NUR DIE BESTEN
Von Harry Schaack
Wenn in der Woche vom 28. Juli bis zum 3. August in der Mainzer Rheingoldhalle
die Chess Classic zum 15. Mal stattfinden, werden sich wie immer die Besten
messen. Das gilt 2008 mehr denn je.
Die Live Elo-Liste vom 1. Juli (http://chess.liverating.org) zeigte just die
drei Spieler auf den ersten drei Plätzen, die vom 1.-3. August zusammen mit
der besten Frau der Welt, Judit Polgar, bei den Chess Classic in Mainz um die
13. GRENKELEASING Rapid World Championship spielen werden: Weltmeister
und Branchenführer Viswanathan Anand, Magnus Carlsen und Alexander Morozevich.
Im Gegensatz zur Fide Weltrangliste berücksichtigte die Live-Eloliste das Aerosvit-Turnier
von Foros, das noch im Juni zu Ende ging und das der norwegische Superstar Magnus
Carlsen mit einem Punkt Vorsprung überlegen gewann.
Die Auseinandersetzung verspricht Hochspannung, denn der Weltranglisten-Erste
und 10-malige Sieger der Chess Classic Vishy Anand muss sich mit dem Ausnahmetalent
Magnus Carlsen duellieren, der mit nur 17 Jahren bereits am Thron des Inders
kratzt. Carlsen ist zweifellos einer der allergrößten Talente der Schachgeschichte.
Innerhalb kürzester Zeit hat er sich in der Weltspitze etabliert. Nun gilt er
als erster Aspirant des kommenden WM-Zyklus, in dem der WM-Herausforderer für
2010 ermittelt wird. Mit seinem geteilten Sieg im ersten von insgesamt sechs
Qualifikationsturnieren, dem so genannten Grand Prix, hat er bereits den Grundstein
dafür gelegt.
Magnus Carlsen: Eins der größten Talente der Schachgeschichte
Spannend ist die Frage, ob das "Wunderkind" dem indischen Favoriten Anand, der
die Chess Classic seit mehr als einer Dekade dominiert, gerade im Schnellschach
Paroli bieten kann. Noch führt Anand die Bilanz der beiden klar an. Beim diesjährigen
Melody Amber in Nizza, wo der Weltmeister allerdings außer Form spielte, gelang
Carlsen sein erster Schnellschachsieg. Vielleicht werden die Chess Classic richtungsweisend
für die Kämpfe beider in den kommenden Jahren.
Was kommt dort auf mich zu? Weltmeister Anand ist nachdenklich.
Alexander Morozevich, der Dritte im Bunde, wird ein Wörtchen um den Turniersieg
mitreden wollen. Der Moskowite präsentierte sich zuletzt in Hochform beim Kategorie
18 Turnier in Bosna Sarajewo. Mit diesem spektakulären Turniersieg, von denen
es schon so viele in seiner Karriere gab, katapultierte er sich auf Platz 3
der Weltrangliste. Morozevich gilt als einer der kreativsten Spieler der Weltspitze.
Das zeigt sich auch an einer ganzen Reihe von ungewöhnlichen Eröffnungen, die
er in Topturnieren immer wieder erfolgreich angewendet hat. Es darf spekuliert
werden, mit welcher Waffe er seine Gegner in Mainz überraschen wird.
Ergänzt wird das Viererfeld durch Judit Polgar, die herausragende weibliche
Protagonistin der Schachgeschichte. Sie war die erste Frau, die sich nicht nur
regelmäßig erfolgreich mit der Weltklasse messen konnte, sie war auch seinerzeit
mit 13 Jahren die jüngste Großmeisterin aller Zeiten. Sie gehörte zu den Top
Ten und spielte 2005 im Achterturnier von San Luis um die Weltmeisterschaft.
2004 forderte sie Anand in einem der spannendsten Matchs der Chess Classic alles
ab. Die spektakuläre Auseinandersetzung bot den Zuschauern Kampfschach vom Feinsten.
