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Zur Situation in Georgien vor der
Weltmeisterschaft der Frauen 2004
Von Gerald Schendel
Links:
Artikel in Russland-Online...
Meldung bei Itar-Tass...
Meldung bei BBC...
Meldung bei Baku Today-net...
Zurab Asmaiprarshvili und Aslan Abaschidse
Innenpolitische Diskussionen in Georgien könnten
zur Absage der Schachweltmeisterschaft der Frauen führen, die vom 21. Mai bis 8.
Juni in Batumi (Adscharien/Georgien) stattfinden soll. Der Sportminister der
georgischen Zentralregierung in Tiflis, Georgi Gabaschwili, sagte am 17. April
gegenüber Journalisten, man könne nicht für die Sicherheit der ausländischen
Teilnehmerinnen garantieren. Er teilte ferner mit, dass das georgische
Außenministerium einen Brief an den FIDE-Präsidenten Kirsan Iljumschinow
gerichtet habe mit der Empfehlung, die WM aus diesem Grund nicht in Batumi
durchzuführen. Eine Reaktion Iljumschinows ist bisher nicht bekannt. Die
FIDE-Homepage ist seither nicht erreichbar gewesen.
Am 15. April, hatte Kirsan Iljumschinow in Batumi zusammen mit dem Oberhaupt der
autonomen georgischen Republik Adscharien, Aslan Abaschidse, in Gegenwart des
Co-Präsidenten der georgischen Schachföderation, GM Surab Asmaiparaschwili,
einen Vertrag zur Organisation der Schachweltmeisterschaft der Frauen in Batumi
unterzeichnet.
Während
des letztjährigen FIDE-Kongresses (31. Oktober - 2. November 2003 in Kallithea,
Halkidiki, Griechenland) war am 1. November 2003 bekannt gegeben worden, dass
die Frauen-WM im Zeitraum Mai/Juni 2004 mit einem Preisfonds von USD 450.000 von
der georgischen Schachföderation in der georgischen Hauptstadt Tiflis
organisiert werden sollte.
Zu dieser Zeit hieß der Staatspräsident Georgiens noch Eduard Schewardnadse.
Oppositionsführer war Michail Saakaschwili. Die Wahl eines neuen georgischen
Parlaments am 2. November führte zu Unruhen. Das Oberhaupt der Republik
Adscharien, Aslan Abaschidse, unterstützte Schewardnadse.
Am 24. November 2003 schrieb Mark MacKinnon für
Globe and Mail: „Was wie eine vom Volk getragene, unblutige Revolution auf
den Straßen aussah, stellte sich hinter den Kulissen eher als ein weiterer Sieg
für die Vereinigten Staaten dar in dem internationalen Schachspiel gegen
Russland nach dem Kalten Krieg... Eduard Schewardnadse galt als einer der
Schachmeister auf diesem Feld. Gestern wurde er wie ein Bauer vom Brett
genommen."
In diesem Spiel ging und geht es nicht zuletzt um die Kontrolle von Ölvorkommen
im kaspischen Raum. Georgien ist wichtiger Teil eines "Energiekorridors". Als
Schewardnadse sich gen Westen neigte, stützte man ihn. In Georgien gab es die
ersten US-Truppen auf dem Boden einer früheren Sowjetrepublik. Als Schewardnadse
sich wieder an Russland anzulehnen schien, ließ man ihn fallen. Der von den USA
gestützte Michail Saakaschwili gewann diese Partie. Und die nächste Partie
begann.
Während der Sitzung des FIDE-Vorstands am 28./29. Februar 2004 in Kotor
(Montenegro) teilte FIDE-Präsident Kirsan Iljumschinow mit, dass die Frauen-WM
von einer der großen Schachnationen, Georgien, im Mai 2004 ausgerichtet werden
soll - entweder in Tiflis oder in Batumi, auf Einladung des Oberhaupts der
Republik Adscharien, Aslan Abaschidse. Der exakte Termin solle nach dem 20. März
bekannt gegeben werden.
Am 20. Januar war Aslan Abaschidse nach Straßburg geflogen, um dort Gespräche
mit dem Europarat zu führen. Der Presse in Straßburg sagte Abaschidse, die neue
Regierung in Tiflis werde alles daran setzen, ihn zu stürzen.
Am 4. März rollten russische Panzer durch die Straßen von Batumi. Die russische
Militärbasis in Adscharien ist noch ein Relikt aus sowjetischer Zeit. Wollte man
zeigen, dass Abaschidse nicht gänzlich schutzlos ist?
Mitte März verschärften sich die Spannungen zwischen Batumi und Tiflis. Man
sprach davon, dass Georgien am Rande eines Bürgerkrieges stehe. Am 18. März
wurde bekannt, dass der Europarat ein Büro in Batumi eröffnen wolle, und einen
Tag später, nach einem Gespräch mit Michail Saakaschwili, erklärte Aslan
Abaschidse in einer Fernsehansprache die Krise für beendet. Zwei ehemalige
türkische Minister verwiesen bei einem Besuch in Tiflis am 20. März auf den
Vertrag von Kars aus dem Jahre 1921, durch den die Türkei gegenüber Adscharien
den Status einer Schutzmacht erhalten hatte, und boten ihre Vermittlung zwecks
Verbesserung der Beziehungen zwischen Batumi und Tiflis an.
