Tschechien gewinnt Senioren-Team EM 2008
Von Dagobert Kohlmeyer
Endstand:
1 Tschechien 16:2
2 Stiller Don Rostov 15:3
3 Moskau 15:3
4 Deutschland 13:5
5 Catalonia 13:5
6 WIS Odessa 13:5
7 Schweiz 12:6
8 SF Katernberg 12:6
9 St. Petersburg 11:7
10 Finnland 1 11:7
Partien (pgn)...
Bei der
10. Team-EM der Senioren in Dresden waren die Tschechen eine Klasse für
sich. Als Neuling angetreten, beherrschten die Männer um Vlastimil Jansa und
Jiri Lechtynsky das übrige Feld und ließen die Favoriten aus Rostow am Don
und Moskau hinter sich. Deutschland wurde diesmal undankbarer Vierter.
68
Mannschaften bedeuteten einen neuen Teilnehmerrekord. In den Teams setzten
zahlreiche Schachlegenden die Figuren, darunter Viktor Kortschnoi, Wolfgang
Uhlmann, Vitali Zeschkowski, Andreas Dückstein sowie die
Fernschach-Exweltmeister Fritz Baumbach und Jørn Sloth. Es war die vorerst
letzte Team-EM in Dresden. Die nächste soll 2009 im österreichischen Velden
stattfinden.
Das Siegerteam aus Tschechien mit Dirk Jordan, Foto: Klaus Jörg Lais
Die
Tschechen blieben ungeschlagen, gewannen sieben Kämpfe und spielten zweimal
(gegen Deutschland und Moskau) 2:2. Das ergab 16: 2 Mannschaftspunkte und
23,5 Brettpunkte. Silber ging an Stiller Don Rostow (15:3, 26,0), Bronze an
Moskau (15:3, 23,0). Deutschland holte 13:5 Teampunkte bei 23,5
Brettpunkten.
Einer
der Helden des Turniers war Großmeister Jiri Lechtynsky, der dem
unverwüstlichen Schweizer Vorkämpfer Viktor Kortschnoi am vierten Spieltag
dessen einzige Niederlage in diesem Turnier beibrachte (Foto).
Hier das
Siegerquartett:
Jansa, Lechtynsky, Pribyl, Trapl)
Die
DSB-Auswahl mit Wolfgang Uhlmann, Anatoli Dontschenko, Hajo Hecht, Klaus
Klundt und Burkard Malich war lange Zeit auf Medaillenkurs, musste aber am
vorletzten Spieltag eine 1,5:2,5-Niederlage gegen Moskau hinnehmen. Das
kostete am Ende Bronze. Nach dem deutschen Team kamen Katalonien, Odessa,
die Schweiz sowie Katernberg auf die nächsten Plätze. Wie hart und eng auch
der Kampf dahinter war, zeigt die Tatsache, dass alle Teams vom 9.-23. Platz
je 11:7 Mannschaftspunkte hatten und nur durch die Brettpunkte getrennt
waren. Wenn auch dies nichts half, dann entschied die Buchholzwertung.
Nähere Einzelheiten über das spannende Finale der Euro gibt es auf der
Webseite des ZMD Schachfestivals.
In der
Berliner Auswahl, die im Gesamtklassement den 15. Platz (bei nur einer
Niederlage!) belegte, spielt seit Jahr und Tag Fritz Baumbach mit. Jüngeren
Schachfreunden sei gesagt, dass der 72-jährige Patentingenieur nicht nur im
Fernschach mit seinem WM-Titel 1988 und zwei olympischen Goldmedaillen große
Meriten sammelte, sondern auch im Kampf Mann gegen Mann. (siehe unser
Interview).