Alle acht Partien wurden entschieden und Anand konnte erst durch einen Doppelschlag
in den letzten beiden Runden 5-3 gewinnen.
Judit Polgar
Die Zuschauer dürfen also gespannt sein, denn alle vier Teilnehmer der 13. GRENKELEASING
Rapid World Championship zeichnen sich durch ihr aggressives Spiel und ihren
unbedingten Siegeswillen aus. Vishy Anand erwartet daher diesmal eine besonders
schwere Aufgabe. Die Chess Classic sind für den Inder eine der letzten Generalproben
vor seiner Titelverteidigung im klassischen Schach gegen Wladimir Kramnik, die
im Oktober in Bonn stattfindet.
Die Superlative bei den diesjährigen Chess Classic setzt sich auch bei den Frauen
fort, die sich vom 29.-31. Juli bei der
2. FiNet Chess960 Rapid Woman World
Championship messen. Auch hier sind die zuletzt herausragenden Spielerinnen
versammelt. Chess960 ist die Schachart, die die Chess Classic popularisiert
hat und bei der die Figuren auf der Grundreihe zufällig verteilt werden. Die
Idee stammt eigentlich von dem kürzlich verstorbenen ehemaligen Weltmeister
Bobby Fischer, wird aber erst seit den Chess Classic auch in der Weltspitze
gespielt.
Titelverteidigerin bei den Frauen ist Alexandra Kosteniuk, die vor zwei Jahren
die deutsche Vertreterin Elisabeth Pähtz bezwang. Der Europameistertitel von
2004 war der wohl wichtigste Erfolg ihrer Karriere. Die beste russische Schachspielerin
muss sich in Mainz mit den drei Erstplatzierten der diesjährigen Frauen-Europameisterschaft
messen.
Alexandra Kosteniuk
Den Titel gewann nach 2005 zum zweiten Mal Kateryna Lahno - ein Kunststück,
das bei der EM weder den Frauen noch den Männern bisher gelang. Die ukrainische
Nachwuchshoffnung ist mit 19 Jahren auch die Jüngste im Feld. Platz 2 der diesjährigen
EM belegten gemeinsam Victorija Cmilyte, die in dieser Saison mit Baden-Baden
erneut Deutscher Meister wurde und sich im letzten Jahr als beste Frau über
das FiNet Open qualifizierte, sowie Natalia Zhukova, die sich bei den Chess
Classic schon 2006 qualifizierte und 2000 ebenfalls schon einmal den EM-Titel
erringen konnte.
Schließlich setzt sich die Auswahl der Besten auch bei der
4. Livingston
Chess960 Computer WM fort. Neben Titelverteidiger Rybka und dem erfolgreichsten
Programm der Schachcomputergeschichte Shredder, haben sich im Internetturnier
von ICC die Programme Naum und Deep Sjeng qualifiziert. In der aktuellen Computerweltrangliste
belegen die vier Programme die ersten vier Plätze. Damit ist die Livingston
Chess960 Computer WM mit einem Eloschnitt von 2981 und einer Kategorie 29 das
stärkste Turnier aller Zeiten ist!
Rybkaentwicker Vasik Rajlich
Stefan Meyer-Kahlen präsentiert eine der zahlreichen Trophäen, die
sein Programm Shredder schon gewonnen hat.
Den Weltmeisterschaften im Schnellschach und im Chess960 können die Zuschauer
abends in der Rheingoldhalle live beiwohnen. Diejenigen, die sich auch zu den
Open angemeldet haben, erhalten freien Eintritt. Sie können sich entweder im
Silent Viewing in der Rheingoldhalle die Züge via Kopfhörer oder im Public Viewing
im Foyer von Großmeistern fachmännisch erklären lassen. Natürlich steht dieser
Service auch den Sponsoren und geladenen Gästen im Gourmet Club bei delikater
Verkostung zur Verfügung.
