Die 23.Partie
Von André Schulz
1951 spielte der junge aufstrebende David Bronstein einen Wettkampf über 24 Partien gegen den amtierenden Weltmeister Mikhail Botvinnik um den Titel. Nach 22 Partien führte Bronstein mit 11,5:10,5 und benötigte aus den letzten beiden Partien nur noch zwei Remis, um Botvinnik als Weltmeister abzulösen. Doch Bronstein verlor die vorletzte Partie und kam in der letzten Partie in schon schlechterer Stellung nicht über ein Remis hinaus. Seitdem ranken sich viele Gerüchte um diesen Wettkampf. Angeblich hätte Bronstein den Wettkampf auf Druck aus der sowjetischen Führung verlieren müssen. Bronstein selbst ist eine der Hauptquellen diese Gerüchts. Öffentlich hat er sich niemals in diesem Sinne geäußert, auf Turnieren oder privat hat er aber entsprechende Andeutungen gemacht.
Als dem jungen Bobby Fischer nach einer verlorenen Partie gegen Boris Spassky die Tränen in den Augen standen, ging Bronstein auf ihn zu uns sagte: "Sie haben mich gezwungen einen ganzen Wettkampf zu verlieren und ich habe nicht geweint." (1). Auch der Ukrainer Semen Palatnik, der heute in Memphis (USA) lebt berichtet, dass Bronstein ihm erzählt habe, dass er den Wettkampf gegen Botvinnik mit Absicht verloren habe, da andernfalls sein Vater in ein sibirisches Arbeitslager gesteckt worden wäre. (2).
Im Hintergrund dieser Anschuldigungen steht die Idee, dass die politische Führung der UdSSR ein größeres Interesse gehabt hat, den loyalen und amtierende Weltmeister Mikhail Botvinnik als Aushängeschild und Vorzeigeweltmeister zu behalten.
Die Popularität und Bedeutung des Schachs hatte in der UdSSR ein Ausmaß, dass für uns heute und besonders im Westen kaum vorstellbar ist. Nach der Oktoberrevolution 1917 wurde Schach als hervorragend geeignete Sportart für die Werktätigen der jungen Sowjetrepublik ausgesucht und gefördert. Schach war unpolitisch und konnte von jedermann überall gespielt werden. Die Verquickung von hohen Ämtern in der sowjetischen Führung mit dem Schach war dabei Tradition und von Anfang an gegeben.
Der ausschlaggebende Mann für dem sowjetischen Schachboom war Nikolai Krylenko (1885-1938), vormaliger Chef der Roten Armee und gefürchteter Kommissar für Justiz in der SU und seit 1924 Chef des neu gegründeten Sowjetischen Schachverbandes. Er hatte schon mit Lenin im Schweizer Exil Schach gespielt und auch nach der Machtübernahme der Kommunisten spielten sie gelegentlich noch in Lenins Datscha.
Von Krylenko, Ankläger in unzähligen Schauprozessen, stammt der Spruch: "Es reicht nicht, die Schuldigen hinzurichten. Erst wenn man ein paar Unschuldige erschießt, sind die Leute beeindruckt."
Eines der Traumata des Sowjetschachs am Anfang der SU war die Emigration von Alexander Aljechin (1.11.1892 bis 24.3.1946), genauer: seine Flucht. Aljechin, bester Spieler des Landes und später Weltmeister (1927-1935 und 1936-1946), war den neuen Machthabern als Abkömmling einer Adelsfamilie in den postrevolutionären Wirren der Konterrevolution höchstverdächtig und hatte zweimal Kontakt mit der Geheimpolizei, eine Einrichtung die die KPdSU vom Zaren übernommen hatte. Beim ersten Mal wäre er in der Ukraine fast erschossen worden. Beim zweiten Mal war es nur ein Verhör, aber das reichte dem späteren Schachweltmeister. Er verließ die Sowjetunion fluchtartig nach der Heirat mit einer Schweizer Journalistin und betrat nie wieder den Boden seiner Heimat.
Einen anderen Spitzenspieler des Landes, Efim Bogoljubov, konnte Krylenko persönlich zur Rückkehr aus Deutschland und zur Teilnahme am ersten großen Schachturnier nach der Revolution in Moskau 1924 bewegen. Bogoljubov war mit einigen anderen russischen Teilnehmern des Turniers Mannheim 1914, darunter auch Aljechin, bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges in Deutschland interniert worden.