Die Fernschachweltmeister Baumbach und Sloth
In
Dresden feierte Fritz Baumbach Wiedersehen mit seinem Vorgänger auf dem
Fernschachthron Jørn Sloth. Der Däne (Jahrgang 1944) war 1980 mit 35 Jahren
jüngster Fernschachweltmeister aller Zeiten. Er arbeitete als Mathematik-
und Russischlehrer und vertrat er sein Land im Nahschach bei der Olympiade
1972 in Skopje. Wie Sloth uns erzählte, war er auch schon einmal als
Schachspieler in Dresden und hat sich bei dieser Gelegenheit sehr für die
Geschichte der Stadt interessiert. 1969, also vor knapp vier Jahrzehnten,
startete Jørn Sloth in Dresden bei der Mannschafts-WM der Studenten und
erinnert sich noch an dieses Detail: „Wir spielten gegen die DDR, und ich
verlor in der Finalrunde am ersten Brett gegen Lutz Espig. Am Ende belegten
wir Platz 9.“
Gerhard
Schmidt, Turnierdirektor der Senioren-Euro, hatte bei unserem Besuch in
Dresden auch die Abschlusstabelle von damals parat.
XVI.
Mannschafts-Weltmeisterschaft der Studenten 1969 - Finalgruppe A
1. |
UdSSR |
|
2 |
4 |
2 |
2½ |
3 |
3 |
3 |
3½ |
4 |
27.0 |
2. |
Jugoslawien |
2 |
|
1½ |
2 |
3 |
3 |
2½ |
3½ |
2 |
2 |
21.5 |
3. |
Bulgarien |
0 |
2½ |
|
2 |
3 |
1 |
2½ |
2½ |
3 |
3 |
19.5 |
4. |
BRD |
2 |
2 |
2 |
|
2½ |
3½ |
1 |
1½ |
2 |
3 |
19.5 |
5. |
DDR |
1½ |
1 |
1 |
1½ |
|
2½ |
3 |
1 |
3½ |
2½ |
17.5 |
6. |
England |
1 |
1 |
3 |
½ |
1½ |
|
1½ |
2 |
4 |
3 |
17.5 |
7. |
USA |
1 |
1½ |
1½ |
3 |
1 |
2½ |
|
2 |
3 |
1½ |
17.0 |
8. |
Rumänien |
1 |
½ |
1½ |
2½ |
3 |
2 |
2 |
|
2 |
2 |
16.5 |
9. |
Dänemark |
½ |
2 |
1 |
2 |
½ |
0 |
1 |
2 |
|
3 |
12.0 |
10. |
CSSR |
0 |
2 |
1 |
1 |
1½ |
1 |
2½ |
2 |
1 |
|
12.0 |
„Auf
meinen Start zur Schacholympiade 1970 bin ich noch heute stolz“
Interview mit Fritz Baumbach
Von Dagobert Kohlmeyer
Der
Berliner Fritz Baumbach war 1988 Fernschachweltmeister und leitet seit 1993
die Geschicke des Deutschen Fernschachbundes als dessen Präsident. Weniger
bekannt ist, dass Baumbach auch einmal DDR-Meister im Nahschach war und sein
Land im gleichen Jahr mit Erfolg bei der Schacholympiade vertreten hat. Am
Rande der Senioren-Team-EM in Dresden sprach Dagobert Kohlmeyer mit ihm.
1970 wurden Sie DDR-Meister, kamen aber nicht gleich ins Olympia-Team.
Warum?
Die
Meisterschaft in Freiberg ging über 19 Runden, und ich war ungeschlagen. Das
hatten mir nur wenige zugetraut. Sie dachten wohl an einen Zufallstreffer.
Wo
nahmen Sie die Energie zu dieser Leistung her?
Damals
wurden so lange Turniere gespielt, und es ist gut gelaufen. Zwei Jahre
vorher bei der Meisterschaft in Weimar hatte ich nur eine Partie verloren
und bin hinter Wolfgang Uhlmann Zweiter geworden. Es war eben meine beste
Zeit. Aber trotz des Titels traute man mir wohl nicht so recht, so dass ich
einen Stichkampf mit Lothar Vogt, Lutz Espig und Manfred Schöneberg um das
noch offene Olympiaticket bestreiten musste.
Wo
und wie wurde gespielt?
In der
Sportschule Rabenberg im Erzgebirge. Jeder gegen jeden vier Partien. Der
Wettkampf ging äußerst knapp aus. Aus 12 Partien holte ich 6,5 Punkte.
Lothar Vogt und Lutz Espig hatten je 6,0, Manfred Schöneberg 5,5. Danach war
nichts mehr zu machen, und keiner konnte mir jetzt einen Startplatz
verwehren. Auch die nicht, die mich nicht ganz ernst genommen hatten.