Viele Schachfans fiebern aber sicherlich schon den beiden großen Schnellschach-Open
entgegen, bei denen sie sich selbst spielend in einem Turnier mit der absoluten
Weltklasse messen können. Die Open der Chess Classic sind nicht zuletzt wegen
ihrer zahlreichen Ratingpreise beliebt. So kann jeder in seiner Leistungsklasse
attraktive Preise gewinnen. Das Budget für beide Open beträgt 40.000 Euro.
Zunächst gibt es Donnerstag und Freitag (31. Juli und 1. August) die Möglichkeit,
sich ohne Eröffnungstheorie im 7. FiNet Open, dem stärksten Chess960 Turnier
der Welt, zu profilieren. Die Leistungsdichte ist hier besonders hoch. Im letzten
Jahr waren ein Drittel der 280 Teilnehmern Titelträger.
Das
ORDIX Open brach 2007 alle Rekorde. Mit sensationellen 762 Teilnehmern
war es das größte Turnier seiner Art, das jemals ausgetragen wurde. Ein Viertel
des Feldes bestand aus Titelträgern und das wird sich voraussichtlich auch dieses
Jahr nicht ändern. Viele Amateure haben hier die Chance, einmal einem Weltklassespieler
in einer Wettkampfpartie gegenüber zu sitzen. Mit Sergei Movsesian (Elo 2723)
und Pavel Eljanov (Elo 2716) sind gleich zwei 2700er im Feld vertreten. Auch
die deutsche Nr. 1. Arkadi Naiditsch, der kürzlich in Dortmund Wladimir Kramnik
bezwingen konnte, hat zugesagt. Darüber hinaus sind jetzt schon 16 Spieler mit
einer Elo von über 2650 angemeldet, darunter Anands Sekundant Peter Heine Nielsen,
Akopian, Motylev, Sasikiran und der ehemalige FIDE-Weltmeister Rustam Kasimdzhanov.
Im Teilnehmerfeld finden sich mit Rafael Vaganjan oder Ulf Andersson, die in
Mainz Stammgäste sind, auch Stars der Vergangenheit. Besonders interessant wird
aber der Auftritt des Schnellschachexperten Hikaru Nakamura sein. Der beste
Spieler der Welt über die ganz kurze 1 Minuten Distanz, dem so genannten Bullet,
überrascht immer wieder mit exzentrischen Eröffnungen. So hat er beispielsweise
die Zugfolge 1.e4 e5 2.Dh5 schon mehrfach gegen starke Konkurrenz erfolgreich
angewendet. Der Amerikaner ist schon jetzt eines der Highlights der diesjährigen
Veranstaltung.
Trotz der gewaltigen Teilnehmerzahlen zeichnen sich die Chess Classic vor allem
durch ihre ausgezeichnete Organisation aus. Mit pünktlichem Rundenbeginn und
einem reibungslosen Ablauf hat sich die Veranstaltung einen Namen gemacht.
Um sich das Medieninteresse zu sichern, dass ihr gebührt, finden die Chess Classic
wegen der Olympiade in Peking etwas früher statt. Die Überschneidung mit den
Sommerferien ermöglicht es vielen Schülern an den beiden Kinder-Open, dem
2.
Mini-ORDIX (29. Juli) und dem
2. Mini-FiNet (30. Juli) mitzuspielen.
Die Betreuung und Beratung der Eltern durch einen Großmeister während des Turniers
macht diese Open besonders reizvoll für talentierte Nachwuchsspieler.
Den Auftakt der Chess Classic bildet am Montag, den 28. Juli traditionell das
Simultan, das diesmal von Weltmeister Vishy Anand gegeben wird. Mit nur
vier abgegebenen Remisen an 40 Brettern erreichte der Inder 1994 das bislang
beste Ergebnis. Diejenigen, die einmal gegen den Weltmeister spielen wollten,
hatten wie jedes Jahr in mehreren Versteigerungen bei Ebay die Chance dazu,
sich einen Platz zu ergattern.
Mehr Informationen zu den einzelnen Veranstaltungen sind im Internet auf
www.chesstigers.de
zu finden, wo man sich auch zu den Turnieren voranmelden kann.