Mannheim 1914
Bogoljubov und Aljechin waren Zellengenossen und spielten in der Zeit viel Schach. Der spätere Weltmeisterschaftskampf zwischen den beiden Freunden findet hier wohl seine Wurzeln. Aljechin wurde von einem deutschen Schachfreund zur Flucht verholfen. Er kehrte erst einmal in seine Heimat zurück. Bogoljubov blieb. Er hatte Interesse an den deutschen Frauen gefunden. 1924 folgte Bogoljubov der Einladung nach Moskau, gewann das Turnier, ließ sich aber kurz danach herzlich entschuldigen und verschwand wieder nach Deutschland.
Schach wurde von Krylenko und der politischen Führung gefördert, um die vorherrschende Rolle und intellektuelle Führerschaft der Arbeiterklasse zu dokumentieren. Auch in Deutschland entstanden zu dieser Zeit, Mitte bis Ende der Zwanziger Jahre, im Zuge der Arbeiterbewegung zahlreiche Arbeiter-Schachvereine und es gab Besuche von Arbeiterschachgruppen aus Deutschland in der SU.
Die Kommunisten vereinnahmten das Schach in Russland für ihre Zwecke und führten es schließlich international zur Weltspitze. Schach war allerdings schon zur Zarenzeit in Russland sehr populär gewesen, wovon nicht zuletzt das große Turnier von 1914 in St. Petersburg zeugt. Doch nach der Revolution litten die Sowjets unter dem Mangel an Stars. Viele waren emigriert, viele im Krieg oder im Bürgerkrieg gestorben.
1935 bekam man schließlich ein großes internationales Turnier auf die Beine, an dem ausländische Stars wie Lasker, Capablanca, Spielmann, Pirc, Stahlberg oder Lilienthal teil nahmen. Inzwischen war Schach in der SU bereits ungeheuer populär. Etwa die Hälfte aller organisierten Schachspieler der Welt lebten hier. Die besten einheimischen Spieler, aber natürlich auch die internationalen Großmeister hatten den Status von Popstars wie heute die Fußballstars David Beckham oder Ronaldo und es gab auch die gleichen Zeichen der Verehrung. Die Konterfeis der Spieler konnte man auf Post- oder Sammelkarten erwerben. Sie wurden von den Frauen angehimmelt. Spieler wie Capablanca konnten und wollten sich vor den Avancen gar nicht retten. Andor Lilienthal fand hier seine erste Ehefrau. Lilienthal, aber auch Lasker, der hier zeitweilig Exil vor den Nazis fand, verband nach dem Turnier eine enge Beziehung zu Moskau und dem sowjetischen Schach.
Das Turnier in der berühmten Moskauer Säulenhalle fand eine gewaltige Anzahl an Zuschauern. Der Turnierraum war überfüllt mit Leuten, die die Spieler sehen wollten. Noch mehr standen draußen auf der Straße und begehrten Einlass. Berittene Polizei musste für Ordnung sorgen und gab die Ergebnisse der Partien bekannt.
Einer ragte unter den nationalen Meistern besonders heraus: Mikhail Botvinnik. In Moskau 1935 teilte er den ersten Platz mit Salo Flohr, seinem Freund und späteren Sekundant, und überholte u.a. die beiden Weltmeister Lasker und Capablanca. Als er später die Erlaubnis bekam mit Nottingham 1936 an einem Auslandsturnier teilzunehmen, sogar in Begleitung seiner Frau, kam er tatsächlich wieder zurück und bewies so sein Loyalität zur SU.
Nottingham 1936 - Teilnehmer
Bis zu ihrem Ende lebte die UdSSR nämlich in der Angst, ihre Sportstars würden bei Einsätzen aus dem Ausland nicht wiederkehren. Aber mit Botvinnik gab es nie Probleme. Wie sehr die Hochschätzung innerhalb der Parteiführung war, kann man daran erkennen, dass Botvinnik für einen Turniersieg ein Auto geschenkt bekam. Er war damit die wohl einzige Privatperson in der SU, die in Auto besaß. Wenn Botvinnik, der mit einer Balletttänzerin des Bolschoi-Ballets verheiratet war, ins Bolschoi Theater ging, dann standen beim Betreten alle Zuschauer auf und applaudierten ihm. Man ahnt, warum die heutigen russischen Großmeister die alten Zeiten so sehr vermissen.
