Weiter so! Bundeskongress sieht den DSB mit Ingrid Lauterbach auf einem guten Weg

von ChessBase
02.06.2025 – Am vergangenen Wochenende führte der Deutsche Schachbund seinen Bundeskongress durch. Einige Themen wurden kontrovers diskutiert. Ingrid Lauterbach wurde als Präsidentin nach einer Kampfabstimmung knapp wiedergewählt. Die Vizepräsidenten sind Alexander von Gleich, Jürgen Klüners und Jannik Kiesel. Fotos: Schachbund (Matthias Wolf). Zur Pressemitteilung des Deutschen Schachbundes...

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Pressemitteilung des Deutschen Schachbundes (von Matthias Wolf)

Zwei weitere Amtsjahre für die Präsidentin nach Stichkampf - Vizepräsidenten sind Jannik Kiesel, Alexander von Gleich und Jürgen Klüners

Die Entscheidung fiel im Hotel Vivendi, inmitten eines Paderborner Industriegebiets. Heute um 15 Uhr. Da spuckte die Wahlmaschine keinen Neubeginn, sondern ein “Weiter so” aus. Die Delegierten des Deutschen Schachbundes wollen mehrheitlich Kontinuität an der Spitze. Ingrid Lauterbach bekam 116 Stimmen, ihr Herausforderer Paul Meyer-Dunker nur 103.

Das Präsidium

Damit bleibt die 64-Jährige Präsidentin des Deutschen Schachbundes - geht in ihre zweite Amtszeit. “Ich freue mich und bedanke mich für das Vertrauen”, sagte Lauterbach mit einem Lächeln: “Seit ich einen Gegenkandidaten bekommen habe, haben mir viele gesagt, was für einen tollen Job ich doch gemacht habe – zwei Jahre lang hatte ich nichts dergleichen gehört.” Alle Anspannung war in diesem Moment weg. Kurz darauf komplettierte sich das Präsidium im Sinne von Lauterbach. Vizepräsident Sport bleibt ihr Vertrauter Prof. Dr. Jürgen Klüners, der allerdings nicht das Votum als Stellvertreter der Verbandschefin bekam. Das erhielt der alte und neue Vizepräsident Finanzen, Alexander von Gleich. Neuer Vizepräsident Verbandsentwicklung ist Jannik Kiesel, geboren im Jahr 2000. Er verjüngt das bisherige Präsidium, weil Guido Springer nicht mehr antrat.

Meyer-Dunker: "Ich bin enttäuscht - aber so war nun mal der Wille der Delegierten"

Beide Präsidentschafts-Kandidaten hatten sich mit ihren Reden jeweils fünf Minuten präsentiert. Die Auslosung ergab, dass die Amtsinhaberin zuerst mit ihrer Präsentation an der Reihe war. Sie verwies auf ihr “konsequentes Handeln” inmitten einer ernsten finanziellen Lage bei Amtsantritt im Mai 2023. Eine beschwerliche Reise: Von aufgebrauchten Rücklagen hin zu möglichen Rückstellungen. “Das war ein Kraftakt.” Sie, die bisweilen in der Kritik stand aufgrund mangelnder Diplomatie und Kommunikation gegenüber den Landesverbänden, gelobte in diesem Punkt Besserung. Sie habe bisher vor lauter Arbeit zu wenig Zeit für den “direkten Kontakt” gehabt, aber ihr sei klar: “Der DSB ist nur so stark dank seiner Basis.” Dazu bedürfe es einer starken Führung: “Das Amt verlangt Zeit, Leidenschaft und ein Netzwerk. Ich habe gezeigt, dass ich all das mitbringe.

Die Berliner Delegation mit Paul Meyer-Dunker (2.v.r.)