Mitte des 15. Jahrhunderts war Adscharien in den Besitz der Familie Abaschidse
gelangt. Ende des 16. Jahrhunderts wurde Adscharien Teil des Osmanischen Reichs.
Der Berliner Kongress 1878 übergab Adscharien dem russischen Reich. Nach dem
Zerfall des russischen Reichs wurde Adscharien als autonome Republik Teil von
Georgien. Der Großvater von Aslan Abaschidse war von 1918-1921 erster
Vorsitzender des adscharischen Parlaments. Der Vertrag von Kars 1921 bekräftigte
den autonomen Status Adschariens und wurde unterzeichnet von Russland, Georgien,
der Türkei sowie Armenien und Aserbeidschan. Gemäß diesem Vertrag haben Russland
und die Türkei das Recht, Truppen nach Adscharien und Nachitschewan (eine
Enklave Aserbeidschans auf armenischem Gebiet) zu schicken, wenn Drittstaaten in
diese Territorien eindringen.
Nach den Parlamentswahlen in Georgien am 28. März 2004 verlangte der georgische
Präsident Saakaschwili die Entwaffnung der Angehörigen des adscharischen
Sicherheitsministeriums (Adscharien hat über 2.000 Polizisten und 8.000 Mann
Miliz), weil diese "Banditen" seien, und kündigte eine Aktion seiner von den USA
ausgebildeten und ausgerüsteten Elitetruppen an.
Am 9. April gaben Aslan Abaschidse und FIDE-Präsident Kirsan Iljumschinow
bekannt, dass die Frauen-WM in Batumi stattfinden soll. Ein Vorvertrag sei
unterzeichnet worden, sagte Abaschidse. Iljumschinow betonte, dies sei keine
politische Entscheidung. Man habe die Veranstaltung an die georgische
Schachföderation vergeben, um den bedeutenden Beitrag georgischer
Schachspielerinnen in der Schachwelt zu würdigen. Die georgische
Schachföderation habe vorgeschlagen, die Meisterschaft von Tiflis nach Batumi zu
verlegen. Iljumschinow sagte nach Berichten der russischen Nachrichtenagentur
Interfax und der Georgischen Sportnachrichten: "Dies ist eine interne
Angelegenheit der georgischen Schachföderation!"
Der
förmlichen und öffentlichen Unterzeichnung des Vertrages durch den
FIDE-Präsidenten Iljumschinow und das Oberhaupt der autonomen Republik
Adscharien Abaschidse im Anwesenheit des Präsidenten der georgischen
Schachföderation Asmaiparaschwili am 15. April in Batumi folgte die
Stellungnahme der politischen Führung in Tiflis.
Die Situation war am Sonntag (18.4.) noch nicht klar. Einerseits war in
Presseberichten davon die Rede, dass die Regierungszentrale in Tiflis von der
FIDE aus Sicherheitsgründen die Absage der Frauen-WM in Batumi gefordert hat,
andererseits soll Asmaiparaschwili am 17. April einem Fernsehsender in Tiflis
gesagt haben, die Veranstaltung werde wie geplant in Batumi stattfinden und der
georgische Staatspräsident Michail Saakaschwili werde bei der Eröffnung der
Meisterschaft anwesend sein.
Am Nachmittag des 19.4. erwähnte eine Meldung der russischen Nachrichtenagentur
"Itar-Tass" den Brief des georgischen Außenministeriums vom Samstag an
FIDE-Präsident Iljumschinow. Dieser Brief enthält demnach u.a. die Aussage, dass
gegenwärtig in Adscharien eine gefährliche Situation bestehe. Die georgischen
Behörden könnten nicht die Sicherheit der Teilnehmerinnen und Gäste der
Meisterschaft in Batumi garantieren und hielten es daher nicht für angebracht,
den Wettbewerb dort durchzuführen.
Surab Asmaiparaschwili jedoch verschickte als Co-Präsident der georgischen
Schachföderation und als FIDE-Vizepräsident einen Brief an sämtliche
Mitgliedsföderationen des Weltschachbundes (mit der Bitte um Weiterleitung an
die Teilnehmerinnen der WM), in dem er auf die Eskalation des Drucks seitens des
offiziellen Tiflis hinwies und dazu aufrief, Publikationen mit dem Ziel einer
Absage der Frauen-WM in Batumi zu ignorieren. Die behauptete Unsicherheit in
Batumi entspreche nicht der wirklichen Situation. Asmaiparaschwili: "Batumi war
und ist ein sehr sicherer Ort."
Inzwischen wurde von der georgischen Schachföderation eine Kommission gebildet,
die das Problem im Einvernehmen mit Tiflis regeln will. Dieser Kommission
gehören außer den beiden Föderationspräsidenten Surab Asmaiparaschwili und Kachi
Tschigogidse die weltbekannten georgischen Großmeisterinnen Nona Gaprindaschwili,
Nana Alexandria und Nana Ioseliani an.
Zwischen Batumi und Tiflis versuchen außerdem zu vermitteln der US-Botschafter
in Georgien, Richard Miles, und ein Sondergesandter des Europarats in Straßburg.
Gerald Schendel / 19.04.2004