Bis 1945 war das Sowjetschach weitgehend isoliert. In den Dreißigern und Vierzigern wuchsen hier zahlreiche starke Spieler heran, von denen man in der übrigen Welt jedoch gar nichts wusste. Ende der Dreißiger, Anfang der Vierziger Jahre gab es Bemühungen, einen Wettkampf um die Weltmeisterschaft zwischen Botvinnik und Aljechin zu organisieren. Während Krylenko Aljechin als "Weißgardisten und Konterrevolutionär" sah, war Stalin offenbar ein Anhänger dieser Idee und erlaubte u.a. den Abdruck eines Briefes von Aljechin in der Zeitschrift 64 im Jahr 1936.
Der Kriegsausbruch unterbrach alle Bemühungen. Insbesondere Boris Weinstein (1907-1939) war gegen eine Wettkampf mit Aljechin. In seinen Augen, war dieser ein Kriegsverbrecher, denn er hatte als Kollaborateur und Kulturassistent für Hans Frank gearbeitet. Frank war seit 1939 als Generalgouverneur der besetzten polnischen Gebiete verantwortlich für die Ermordung von Hunderttausenden von Polen, die Beschlagnahmung ihres Eigentums und die Deportation von etwa einer Million polnischer Arbeiterinnen und Arbeiter in deutsche Fabriken. Außerdem hatte er die Verschleppung polnischer Juden in Ghettos organisiert, die Vorbereitung des Holocausts. Botvinnik sah Aljechins Rolle als als irrelevant an.
Die Feindschaft zwischen Weinstein, dem Chef des NKWD-Schachklubs Dynamo und des UdSSR-Schachverbandes, hatte ihren Ursprung schon in einem Streit bei einer Partie im Jahr 1929. Weinstein war inzwischen im NKWD zum Abteilungsleiter für Wirtschaftsfragen aufgestiegen und direkt dem mächtigen und gefürchteten Leiter der Geheimpolizei Lavrenti Beria, einem Freund Stalins, unterstellt.
Lavrentia Beria, hinten li.: Stalin
Botvinnik sah in Weinstein vermutlich auch einen sehr mächtigen Rivalen zu seinen bisher guten und einzigartigen Beziehungen zur Partiespitze. Zurecht. In einem Interview kurz vor seinem Tod hatte Weinstein zugegeben, mit Hilfe seiner guten Kontakte zur Parteispitze dafür gesorgt zu haben, dass ein Wettkampf zwischen Botvinnik und Aljechin nicht zustande kam.
Weinstein und Bronstein lernten sich gegen Ende des Krieges kennen und Weinstein sorgte dafür, das Bronstein, der aus Kiev stammte, das er auf der Flucht vor den Deutschen verlassen hatte, in Moskau untergebracht und in den Schachklub des NKWD Dynamo aufgenommen wurde. Vielleicht hat Weinstein von Anfang an daran gedacht, den jungen Bronstein in seinem Konflikt mit Botvinnik zu instrumentalisieren, wer weiß?
Nach Aljechins Tod im Jahr 1946 übernahm die FIDE die Organisation der Weltmeisterschaft. Schon vorher hatte sich die FIDE und Euwe bemüht, den Weltmeistertitel zu deprivatisieren. Hätte Euwe den Revanchewettkampf gegen Aljechin gewonnen, hätte er den Titel der FIDE zur Verfügung gestellt. So musste man bis zum Tod Aljechins warten.
Aljechins Grabstein in Paris vor der Zerstörung
durch einen Wirbelsturm im Dezember 1999.
In einem Turnier mit den zu dieser Zeit vermeintlich besten Spielern der Welt, das im März 1948 an den Orten Den Haag und Moskau durchgeführt wurde, hatte sich der zu dieser Zeit schon 37-jährige Mikhail Botvinnik durchgesetzt und den Titel endlich in die SU geholt. Das schlechte Abschneiden des hoch gehandelten Paul Keres hatte auch hier schon zu dem Gerücht geführt, der Este, der nach der Besetzung seines Landes durch die Deutschen zudem auf Turnieren im faschistischen Teil Europas aktiv gewesen war, hätte gegenüber dem linientreuen Vorzeigerussen Botvinnik zurückstecken müssen. Keres selbst erklärte sein Resultat jedoch einfach mit falscher Turniertaktik.
