David Ionovich Bronstein, geboren am
19.Februar 1924 gehört neben Keres, Kortschnoj und Larsen zu den stärksten
Spielern, die nicht Weltmeister wurden. Vielleicht hat keiner den Titel so knapp
verpasst wie er, als er 1951 beim WM-Kampf gegen Weltmeister Botvinnik mit 11,5:10,5
führte und dann das benötigte Remis in der vorletzten Partie nicht schaffte.
Botvinnik glich aus und behielt aufgrund der damaligen Regelung ("Lex
Botvinnik") wegen Punktgleichheit den Titel.
Bis zu diesem Zeitpunkt war Bronsteins Aufstieg kometenhaft gewesen. Vom Trainer
Alexander Konstantinopolsky entdeckt, wurde er schon mit 16 Jahren
Meister der UdSSR und konnte bei der UdSSR-Landesmeisterschaft 1944 seine Partie gegen Botvinnik gewinnen. 1945 wurde er bereits Dritter der
UdSSR-Meisterschaften, 1946 Moskauer Stadtmeister. 1948 gewann er das
Interzonenturnier von Saltsjöbaden. 1948 und 1949 gewann er die
UdSSR-Meisterschaften.
Beim Kandidatenturnier in Budapest fing er in der letzten Runde den bis dahin
führenden Isaak Boleslavsky, dessen Tochter Tatiana später Bronsteins Frau
wurde, ab und siegte beim folgenden dramatischen Stichkampf um das Recht,
Weltmeister Botvinnik herausfordern zu können, in der Verlängerung.
Der denkwürdige Wettkampf gegen Botvinnik fand vom 15.März bis 11.Mai 1951 in
Moskau statt und machte Bronstein und Botvinnik zu erbitterten Feinden, die
danach kein Wort mehr miteinander sprachen.
Bronstein wurde von Boris Weinstein (oder
Vainstein)
unterstützt. Weinstein, der direkt unter dem Chef der Geheimpolizei NKWD
Lavrenty Pavlovich Beria (1899 geboren, 1954 hingerichtet), einem persönlichen
Freund Stalins, als Chef der Wirtschaftsabteilung des NKWD arbeitete, war
Präsident des Schachverbandes und gleichzeitig Vorsitzender des Dynamo
Schachklubs, dem offiziellen Klub des NKWD. 1945 hatten er und Bronstein sich
kennen gelernt.
Botvinnik sah
Weinstein als seinen persönlichen Feind, der bereits gegen Stalins Weisung Botvinniks Versuch hintertrieben hatte, einen WM-Kampf gegen Aljechin zu organisieren,
was dann durch den Zweiten Weltkrieg und Aljechins Tod endgültig unmöglich
geworden war.
Später hat sich Botvinnik über das Verhalten von Bronstein im WM-Kamf von 1950
beklagt: "Im Zuscherraum, genau gegenüber der Bühne, gab es Plätze für den KGB,
wo alle Anhänger des Dynamo Clubs saßen. Wenn Bronstein etwas opferte oder einen
Bauern gewann, wurde dort lauthals applaudiert. Bronstein machte einen Zug,
verschwand blitzartig hinter der Bühne, erschien erneut und verschwand wieder.
Das Publikum lachte, was mich irritierte." (in Genna Sodonko: Russian Sihoettes,
2001).
Die Darstellung von Botvinnik ist jedoch nur
die halbe Wahrheit, denn auch Botvinnik hatte Unterstützung aus dem KGB und nach
dem dramatischen Schluss des WM-Kampfes 1951 wurde sogar behauptet, Bronstein
hätte die letzte Partie auf Weisung des KGBs verlieren müssen. Bronstein selbst
hat das zurück gewiesen und schrieb : "Es wurde viel Unsinn darüber
veröffentlicht. Ich war in diesem Wettkampf zwar vielerlei psychischem Druck
ausgesetzt, aber es lag einzig an mir, damit fertig zu werden."
Auch Bronstein hatte unangenehme Erfahrung
mit dem NKWD. Sein Vater hatte die Zeit von 1937 bis 1944 in einem Arbeitslager verbracht.
Nach dem WM-Kampf von 1951 griff Bronstein
noch mehrmals am Rande in den Kampf um die Weltmeisterschaft ein, ohne jedoch
seinen Erfolg wiederholen zu können: Im Interzonenturnier in Portoroz 1958 wurde
er geteilter Siebter. Beim Interzonenturnier in Amsterdam 1964 erreichte er den
6.Platz, verpasste aber die Qualifikation zum Kandidaten, weil nur drei
Teilnehmer eines Landes zugelassen waren und mit Spassky, Smyslov, Tal und Stein
bereits vier Sowjets vor ihm lagen. Seine letzte Teilnahme an einem
Interzonenturnier war in 1973 in Petropolis, wo er Sechster wurde, aber
sich nur die ersten Drei qualifizierten.
In den Jahren 1952, 1954, 1956 und 1958
spielte Bronstein auf Schacholympiaden für die Mannschaft der UdSSR.
In seinem romantischen Stil erinnert
Bronstein an den jungen Keres. Er pflegte einen unternehmenden Angriffsstil,
scheute kein Risiko und brachte oft brillante Ideen auf das Brett.
In späteren Jahren hat sich Bronstein auch
um das Computerschach verdient gemacht, indem er sich als Gegner und Prüfstein
zur Verfügung stellte.
Bronstein veröffentlichte mehrere Bücher,
besonders das unter seinem Namen erschienene Buch über das Kandidatenturnier
Zürich 1953 ist berühmt.
Andor Lilienthal und Bronstein in Moskau (September 2003)
André Schulz/19.2.2004