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Der Wettkampf Polen – Ukraine
Von WGM Beata Kadziolka
Foto: Wikipedia
2008 richtete Lublin die polnischen Einzelmeisterschaften aus und
beanspruchte damit einen Platz auf der Liste der Organisatoren hochklassiger
Schachereignisse. Im Jahr darauf gingen die Organisatoren mit einem starken
internationalen Großmeisterturnier der Kategorie XV (Elo-Schnitt 2612) noch
einen Schritt weiter. Diese Turniertradition wurde fortgesetzt und jedes Jahr
war das Feld stärker. 2011 gingen Shirov, Wojtaszek, Grachev, Sasikirian, S.
Zhigalko, Alekseev, Roiz und B. Soćko an den Start und bescherten dem Turnier
einen Elo-Schnitt von 2680 (Kategorie XVII). Alle Turniere waren Teil der
Bewerbung Lublins um den Status der Europäischen Kulturhauptstadt 2016 (der am
Ende an Breslau ging).
Lublin ist eine schöne Stadt mit langer Geschichte. Mit 400.000 Einwohnern ist Lublin die neuntgrößte Stadt Polens und die größte in Südostpolen. Trotz seiner abwechslungsreichen Geschichte, die bis ins frühe Mittelalter zurückreicht, und obwohl Lublin Besuchern viel zu bieten hat, wird die Stadt immer noch unterschätzt.
Im Laufe ihrer langen Geschichte fiel die Stadt wegen ihrer geostrategischen Bedeutung immer wieder Angriffen zum Opfer und wurde mehr als einmal zerstört. Die offiziellen Stadtrechte erhielt Lublin im Jahre 1317, aber das wichtigste historische Ereignis in der Geschichte Lublins war wohl die Realunion zwischen Polen und Litauen im Jahre 1569, die bis 1795, als das Land zum dritten Mal geteilt wurde und Polen unter russische Herrschaft geriet, Bestand hatte.
Lublin hat seinen Besuchern viel zu bieten. Freunde der Architektur können sich an den zahlreichen Baustilen erfreuen, die das Stadtbild im Laufe der Zeit geformt haben: Gotik, Barock, Klassik und Moderne. Die Lubliner Altstadt enthält viele architektonische Sehenswürdigkeiten, doch besonders reizvoll sind das mittelalterliche Krakauer Tor, das Schloss Lublin und das Kronentribunal. Schachfans kennen Lublin noch aus einem anderen Grund: Johannes Zukertort, einer der besten Spieler des 19. Jahrhunderts, wurde hier geboren.
Photo:
Foto: Wikipedia
Der Spielsaal lag im Gebäude des historischen Kronentribunals, das 1578 errichtet wurde!
Das Krakauer Tor:
Foto: Wikipedia
Das Lubliner Schloss:
Foto: Wikipedia
Dieses Jahr verzichteten die Organisatoren des Europäischen Schachfestivals Lublin 2012 auf ein Großmeisterturnier und richteten stattdessen einen Wettkampf zwischen Polen und der Ukraine aus. Als Schirmherren des Festivals fungierten die polnische Sportministerin Frau Joanna Mucha und der Lubliner Bürgermeister Krzysztof Zuch. Der Preisfonds des Turniers betrug 6.000 EUR.
Der Spielsaal
Gespielt wurde nach Scheveninger System. Jede Mannschaft bestand aus fünf Großmeistern, wobei der Elo-Schnitt aller zehn Großmeister bei 2644 lag, das entspricht einem Turnier der Kategorie XVI. Nach dem Wettkampf im klassischen Schach, der vom 24. bis 28. Mai gespielt wurde, standen am 29. Mai Wettkämpfe im Blitz- und Schnellschach auf dem Programm. Zusätzlich gibt es noch eine Reihe kleinerer Turniere, zum Beispiel das Zukertort-Memorial vom 4. bis 10. Juni, das Turnier der Region Lublin und ein Blitzturnier. Das Festival begann mit einer ‘Lebendschach’-Vorführung auf dem zentralen Platz Lublins, die das polnische Fernsehen zur Hauptsendezeit übertrug.
Lebendschach:
Beide Mannschaften gingen nicht mit den besten Spielern ihres Landes an den Start, sondern testeten ihre Talente – bei den Polen war das Dariusz Świercz (der amtierende U-20 Weltmeister) und bei den Ukrainern Yaroslav Zherebukh (der im letzten World Cup eine phantastische Leistung gezeigt hatte). Von den polnischen Spitzenspielern fehlte Wojtaszek, bei den Ukrainern Ivanchuk, Ponomariov, Eljanov und Areschenko. Trotzdem war die Ukraine klarer Favorit.
