nach den anderen Partien. Der Weltranglisten-Dritte hat, wie es
aussieht, alles unter Kontrolle.
Aber Kramnik, Leko und
die anderen Stars wollen ihn noch abfangen. Der Dortmunder Seriensieger hat
ihn gestern schon eingeholt, indem er Arkadij Naiditsch mit Schwarz in einer
Russischen Partie eindrucksvoll überspielte. Gegen Wladimirs Mattangriff am
Königsflügel war kein Kraut gewachsen. Die Zuschauer im Saal und die
weltweite Schachgemeinde sahen eine eindrucksvolle Partie. Beim Dortmunder
Naiditsch läuft es bisher überhaupt nicht, er hat es am heutigen Montag mit
dem Spitzenreiter Magnus Carlsen zu tun.
Neben dem
Hauptereignis gibt es bei diesem Schachfestival noch ein IM-Turnier und zwei
Open. Das zweite Rundenturnier ist auch im Schauspielhaus, wobei die beiden
wichtigsten Partien neben den Großen auf der Bühne zu sehen sind. Die zwei
Open (für Meister und Amateure) finden traditionell im Dortmunder Rathaus
statt. Dort mischen auch die Nationalspieler David Baramidze und Sarah Hoolt
mit.

David Baramidze

Sarah Hoolt
Die offenen Turniere
beginnen um 11 Uhr, am Nachmittag können die Teilnehmer dann die Partien der
Großen im nahen Schauspielhaus verfolgen.
Sie werden immer jünger
Schach, das uralte
Brettspiel, kam vor Jahrhunderten aus dem Orient in unsere Breiten. Seine
Faszination ist bis heute ungebrochen. Millionen Menschen spielen es,
begeistern sich an eleganten Figurenmanövern, schönen Kombinationen und
Mattattacken auf dem Brett. Die meisten tun es zum Spaß; wer mehr Ehrgeiz
entwickelt, geht in einen Schachverein. Und die Elite der Denksportler
trifft sich jedes Jahr zu hochkarätigen Turnieren wie in Dortmund. Die 37.
Auflage des Sparkassen Chess-Meetings ist ein vielsagender Beleg dafür, dass
die Westfalen-Metropole seit langem zu den Schachhochburgen dieser Welt
gehört.
Altes Spiel, aber
junge Gesichter. Im Schauspielhaus der Ruhrmetropole können die Zuschauer
ein erlesenes Teilnehmerfeld bewundern, dessen Durchschnittsalter um die 26
Jahre beträgt. Die Spitzenkönner im Schach werden immer jünger. Im
Computerzeitalter kann man schon mit 13 oder 14 Jahren Großmeister werden,
wie Magnus Carlsen und vor ihm auch Peter Leko und Etienne Bacrot gezeigt
haben. Mit 34 Jahren ist Wladimir Kramnik der Turniersenior in Dortmund. Der
Exweltmeister hat als einziger die 30 schon überschritten.
Am Samstag spielte der
Russe gegen Magnus Carlsen, der mit seinen 18 Jahren Jüngster im Feld ist.

Wer die Partie der
beiden im Saal oder im Internet verfolgte und einen langen, kompromisslosen
Fight erwartete, wurde enttäuscht. Noch ehe eine Stunde vergangen war, gab
Carlsen mit seiner Dame ein Dauerschach, worauf beide Spieler schon im 19.
Zug die Friedenspfeife rauchten.
Beide Superstars
treffen im zweiten Durchgang des doppelrundigen Turniers noch einmal
aufeinander. Ob der achtfache Schachkönig von Dortmund, der dann mit Weiß
Aufschlag hat, den jungen Norweger auch so leicht davonkommen lässt? Dennoch
hat Carlsen bisher alles richtig gemacht.

Er gewann am Anfang
des Turniers, als die anderen noch die Punkte teilten und hielt die starke
Konkurrenz bis zum 4. Spieltag auf Distanz. Nicht umsonst ist der
vielbewunderte Großmeister als Weltranglisten-Dritter in Dortmund an Nr. 1
gesetzt. Aber Carlsen bleibt der Gejagte. Bei sechs offenen Runden kann sich
noch viel ändern. Die Küken werden auch in Dortmund erst zum Turnierende am
nächsten Sonntag gezählt.