Deutschlands einziger Fernsehmillonär wurde Mitglied der Emanuel-Lasker-Gesellschaft / Internationale Konferenz über einzigen deutschen Schachweltmeister in Potsdam 

-- von Wolfgang Radeiski, Gründungsmitglied der Laskergesellschaft -- 

Potsdam. Wenn in Deutschland mindestens sieben gleichgesinnte Männer (oder Frauen) zusammen-kommen, gründen sie einen Verein. In Potsdam waren es am zweiten Januarwochenende (12.-14. 01.) zeitweise fast 300 Teilnehmer aus dem In-und Ausland, die sich anläßlich des 60. Todestages des bisher einzigen deutschen Schachweltmeisters (1894-1921), Emanuel Lasker, zu einer internationalen Konferenz trafen - und 40 davon die erste Emanuel-Lasker-Gesellschaft gründeten.

Wenn eine Vereinsgründung im deutschen Schach- und Geistesleben sinnvoll war, dann diese. Sie kommt spät, ist für den wiedervereinigten Deutschen Schachbund (so Präsident Egon Ditt) kein besonderes Ruhmesblatt. Denn das Erbe des Schachspielers, Philosophen, Schriftstellers, Mathematikers, Weltbürgers und Juden Emanuel Lasker (1868-1941) droht in Vergessenheit zu geraten. Deshalb stellte Cheforganisator Paul Werner Wagner (geb. 1948), der das Moses Mendelssohn Zentrum Potsdam sowie die Bundeszentrale für politische Bildung finanziell dafür gewinnen konnte, die Konferenz unter das Motto: "Homo ludens - homo politicus" (Der spielende und politische Mensch), um die Gesamtpersönlichkeit Laskers zu würdigen.

Ohne Paul Werner Wagner, einst mit der DDR-Meisterin Annett Michel verheiratet, hätte es diese Konferenz nicht gegeben. Er ist ein lebender Beweis für Zweigs "Schachnovelle": Während seiner Haft (Republikflucht) u.a. im berüchtigten Stasi-Knast "Roter Ochse" in Halle lernte er Lasker, sein Leben und seine Partien kennen - aus einer Schachzeitung in der Gefängnisbibliothek, die in Vorbereitung des Emanuel-Laskers- Gedenkturniers zum 100. Geburtstag 1968 in Ostberlin zahlreiche Artikel veröffentlichte. Später hatte er sich als Schachspieler in Wolfen, Turnierorganisator und Oberligaschiedsrichter sowie Initiator des "Schachcafes" im Berliner FEZ, einen Namen im DDR-Schach gemacht, bevor er sich jetzt als freiberuflicher Kulturmanager und Leiter des Wilhelm Fraenger Institutes Berlin seiner "alten Liebe" erinnerte.

Seine Intention zur Ausrichtung der Konferenz: "Für mich ist Lasker der Repräsentant eines vernichteten deutsch-jüdischen Geisteslebens, das es als kulturelles Erbe zu bewahren gilt." Denn auch die deutsche Schachszene hatte zwischen 1933-45 ihren Arierparagraphen, verbannte Laskers Namen, bis auf wenige Beispiele, aus den Büchern, schloß den "Juden" Lasker aus der Berliner Schachgesellschaft aus, zwang ihn ins Exil. Eine wirkliche Wiedergutmachung hat es bisher nicht gegeben. Als vergangenes Jahr das ehemalige Sommerhaus Laskers in Thyrow - zwischen Trebbin und Ludwigsfelde - bzw. das, was davon übrig blieb, zum Verkauf anstand, rettete es Wagner vor dem Abriss, plante mit Hilfe einer Konferenz und einer zu gründenden Lasker-Gesellschaft, dieses Grundstück als Erinnerungstätte zu erhalten.

Und er lud zur Konferenz, was in der Schachwelt vor allem als Historiker, Rang und Namen hat - und fast alle kamen. Für die politische Unterstützung des Projekts sorgte Brandenburgs Ministerpräsident Manfred Stolpe zur Konferenzeröffnung sowie Bundesinnenminister Otto Schily, der am Prominententurnier teilnahm. 

Für die fachliche Kompetenz standen namhafte Schachgroßmeister aus dem In- und Ausland wie Deutschlands bekannteste Altmeistergilde Wolfgang Unzicker (München), Lothar Schmid, Helmut Pfleger (beide Bamberg), 

Wolfgang Uhlmann (Dresden, mit Bronstein Sieger des Lasker-Gedenkturnieres 1968) und Robert Hübner (Solingen). Darüber hinaus kamen GM Jurij Awerbach (Moskau), bekannter Schachlehrer und Endspieltheoretiker,