Im Jahr 1951 musste Botvinnik den Titel zum ersten Mal nach den neuen FIDE-Statuten verteidigen. Dabei sollte der Titelverteidiger bei Punktgleichheit Weltmeister bleiben. Als Preisgeld hatte die FIDE 5000 Dollar für den Sieger und 3000 Dollar für den Verlierer ausgelobt. Tatsächlich bekamen die Spieler später die Summen nach offiziellen Umrechnungskursen in Rubel ausbezahlt, die in Wirklichkeit einen viel geringeren Wert hatten.
1950 wurde in Budapest ein Kandidatenturnier zur Ermittlung des Herausforderers für die Weltmeisterschaft gespielt, bei dem lange Zeit Isaak Boleslavsky führte. Während Boleslavsky in der letzten Runde gegen Stahlberg remisierte, konnte Bronstein gegen Keres gewinnen und gleich ziehen.
Die Partien zum Nachspielen...
Nun musste ein Wettkampf zwischen diesen Beiden gespielt werden, die übrigens gute Freunde waren. Bronstein heiratete sehr viel später die Tochter seines Freundes, Tatiana Boleslavskaya.
Der Stichkampf verlief dramatisch. Bronstein ging mit 2:0 in Führung, wurde dann aber noch eingeholt. In der zweiten Partie der Verlängerung holte er schließlich den entscheidenden Punkt.
Die Partien zum Nachspielen...
Bronstein war nun der Herausforderer von Botvinnik. Und für ihn sprach viel. Seine Jugend, mit 27 Jahren war er deutlich jünger als der inzwischen 40-jährige Botvinnik, aber auch die Tatsache, dass Botwinnik drei Jahre lang kein einziges Turnier gespielt hatte. Entsprechend nervös war der Weltmeister, auch wenn er insgeheim Trainingsmatches spielt, z.B. gegen Smyslov.
Im Vorfeld des Wettkampfes, aber auch in dessen Verlauf, bediente sich Bronstein psychologischer Mittel, um Druck auf Botvinnik auszuüben, den er im Verdacht hatte, mit Hilfe seiner guten Beziehungen - Botvinnik hatte u.a. Kontakte zu Außenminister Molotov - seine Karriere behindert zu haben. So hatte Bronstein z.B. erst sehr spät die Erlaubnis erhalten, am Interzonenturnier in Salsjöbarden mitspielen zu dürfen.
Bronstein brachte so im Vorfeld die Wettkampfbedingungen in Diskussion. In der ersten Wettkampfpartie und auch später bediente er sich zudem ausgerechnet Botvinniks Lieblingsverteidigung, Holländisch, was den Weltmeister zusätzlich nervös machen sollte. Botvinnik beschrieb dies jedoch als fehlerhafte Eröffnungsstrategie, da er nach langer Turnierpause sich in unbekannten Eröffnungen weit weniger wohl gefühlt hätte.
Bronstein gewann die fünfte Partie, verlor dann aber gleich die sechste und siebte. Die elfte gewann er wieder, um die zwölfte zu verlieren. Die 17. ging wieder an Bronstein. Ausgleich. Die 19. gewann Botvinnik, doch dann schlug Bronstein in der 21. und 22. zu und führte zwei Partien vor Schluss mit einem Punkt Vorsprung. Zwei Remis würden reichen.
Tschaykovsky Konzerthalle während der 22.Partie
Doch Botvinnik gewann die 23.Partie. In der letzten Partie kam Bronstein nicht über Remis hinaus. Am Ende stand es 12:12. Botvinnik blieb Weltmeister.
Die Partien zum Nachspielen...