Dass er genügend Zeit mitbringen könne, bezweifelten einige Delegierte offensichtlich bei Paul Meyer-Dunker, der nicht nur im Schach, sondern auch politisch sehr aktiv ist – und im Unterschied zu Lauterbach auch noch berufstätig. Er betonte in seinem Programm, dass der Schachsport “zahlreiche Menschen noch nicht erreicht”. Er wolle die Sichtbarkeit des deutschen Schachs deutlich erhöhen, weg vom oftmals noch “verstaubten Ruf”. Das funktioniere über junge, digitale Ansätze und Identifikationsfiguren. Der DSB müsse auf dem Weg in die Zukunft “als Partner wahrgenommen werden, nicht als ein Verband, der die Landesverbände nur in Ruhe lassen soll” – damit diese möglichst ihr eigenes Ding machen können. “Wir brauchen einen Verband, der schlicht funktioniert.” Das würden wohl alle unterschreiben – aber letztlich waren die Delegierten der Ansicht, dass dies auch weiterhin mit Ingrid Lauterbach passieren soll. Am Ende gratulierte der Unterlegene: “Alles Gute und eine glückliche Hand für Ingrid. Ich bin natürlich enttäuscht - aber so war nun einmal der Wille der Delegierten.”

Abgelehnt: Kein Vizepräsident IT - aber ein junger Funktionär ist neu dabei

Die entschieden sich auch einstimmig für eine Fortsetzung der erfolgreichen Arbeit von DSB-Vizepräsident Alexander von Gleich, der ankündigte, es sei nun zwar wieder mehr Geld da - “aber das müssen wir auch vernünftig verteilen.” Wiedergewählt wurde auch Jürgen Klüners. Der Universitätsprofessor gewann mit 124 zu 95 Stimmen gegen Dr. Carlos Hauser. Der machte keinen Hehl daraus, dass er eigentlich im Team Meyer-Dunker mitspielen wollte – aber er sehe so viele Probleme und Chancen, dass er unabhängig von dessen Niederlage mit anpacken wolle. Der 37-jährige IT-Spezialist war sehr ehrlich – vielleicht zu ehrlich, als es zum Beispiel um das Thema überalterte Führungsstrukturen in vielen Bereichen des Schachs ging, und wie wichtig es doch sei, dass auch der Blick der jungen Generation aufs große Ganze ernstgenommen werde.

Da dürfte es Hauser zumindest gefallen, dass einer mit jungen Gesichtszügen neu ist im Präsidium: Jannik Kiesel. Der Student hat sich vor allem im Bereich der Deutschen Schachjugend einen Namen gemacht, ist also trotz seines Alters ein erfahrener Funktionär - und will nun sein Engagement “auch auf die Erwachsenen ausdehnen”. Eine Wahl entfiel: Schon um 12.40 Uhr gab es nicht die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit für die Einführung eines Vizepräsidenten Digitales und Sicherheit. Eine Niederlage für Ingrid Lauterbach, der diese Erweiterung des Präsidiums sehr wichtig gewesen wäre. “Wir sind zu weit weg vom gängigen Standard”, sagte sie, eine halbe IT-Stelle in der Geschäftsstelle, dazu kein Experte im Präsidium, “wir brauchen da jemanden, der die Richtung vorgibt.” Das sahen viele so – aber knapp nicht genügend. 145 Ja-Stimmen, 70 Nein, 19 Enthaltungen. “Ein Rückschlag”, so Lauterbach in einer Pause. Von Gleich kündigte zumindest an, auch in diesem Bereich mithelfen zu wollen.

Die verbale Blutgrätsche von Guido Springer - "unzumutbar"

72 Delegierte und Zuschauer waren ins schmucke und moderne Hotel Vivendi gekommen - um 9.07 Uhr ging es los. Wobei: Manch einer begann schon am Abend vorher mit der Arbeit. Es galt vor allem für jene, die ein Amt ergattern wollte, weiter Allianzen zu schmieden - oder sich schlichtweg bekannter zu machen. Bisweilen wirkte der ein oder andere etwas angespannt, weshalb schon der Vizepräsident des Schachbundes Nordrhein-Westfalen, Andreas Jagodzinsky, bei seiner Begrüßung um Auflockerung bemüht war. Seine Botschaft an die Delegierten in Paderborn, eine bekanntlich stark von der katholischen Kirche geprägte Stadt: Es müsse nicht in einem strengen Konklave gewählt werden, sondern in einer lockeren Atmosphäre - das sei eine Chance “in der Sache arbeiten können”, so Jagodzinsky: “Einfach mal machen und weniger über Satzungsfragen debattieren”. Und dabei, so der souveräne Versammlungsleiter Klaus Deventer mit einem Appell: “Fair miteinander umgehen.”