Awerbach

Ex-Wm-Herausforderer Viktor Kortschnoj (Schweiz), der auf seinem Weg zum Zweikampf mit Ukraines Jungstar Ponomariov eine Simultanrunde in Potsdam einlegte, 

der älteste, noch lebende GM der Welt, Andre Lilienthal (Budapest), der selbst noch gegen Lasker gespielt hatte und im Mai seinen 90. Geburtstag feiert, der namhafte Schachhistoriker Isaak Linder (Moskau / Biografie über Lasker),

Henriette Reering, Leiterin der Schachsammlung der Königlichen Bibliothek Den-Haag, Schachhistoriker und -verleger Egbert Meissenburg, Kunsthistoriker Hans Holländer, Polens bekanntester Schachorganisator Jerzy Arlamowski, die deutschen Fernschachweltmeister Horst Rittner und Fritz Baumbach, 

die Altinternationalen Rudolf Teschner (Zweiter eines Lasker-Gedenkturniereres 1948) und Alfred Künzel (geb. 1912), Edith Keller-Hermann, erste deutsche Schachgroßmeisterin (geb.1921) - eine der wenigen Frauen bei dieser Veranstaltung.

Selbst den bisher einzige Millionengewinner einer deutschen Fernseh-Ratesendung (Günther Jauchs RTL-Wissenquiz) zog es nach Berlin und Potsdam: Dr. Ekkehard Freise, Historiker und passionierter Schachspieler aus Wuppertal, ließ sich Konferenz und Gründungsversammlung nicht nehmen. Außerdem dabei: Vertreter aus dem polnischen Barlinek (früher Berlinchen, dem Geburtsort Laskers) und Thyrow.

Rechtzeitig zur Konferenz war im Philo-Verlag das jüngste Ergebnis der Lasker-Forschung "Emanuel Lasker - Schach, Philosophie, Wissenschaft" (248 S./ DM 48,-) von Michael Dreyer und Ulrich Sieg erschienen. Deren Beiträge - nach der von Historikern in vielen Details umstrittenen Lasker-Biografie von J. Hannak aus dem Jahre 1953 das erste umfassende Werk über Lasker - bestimmten die Diskussion, die naturgemäß viel zu gering ausfiel: Dr. Dreyer (Jena) referierte über Lasker als homo politicus, Dr. Sieg (Marburg) und Dr. Gräfrath (Essen) über Lasker als Philosoph, Dr. Lembcke (Jena) über Lasker als homo ludens, Dr. Hagemann (Tübingen) über Lasker als Dramatiker, Thesing (Münster) über das mathematische Werk von Lasker. Übrigens: Zahlreiche Autoren spielen für den Lübecker Schachverein, wo sich offensichtlich ein besonders fruchtbares Kreativ-Zentrum deutscher Schachforschung versammelt hat.

Für die historischen Reminiszenzen während der Konferenz sorgten am Abschlußtag die ausländischen Gäste: Frau Reering über "Lasker und Holland", Awerbach "Lasker und Rußland" und Linder "Laskers Moskauer Exil". Eine nähere Betrachtung der Beiträge würde den Rahmen dieses Beitrages bei weitem sprengen, bleibt ohnehin der Herausgabe der Konferenzmaterialien durch die Lasker-Gesellschaft vorbehalten. Nur soviel: Auch die mit viel Beifall aufgenommenen Auftritte des Nestors des deutschen Schachs, Wolfgang Unzicker (Tarrasch und Lasker), von Schachverleger und Großmeister Lothar Schmid (Lasker und der Nationalsozialismus) sowie Robert Hübner (Laskers psychologische Spielführung) waren "high-lights", die es im deutschen Schach so noch nicht gegeben hat. Auch dadurch wurde es eine Konferenz von historischer Dimension.

Um das jüdische Erbe muß immer wieder neu gesprochen und auch gekämpft werden. Denn schon will die Landesregierung in Sachsen-Anhalt im Schachdorf Ströbeck (Kreis Halberstadt) die einzige Emanuel-Lasker-Schule Deutschlands schließen. Grund: der Schulentwicklungsplan - zuwenige Schüler. Planungsbürokraten fehlt offensichtlich jedes historische Gespür. Auch in Laskers Lieblingsland Holland droht ein Skandal, wie auf der Konferenz zu erfahren war: Das Max-Euwe-Centrum in Amsterdam wird untergehen, wenn es nicht gelingt. eine 250 prozentige Mieterhöhung abzuwenden!

Der Gründungsvorsitznde der Lasker-Gesellschaft, Paul W. Wagner, dazu: "Es wäre fatal, wenn das passiert. Denn so etwas wie die Holländer wollen wir auch schaffen - ein Schachmuseum in Berlin." Die Polen dagegen, die Laskers Geburtshaus in Barlinek (einst "Perle der Neumark") pflegen, begegnen ihm und ihren deutschen Traditionen mit wachsendem Engagement: Vom 19. Bis 29. Juli wird bereits das IX. Lasker-Memorial in der Wojewodschaft Gorzow (früher Landsberg) ausgetragen!

Informationen zur Laskergesellschaft über: www.lasker-gesellschaft.de