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Der Glanz des Ruhms, der einem Schachweltmeister zuteil wird, färbt stets ein wenig auf dessen Herausforderer ab. So wird man den einstigen Wunderknaben Englands, Nigel Short, stets als Herausforderer Garry Kasparows aus dem Match des Jahres 1993 in Erinnerung behalten. Bei der „Battle of the Legends“, einem spektakulären Schaukampf in der Schachmetropole St. Louis wurde der Geist des Weltmeisterkampfes am 25. und 26. April 2015 wieder heraufbeschworen, Kasparow, der 2005 sein aktives Leben als Schachprofi zugunsten anderer Aktivitäten beendete, traf auf Nigel Short, der immer noch als gefürchteter Turnierspieler (erinnert sei an das kürzlich gewonnene Thailand Open), viel diskutierter Autor und gefragter Schachkommentator tätig ist. Der Ausgang des kleinen Matches in St. Louis erinnerte ein wenig an den Kampf im Jahre 1993 und war für Short vernichtend: Nur 1,5 Punkte aus 10 Partien und 7 Niederlagen in Folge. Leider schien er aufgrund eines Jetlags nicht auf der Höhe zu sein und unter seinen Möglichkeiten gespielt zu haben, oder wie es Short via Twitter verlauten ließ: „Perhaps not my best day at the office.“
Nigel Short ist ein überaus praktischer Spieler, bereit, auf dem Brett dubiose Eröffnungen zu spielen und streitbare Entscheidungen zu treffen, wenn er sich damit eine praktische Chance auf den ganzen Punkt erhofft. Wie man Risikofreude, dynamisches Spiel mit gesundem Stellungsverständnis verbindet, davon kann er ein Liedchen singen, und dass nicht nur eins: Seine DVD „Greatest Hits 1“ bietet 14 Videos mit jeweils einer kommentierten Partie aus drei Jahrzehnten seines Schaffens. Jetzt, da er aufgrund eines Artikels im NewInChess-Magazin unlängst zum beinahe bekanntesten Schachspieler des Globus avanciert ist, ist die Zeit günstig, sich mittels dieser DVD ein Bild von ihm und seinem Schaffen zu machen. Mein erster Eindruck: Nigel Short ist well dressed, wie immer: Jackett, Krawatte und natürlich Humor, der einem bekanntlich ja am besten kleidet. Nun zum Schachlichem:
Was für den Filmfan das Making-Of ist, sind für den Schachfreund Anthologien wie Short´s „Greatest Hits 1“: Man erfährt von Beweggründen, die hinter den Werken standen, von Schwierigkeiten am Brett und man lernt vor allem die Menschen kennen, die hinter und für die Züge stehen.
Wie es sich für Greatest Hits gehört, kommen in der DVD Stücke mit großem Wiedererkennungswert vor: Was bei musikalischen Evergreens eingängige Melodien sind, die ein jeder sofort wiedererkennt, sind bei unvergesslichen Schachpartien oft Zugfolgen, die in die Geschichte eingehen. Ein eindrückliches Beispiel hierfür stammt aus einer Partie gegen Jan Timman aus dem Jahr 1991, bei dem ich mich an das Motto „die Wanderlust des Königs nach dem feindlichen Schlosse hin“ aus „Mein System“ von Aaron Nimzowitsch erinnerte. Überfällt den König die Wanderlust meist erst im Endspiel, wo er sich sicher sein kann, auf seinen Pfaden quer über das Brett nicht in einer Mattfalle gestellt zu werden, schnürt er in dieser Partie seine Wanderstiefel in der Hitze des Mittelspiels, mit noch allen Schwerfiguren und einem Leichtfigurenpaar im Spiel, und spaziert ungestört, zielstrebig und vernichtend in die feindliche Rochadestellung! Ein sehr ungewöhnliches Motiv und nicht umsonst bezeichnet Short diese Partie als sein „Stairway to heaven“, auf die er auf seinen Reisen rund um den Globus stets angesprochen wird.