Ein frommer Wunsch – leider, an einer Stelle jedenfalls. Das sagte nicht nur Diana Skibbe, langjährige Präsidentin des Thüringer Landesverbandes: “Wir hatten doch gesagt, alle sollen fair bleiben.” Und nun setzte ausgerechnet einer zur Blutgrätsche an, der gar nicht da war. Christoph Mährlein, Präsident des Badischen Schachverbandes, nannte den Vorgang um 9.48 Uhr “unzumutbar”. Zu diesem Zeitpunkt verlas der Präsident des Bayerischen Schachbundes, Ingo Thorn, eine persönliche Erklärung von Guido Springer, der aus beruflichen Gründen nicht anwesend war. Der bisherige Vizepräsident Verbandsentwicklung (“Das Verhalten der Präsidentin erleichtert mir das Fernbleiben”) holte zum verbalen Tiefschlag gegen Lauterbach aus. Ihren persönlichen Umgang mit ihm empfinde er so: “In den Präsidiumssitzungen wurde mir über den Mund gefahren und meine Arbeit niedergemacht. Sie lässt keine andere Meinung zu.” Ein erster Aufreger, der – wie gesagt – überwiegend nicht gut ankam. Selbst Meyer-Dunker sagte später: “Eine solche persönliche Abrechnung hast Du nicht verdient, Ingrid. Keiner darf Dir absprechen, dass Du Dich für das deutsche Schach sehr engagiert hast."

Streit ums Geld mit der DSJ - Ehrungen für Burchardt, Knaak, Tischbierek und Schulz

Apropos Streit. Alexander von Gleich, der Finanzchef ist auch alles andere als konfliktscheu. Die Kassenprüfung durch Ingo Thorn und Viktoria Hauk habe offene Fragen und einen strittigen, niedrigen fünfstelligen Betrag bei der Projektabwicklung durch die Deutsche Schach-Jugend aus den Jahren 2022/23 ergeben. “Die Abrechnung ist in der Form nicht korrekt erfolgt”, so der DSB-Finanzchef. Auf Lösungsvorschläge sei die DSJ nicht eingegangen, “das ist sehr bedauerlich, weshalb wir eine letzte Frist setzen werden – und dann das Geld eintreiben müssen”. Das klingt sehr entschlossen.

Versöhnlich, besinnlich – wie man es auch nennen mag: Natürlich durften auch Ehrungen nicht fehlen. Für Schachfreunde, die es nun wirklich verdient haben. Leider war keiner der Geehrten vor Ort – was natürlich auch daran liegen dürfte, dass das Ganze vorher geheim ist.

Senioren-Weltmeister GM Rainer Knaak erhielt die Goldene Plakette des DSB. Der Name des Leipzigers, so GM Gerald Hertneck in seiner Laudatio, sei “untrennbar mit dem Erfolg im deutschen Schach verbunden”. Ähnliche Worte fand Lauterbach für Knaaks weibliches Weltmeister-Pendant, WGM Brigitte Burchardt, die ebenfalls mit der Goldenen Plakette des DSB ausgezeichnet wurde. Frank Jäger würdigte Ingrid Schulz, die DSAM-Fotografin als gute Seele des Turniers: “Sie sorgt für eine totale Wohlfühlatmosphäre.” Die Hamburgerin erhält zum Dank die silberne DSB-Ehrennadel - und freute sich live mit. Sie schaute SchachdeutschlandTV. Der Deutsche Schachpreis 2024 geht an GM Raj Tischbierek, der nicht nur als Spieler, sondern vor allem auch als Publizist große Verdienste um den Schachsport habe, so Lauterbach. Er habe “Maßstäbe im Schachjournalismus” gesetzt. Nun kann sie in ihrer zweiten Amtszeit weiter Maßstäbe als Präsidentin setzen. (mw)

Beitrag beim Deutschen Schachbund...


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