Sizilianische Überraschungswaffe

von ChessBase
18.06.2015 – Kennen Sie das O'Kelly System im Sizilianer? Mit 2...a6 stellt Schwarz von Anfang an die Weichen und zugleich auch schon eine kleine Falle auf! Denn der meistgespielte und klassische Sizilianerzug 3.d4 eröffnet Schwarz hier gleich mehrere Optionen, zu angenehmen Spiel zu kommen. Christian Höthe hat sich die DVD von Andrew Martin angesehen und einige weitere Vorzüge von "O'Kelly" entdeckt. Mehr...

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Andrew Martin: Sicilian O´Kelly

Rezension von Christian Höthe

Auf der Suche nach einem "typischen" Sizilianer, der dem eigenen Spielstil entspricht, der zudem einfach aufs Brett zu bekommen erreichen und zu relativ schnell zu erlernen ist, kann man rasch auf Abwege geraten.

Warum versuchen Sie es nicht mit dem O´Kelly-System, das nach den Zügen 1. e4 c5, 2. Sf3 a6!? entsteht? Nach nur zwei Zügen haben wir "unser" System erreicht!

Dieser Sizilianer erfüllt all die oben genannte Zwecke und eignet sich zudem noch hervorragend als Überraschungswaffe. So wurde diesem System im Buch "Dangerous Weapons - The Sicilian" vom Everyman-Autorengespann ein separates Kapitel gewidmet - zurecht!

IM Andrew geht auf seiner DVD "Sicilian O´Kelly" noch einen Schritt weiter und erläutert in der Einführung die Notwendig eines jeden Vereinsspielers, sich insbesonders ein schlagkräftiges praktisches Eröffnungsrepertoire zurecht zu legen. Praktisch vor allem in der Hinsicht, dass man "seine" Stellungen eben auch wirklich aufs Brett bekommt. Worin liegt der Sinn, sich stundenlang mit den neuesten Entwicklungen der Najdorf-Bauernraubvariante zu beschäftigen, wenn man diese Variante nur alle 5 Jahre einmal aufs Brett bekommt?

Bereits nach nur zwei Zügen 1 e4 c5 2 Nf3 a6 haben wir "unser" System erreicht. Und das beste daran: die kritischen Fortsetzungen von Weiss lassen sich an nur einer Hand abzählen:

3. c3 - von vielen Experten wie z.B. Khalifman als bestes empfohlen. Weiss versucht hier Stellungen zu erreichen, in denen sich a7-a6 als unnötig erweisen könnte. Diese Spielweise wird anhand von 6 Partien erläutert. Martin zeigt, dass Schwarz hier gutes, typisch sizilianisches Gegenspiel erhält. Eine typische Fortsetzung besteht in 3. ...d5 4 exd5 Dxd5 5 d4 e6 6 Le2 Sf6 7 0-0 Le7 und Schwarz steht sehr bequem

3. c4 - galt als stark für Weiss und war John Nunn´s Empfehlung in seiner Reihe "Beating the Sicilian". In Zeiten des "Igels" kann Schwarz damit mittlerweile ganz gut leben - Martin bringt hier ebenfalls 6 Musterpartien, die zeigen, dass Schwarz gut mitspielt und interessante dynamische Möglichkeiten erhält

3. d4 - dieser natürliche offene sizilianische Zug gilt für Weiss bereits als unzureichend im Sinne des Spiels um Vorteil - Schwarz erhält hier sehr bequemes Spiel und kann der Zukunft optimistisch entgegen sehen. Sechs Musterpartien und eine Zusammenfassung runden dieses Kapitel ab

3. Sc3 - wird mit fünf Partien behandelt und stellt Schwarz vor keinerlei Probleme

Was mir besonders gut gefallen hat und was die DVD besonders macht, ist, dass IM Martin seinen Zuschauern einen grossen Bonus mitliefert, nämlich starke Gegenmittel gegen sizilianische Nebenvariante wie das Morra-Gambit, die geschlossene Variante mit 2. Sc3, 3. Le2 oder das Flügelgambit. Wer O´Kelly spielt, braucht sich zudem um die beliebten Systeme mit weissem 3. Lb5 (+) überhaupt keine Sorgen mehr zu machen - ein weiterer grosser, praktischer Vorteil: man spart Vorbereitungszeit!

Grossmeister wie Anand, Svidler, Morozewitsch, Glek und Rapport haben die O´Kelly Variante oft zum Staunen ihrer Gegner aufs Brett gezaubert - einen besseren Beweis für die gute Spielbarkeit dieses Systems gibt es nicht!

Hier zwei Partiebeispiele, die die Flexibilität des O´Kelly-Sizilianers gut aufzeigen. Die erste Partie, eine Begegnung zweier Grossmeister, durfte ich live miterleben und hat sich mir seitdem eingeprägt. Ich finde es bemerkenswert, wie ein so erfahrener Grossmeister wie Klovans - sichtlich vom O´Kelly-Sizilianer überrascht - schon in der Eröffnung kaum merkbar fehlgreift und sich schnell in der schlechteren Stellung wieder findet:

Klovans - Kalinitschew (Staufer Open 1998)

Hier noch ein Beispiel dafür, wie schnell Schwarz gutes Spiel erreicht, wenn Weiss mit 3. d4 "einfach" den normalen offenen Sizilianer anstrebt:

Miszkielo - Maisuradze (Reykjavik Open 2015)

Brauchen Sie noch mehr Argumente für die O´Kelly-Variante? Also ich nicht - mich hat Andrew Martin mit seiner ebenso unterhaltsamen wie instruktiven DVD überzeugt!

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