POLEN (2627) |
vs |
UKRAINE (2661) |
||||
Titel |
Name |
Elo |
Titel |
Name |
Elo |
|
GM |
2677 |
GM |
2689 |
|||
GM |
2635 |
GM |
2678 |
|||
GM |
2622 |
GM |
2676 |
|||
GM |
2614 |
GM |
2634 |
|||
GM |
2585 |
GM |
2632 |
Ihre Favoritenrolle bestätigten die Ukrainer dann auch gleich in der ersten Runde. Sie schlugen das polnische Team zum Auftakt klar mit 3,5 -1,5.
Świercz - Efimenko 0-1
Macieja - Korobov 1-0
Mitoń - Kryvoruchko
½
Soćko - Fedorchuk
0-1
Bartel- Zherbukh 0-1
Die interessantesten Partien waren die zwischen Fedorchuk und Soćko und die zwischen Korobov und Macieja. In der letztgenannten Partie zeigte der polnische Großmeister Macieja beeindruckende Technik und gewann im Endspiel mit 2 Türmen + 2 Bauern gegen Dame + 1 Bauern.
Auch die zweite Runde ging mit 3-2 an die Ukraine.
Świercz - Zherebukh 1-0
Macieja - Efimenko 0-1
Mitoń - Korobovx
0-1
Soćko - Kryvoruchko ½
Bartel - Fedorchuk ½
Die dritte Runde zerstreute schließlich alle Zweifel am Ausgang des Wettkampfs, denn auch hier gewann die Ukraine mit 3,5-1,5.
Efimenko - Mitoń
½
Korobov - Soćko 1-0
Kryvoruchko - Bartel 1-0
Fedorchuk - Świercz 1-0
Zherebukh - Macieja 0-1
Die vierte Runde ging ebenfalls an die Ukraine. Wie in Runde zwei behielten die Ukrainer mit 3-2 die Oberhand.
Bartel - Korobov 0-1
Soćko - Efimenko ½
Mitoń - Zherbukh ½
Macieja - Fedorchuk
0-1
Świercz - Kryvoruchko 1-0
Für die größte Überraschung sorgte in dieser Runde der polnische Meister Mateusz Bartel. Nach zahlreichen Verwicklungen stand er endlich besser und …. übersah im 40. Zug ein einfaches Matt.
In der fünften Runde kamen die Polen schließlich zu ihrem ersten und einzigen Sieg.
Efimenko - Bartel 0-1
Korobov - Świercz
0-1
Kryvoruchko - Macieja
½
Mitoń - Fedorchuk ½
Zherbukh - Soćko
½
Damit gewann die Ukraine den
Wettkampf verdient mit 14,5-10,5. Das beste Einzelergebnis erzielte Sergey
Fedorchuk mit 4 aus 5. Drei Spieler holten 3 Punkte: Korobov, Efimenko und der
einzige Pole, der vielleicht mit seinem Ergebnis zufrieden ist: Dariusz Świecz.
Macieja und Kryvoruchko kamen auf 50%, während der Rest des Felds das Turnier
wahrscheinlich so schnell wie möglich vergessen möchte.
Partien:
Nach den Partien mit klassischer Bedenkzeit stand das Schnellschachmatch auf dem Programm. Hier verlief der Wettkampf ausgeglichener, aber am Ende gewann die Ukraine doch mit 13,5-11,5.
Ukraine: Korobov 4; Zherbukh, Kryvoruchko, Efimenko 2,5; Fedorchuk 2
Polen: Świercz 3; Mitoń, Macieja 2,5; Bartel 2, Soćko 1,5
Auch der Blitzwettkampf ging an die Ukraine, allerdings denkbar knapp: 5,5-4,5 lautete das Endergebnis.
Efimenko - Bartel ½ - 1½
Korobov - Soćko 1 ½ - ½
Kryvorucko - Mitoń 1 ½ - ½
Fedorchuk - Macieja
1 ½ - ½
Zherbukh - Świercz ½ - 1½
Alles in allem war der Wettkampf eine gelungene Idee. Die meisten Partien waren spannend und steckten voller hübscher Ideen. Während des gesamten Wettkampfs herrschte eine freundliche Stimmung und die Spieler, denen der Kampf am Schachbrett wohl nicht ausreichte, organisierten sogar noch ein Fußballspiel zwischen den beiden Mannschaften. Was das Ergebnis betrifft, so haben die Ukrainer gezeigt, dass sie auch ohne ihre großen Stars immer noch eine sehr starke Mannschaft sind. Die polnischen Fans können mit dem Ergebnis ihrer Mannschaft nicht zufrieden sein, aber darauf hoffen, dass die polnischen Spieler aus dieser Niederlage eine Lehre ziehen und sich bei der Vorbereitung auf die kommende Schacholympiade umso mehr anstrengen.
Turnierseite: http://www.festiwal2012.szachy.lublin.pl/index.php/en.html