Bronstein hat später, nicht öffentlich, aber in privaten Kreisen oder auf Turnieren behauptet, er habe den Wettkampf verlieren müssen, das sonst sein Vater in ein Arbeitslager gesteckt worden wäre. Tatsächlich war Bronsteins Vater 1937 als "Volksfeind" in ein sibirisches Arbeitslager eingesperrt worden. 1944 kam er zurück zu seiner Familie, schwer krank in Folge der Lebensbedingungen im Gulag. Als der Wettkampf gegen Botvinnik in der Moskauer Tschaikowsky Konzerthalle gespielt wurde, waren auch Bronsteins Eltern anwesend und saßen in der ersten Reihe. Für einen verurteilten Volksfeind war der Aufenthalt in Moskau jedoch verboten. Die Tatsache, dass Bronsteins Vater glaubte, ungestraft gegen dieses Verbot verstoßen zu können, spricht eher gegen Bronsteins Behauptung, bei seinem Wettkampfsieg müsste sein Vater erneut in ein Lager.
Bronstein 2003
Es gibt weitere Indizien, die eher gegen Bronsteins Darstellung sprechen. In der besagten 23.Partie musste Botvinnik einen Abgabezug machen. Er hatte die bessere Position mit zwei guten Läufern gegen zwei Springer von Bronstein im Endspiel, wählte aber einen falschen Abgabezug, was dagegen spricht, dass Botvinnik davon ausging, dass Bronstein diese Partie in jedem Falle verlieren müsse. Wenn dies so gewesen wäre, hätte es auch bessere Gelegenheiten gegeben, den Verlust herbei zu führen. Nach Wiederaufnahme hatte Bronstein wieder eine Remischance, verpasste aber, die beste Möglichkeit.
Gena Sosonko berichtet in seinem Artikel über Salo Flohr in "The Reliable Past" (Alkmaar 2003), wie Botvinnik seinem Sekundanten Flohr berichtet, dass er einen anderen Abgabezug gemacht hatte, als den bestmöglichen, den sie gerade zusammen analysiert hatten, worauf Flohr die Tränen in die Augen schossen. Sosonko deutet es so, dass diese Reaktion von Flohr Enttäuschung aufgrund des Misstrauens gewesen sei, dass Botvinnik sogar ihm entgegen gebracht hatte. Keene weist jedoch darauf hin, das Botvinniks Erklärung, er habe einen anderen als den besten Zug abgegeben und Flohrs Reaktion darauf so zu lesen ist, dass Botvinnik damit praktisch erklärt, dass der Weltmeistertitel verloren ist. Auch dies würde gegen die KGB-These sprechen.
Es ist guter russischer Brauch und tiefes russisches Empfinden, dass immer höhere Mächte am Werk sind, wenn etwas passiert, was man eigentlich so nicht erwartet hätte. Und der KGB bzw. sein Vorläufer NKWD war der Arm der höchsten Mächte in der UdSSR. Das hinter der Hand geraunte "KGB" war eine häufig geäußerte Erklärung für alle möglichen Ereignisse und mochte sicher auch als Entschuldigung für mangelnde eigene Leistungen eine gerne genutzte Entschuldigungsmöglichkeit sein. Auf der anderen Seite hat die Führungsspitze der UdSSR und der KGB tatsächlich oft in die Geschicke im Schach eingegriffen. Als Rafael Vaganjan, damals unter den Top Fünf in der Welt, in den Siebzigern von einem Auslandsturnier zurück kam, wurde er gleich von KGB-Mitarbeitern abgeholt. Nichts Schlimmes: Karpov hatte in seiner Vorbereitung auf den Wettkampf gegen Kortschnoj Probleme mit der Französischen Verteidigung und brauchte seine Hilfe.
(1) Lev Kharitonov mit Bezug auf ein Interview mit Luis Rentero
(2) Zuschrift von Hauke Rudolph. Persönliches Gespräch mit Semen "Sam" Palatnik
Quellen:
Bronstein: The Sorcerer's Apprentice, Everyman 1995
Mikhail Botvinnik: Botvinnik's Best Games, Olomouc 2000
Andrew Soltis: Soviet Chess, McFarland 2000
Sosonko: The reliable past. New in Chess, Alkmaar 2003
Sarah Hurst: Meeting Mikhail Botvinnik, CHESS 1994, in: Sarah Hurst: Curse of Kirsan, Russel Enterprises 2002
Frederic Friedel: Bronstein's fateful 23rd game, chessbase.com, 2003
Partien, Tabellen: ChessBase Mega 2004