Die Wanderlust des weißen Monarchen in der Partie Short – Timman, Tilburg 1991
Auch wenn auf dieser DVD keine Partie aus dem Weltmeisterschaftskampf 1993 gegen Garry Kasparow stammt, so drehen sich doch viele Partien rund um den ehemaligen russischen Weltmeister. In 1986, als er schon in den illustren Kreis der zehn besten Spielern der Welt aufgestiegen ist, traf Short in Brüssel auf Garry Kasparow, dem er schon einmal bei den Jugendweltmeisterschaften am Brett gegenüber saß, damals endete das Spiel mit einem Unentschieden. Ähnlich dem jugoslawischen Angriff, den Short in seinen jungen Jahren gegen den sizilianischen Drachenaufbau favorisierte, beantwortete er Kasparows Najdorf mit dem englischen Angriff, zu dessen Entwicklung Short neben zwei anderen englischen Spielern, Nunn und Chandler, beigetragen hatte. Und von Nunn kam der Vorschlag, Kasparow im 12. Zug mit einer Neuerung aus dem Konzept zu bringen. Ein Vorhaben, das Short trotz einiger Ungenauigkeiten und zwei Fehlgriffen den Sieg einbrachte. Eine andere britische und eher unbekannte Eröffnungsspezialität, nämlich der interessante Zug 2.Se2 gegen Caro-Kann kommt in zwei anderen Videos zur Sprache. Der eine oder andere mag sich hiervon inspirieren lassen.
Als besonderen Leckerbissen stellt Short eine bisher unveröffentlichte Partie gegen Ruslam Ponomarjov vor, die während eines geheimen Matches stattfand, mit Hilfe dessen der Ukrainer und damalige FIDE Weltmeister sich auf ein anstehendes aber dann leider nicht stattfindendes Match gegen Kasparow vorbereiten wollte. Das Kräftemessen im Evans Gambit fand kurioserweise in einem Jagdsaloon voller ausgestopfter Tiere, in den es bei nachmittäglichem Regen zusätzlich hineintropfte, statt. Von dieser Szenerie beschwingt wurde kein trockenes Theorieduell, sondern rasantes Angriffsschach serviert.
Apropos Geheimvorbereitungen: Um sich auf das Halbfinale gegen Karpow vorzubereiten, mit dessen Gewinn er sich schließlich das Recht erwirkte, 1993 gegen Kasparow anzutreten, nahm er sich die Ratschläge eines Jungen (O-Ton Short: „young boy“) zu Herzen, der ihn in Athen bei den schachlichen Vorbereitungen unterstützte. Wer dieser Junge war? In der 7. Partie der DVD lüftet Short das Geheimnis.
Resümee
Short stellt für mich in einer Schachwelt, die durch den Einfluss der Computer zu einem etwas trockenem, rationalem Ringen wird, bei dem der Faktor Mensch bisweilen die undankbare Rolle als Fehlerquelle zuteil wird, einen willkommenen Gegenpol dar: Erlebe ich Short als Kommentator von Turnieren oder seiner eigenen Partien, so denke ich bisweilen an die Rolle des Narren in den Stücken von Shakespeare, ohne Short damit herabsetzen zu wollen, eher im Gegenteil: Mit Humor und philosophischen Einsichten öffnet sich – auf durchaus unterhaltende Weise – der Einblick in die tieferen Zusammenhänge. So wird einem auf dieser DVD einiges zum Schmunzeln geboten – etwa sein Vorschlag, die russische Verteidigung aus dem Turnieralltag zu verbannen – aber auch lehrhafte Einsichten in die feine Mechanik komplexer Mittelspielstellungen begleitet von taktischen Leckerbissen und technischen Feinheiten.
Mit einem Idol an seiner Seite lernt es sich am besten: Mit dieser DVD holt man sich einen Großen der Schachgeschichte an den heimischen Tisch, der für dynamisches, angriffslustiges Schach steht und verdientermaßen zu den besten Kommentatoren des Schachsports zählt. Das liegt in meinen Augen vor allem daran, dass er – so vielschichtig er als Person zu sein scheint - am Brett stets simple, schnörkellose und gut nachvollziehbare Pläne in den Stellungen aufspürt, wovon meines Erachtens beim Genießen seiner „Greatests Hits 1“ Spieler aller Spielstärken profitieren können.
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