Welche Erinnerungen haben Sie an die Olympiade Siegen?
Sehr
viele. Zum Beispiel, dass wir in der Vorrunde 2,5:1,5 gegen die USA
gewannen. Ich habe zwar nicht mitgespielt, aber das war schon etwas. Zur
damaligen Zeit ein wichtiger Prestigesieg, keine Frage.
Und einzelne Partien?
Ich habe
live miterlebt, wie Bobby Fischer von Boris Spasski niedergemäht wurde. Im
Übrigen hat ja Spasski vor dem WM-Kampf der beiden jede Partie gegen Fischer
gewonnen. Das machte ihn vor Reykjavik 1972 wahrscheinlich auch ein bisschen
leichtsinnig.
Gab es in Siegen irgendwelche Zwischenfälle?
Wir
haben gesehen, wie der Engländer Jonathan Penrose einen Schwächeanfall bekam
und im Spielsaal zusammengebrochen ist. Er kippte einfach ab und kam ins
Krankenhaus, weil er sich wohl überanstrengt hatte. Er konnte das Turnier
aber weiter spielen.
Ihre eigene Leistung konnte sich wirklich sehen lassen.
Ich kam
nicht so oft zum Einsatz, aber holte 4,5 Punkte aus sechs Partien. Gegen
Wassili Smyslow spielte ich mit Schwarz remis.
Warum wurden gerade Sie gegen ihn aufgestellt?
Meine
anderen Team-Kollegen „fühlten“ sich an diesem Tag nicht so.
Was kam aufs Brett?
Ganz
normales Slawisch. Schon sehr früh in der Eröffnung zog er seinen Springer
nach h4 und später wieder zurück, er hat gar keinen Ehrgeiz entwickelt.
Vielleicht habe ich eine gute Variante erwischt, in der Smyslow keinen
Vorteil herausholen konnte. Er hat es dann seine Gewinnbemühungen
eingestellt, denn die UdSSR hat den Kampf gegen uns mit 3:1 gewonnen.
Haben Sie dann noch analysiert?
Ja, das
taten wir, und unser Trainer Ernst Bönsch kam dazu. Er schaute mich an und
fragte: „Was, so schnell verloren?“ – „Nein, ich habe Remis gemacht!“ –
„Willst du mich verkohlen?“ Warum sollte ich, sieh dir das Formular mit
Smyslows Unterschrift an!“.
War das Ihr stolzester Erfolg im Nahschach?
Eigentlich kann man das schon sagen. Gegen einen Exweltmeister mit Schwarz
ein Remis zu holen, ist schon eine feine Sache. Eine sehr schöne Partie
spielte ich auch bei einem Mannschaftskampf in Moskau gegen Leonid
Schamkowitsch.
L. Schamkowitsch - Dr. F.
Baumbach
Moskau 1970
Englisch A00
1.c4 e5 2.g3 Sf6 3.Lg2 c6
4.Sf3 e4 5.Sd4 d5 6.cxd5 Dxd5 7.Sc2 Dh5 8.h3 Dg6 9.Sc3 Ld6 10.Se3 0–0 11.Dc2
Te8 12.b3 Sa6 13.a3 Sc7 14.Lb2 Scd5 15.Sexd5 cxd5 16.Sb5 Lxg3 17.fxg3 Dxg3+
18.Kf1 e3 19.dxe3 Se4 20.Lxe4 Txe4 21.Dc7 Lxh3+ 22.Txh3 Dxh3+ 23.Ke1 Dxe3
24.Sc3 Tg4 25.Kd1 d4
0-1
Wir
berichteten über die 10. und letzte Senioren-Euro der Teams in
Dresden. War’s das an diesem Austragungsort mit den Oldies? Natürlich nicht.
Auch nach dem Olympiajahr 2008 sollen in der sächsischen Landeshauptstadt
herausragende Veranstaltungen für die Schachveteranen stattfinden. Für 2009
hat der ZMD Schachfestival e.V. die Zusage, mit der Deutschen Meisterschaft
das weltweit größte Seniorenturnier auszurichten. Denn nirgendwo spielen
mehr Senioren Wettkampfschach als in Deutschland.
Text und Fotos: Dagobert Kohlmeyer
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