Ponomariov’s Opfer
Der
Weltmeister Ruslan Ponomariov und der ACP Präsident Joel Lautier beantworten
die Fragen von Y. Vasiljev (Sport Express). Wie Sportexpress schon informiert
hat, veröffentlichte der Weltmeister Ruslan Ponomariov seinen Brief an seine
Kollegen der ACP (Association of Chess Professionals). In dem äußerte er seinen
Protest gegen das Gewähren der exklusiven Privilegien für Großmeister Garry
Kasparow für die Teilnahme an der nächsten Weltmeisterschaft der FIDE.
Der Titel
„der stärkste Spieler der Welt“, den Herr Kasparow sich selber verliehen hat,
ist weder in den Statuten der FIDE noch in anderen offiziellen Quellen
vorgesehen. Ich glaube, dass diese Sachlage gegen alle Prinzipien von „Fair
Play“ verstoße, schreibt Ponomariov.
-
Ruslan, bedeutet ihr offener Brief, dass sie an der folgenden Weltmeisterschaft
der FIDE in Tripolis nicht teilnehmen werden?
- Zuerst
bedeutet das, dass ich meine Meinung bezüglich der entstandenen Situation an
meine Kollegen der ACP mitteilen wollte. Sie werden ähnliches in keiner anderen
Sportart finden: der Weltmeister wird gezwungen, durch das Qualifikationssieb
zu gehen, um zu beweisen, dass er der Weltmeister ist, nur um sich danach mit
dem Prätendent zu treffen, der sich selbst „den stärksten Spieler der Welt“
nennt, ohne dies mit seinen Ergebnissen zu beweisen.
-
Werden sie trotzdem den FIDE Vertrag unterschreiben oder nicht? Der letzte
Termin ist doch der 21.04. …
- So
einen Vertrag werde ich selbstverständlich nicht unterschreiben. Wofür sollte
ich in diesem Spektakel mitmachen? Selbst wenn ich gut spielen würde, wird man
irgendwelche Wege finden, um mich daran zu hindern, meinen Titel zu
verteidigen. Man wird sich schon eine Provokation ausdenken.
-
Können sie das bitte erklären, was sie genau damit meinen?
- Sie
haben bestimmt gehört darüber, dass bei der Europa Meisterschaft in Plovdiv
mein Handy geklingelt hat und dafür bekam ich eine Niederlage. Das ist an
meinem Geburtstag passiert und bis jetzt weiß ich nicht, wer mich während einer
wichtigen Partie unbedingt anrufen musste. Die Schiedsrichter waren
unerbittlich und haben sich strikt an den Wortlaut der Regeln gehalten: ,,das
Handy wurde nicht ausgeschaltet – Verlust der Partie“. Jetzt aber vor kurzem
beim Turnier in Lineares hat Kasparow während der Partie den Spielsaal
verlassen und sein Zimmer besucht. Dies hat danach auch eine Mitarbeiterin des
Presszentrums bestätigt, die den Weg von Kasparow aus dem Saal verfolgt hat.
Die Schiedsrichter haben gesehen, wie Kasparow den Spielsaal verließ, haben
aber nichts unternommen. Einige Leute hatten den Verdacht, dass Garry Kimovich
es nicht nur einmal machte. Trotz allem wurden keine Schritte gegen „den
stärksten Spieler der Welt“ unternommen. Fühlen sie den Unterschied zwischen
dem Benehmen zu mir und zu ihm?
-
Woher sind Ihnen solche Feinheiten des Vorfalls in Lineares bekannt geworden?
- Aus der
Presse. Darüber schrieb Leonche Garcia in der spanischen Zeitung „El Pais“.
- Der
Trainer von Kasparow, der Großmeister Yuri Dochojan, sagte im Gespräch mit mir
während des Rückflugs aus Lineares nach Moskau dazu, dass Kasparow den
Spielsaal verließ, um frische Luft zu schnappen …
- Wenn
ich während der Partie den Spielsaal verlassen hätte „um frische Luft zu
schnappen“ wäre ich bestimmt disqualifiziert worden oder hätte zumindest die
Partie verloren. Das verstößt doch gegen die Regeln. Aber wie man sieht sind
die Regeln für mich und für Kasparow unterschiedlich.
- In
ihrem offenen Brief behaupten sie, dass Kasparow sich selber als „stärksten
Spieler der Welt“ geehrt hat. Können sie aber doch nicht verneinen, dass der
„Exweltmeister“ schon fast 20 Jahre die Nummer eins der ELO-Liste ist? So was
kann man in keiner anderen Sportart antreffen.
- In jede
Sportart muss man ständig beweisen, dass man der beste ist. Kasparow spielt
jetzt ein Mal pro Jahr und zum Beispiel Anand wird sehr viele Jahre brauchen,
um Kasparow zu überholen. Für Kasparow sind einzigartige Bedingungen geschaffen
worden, um ihm seinen Titel unbedingt zurück zu geben. Meiner Meinung nach
haben sich der Präsident der FIDE und Kasparow im allem verständigt noch zu der
Zeit, als Kasparow das Match gegen den Computer bekommen hat, das Ilyumshinov
öffentlich dem Weltmeister der
FIDE versprochen hat. Dieses Match ist zu einer guten Kompensation geworden für
das abgesagte Match in Jalta, das Garry noch verlieren könnte. Und wenn er doch
das Match verloren hätte, dann wären alle seine zukünftigen Verträge für die
Matches gegen Computer schwerlich abgeschlossen worden.
-
Ruslan, ich habe den Eindruck bekommen, dass sie von der Beleidigung bewegt
sind. Sie werfen vor, dass Ilyumshinov
und Kasparow eine Abmachung haben. Die Prager Vereinbarungen
gelten jedoch immer noch, es gab auch einen Kongress der FIDE, bei dem übrigens
der Präsident der ukrainische Föderation, Viktor Petrov, einen Vortrag gehalten
hat. Warum hat er gegen die Ratifizierung der Prager Resolution nicht
protestiert? Warum hat keiner der 162 Mitglieder der Vollversammlung der FIDE
die „Abmachung“, über die sie sprechen, nicht verurteilt?
- Leider
hat Viktor Petrov eine offene verräterische Position bei diesem Kongress
eingenommen. Ich kann nur vermuten, warum das passiert ist. Vermutlich deshalb,
weil die ukrainische Föderation finanziell sehr von der FIDE abhängig ist oder
vielleicht auch wegen der politischen Vorlieben von Herrn Petrov. Er
repräsentiert die Opposition, für die es besser aussieht je schlechter es bei
uns wird.
-
Entschuldigen sie mich Ruslan, bei Politik besonders bei ukrainischer, muss ich
passen … Kehren wir besser wieder zum Schach zurück. Sie spielen schon seit
einem Jahr nirgendwo. Ist es schwierig die gute Form zu behalten? Und wann
werden wir sie wieder unter den Teilnehmern eines starken Turniers sehen?
- Es ist
nicht einfach die gute Form aufrecht zu erhalten ohne zu spielen. Wann werde
ich irgendwohin eingeladen? Das ist keine Frage an mich sondern an Kasparow …
- Was
hat bloß Kasparow damit zu tun?!
- Dank
seiner vielfältigen Beziehungen werde ich von den Organisatoren boykottiert.
Und ich denke, dass ich nicht so schnell in einem großen Turnier zu sehen sein
werde. Außer wenn Garri Kimovich alt wird und mit Schach aufhört. Ich bin 20
Jahre alt und rechne damit, Kasparow zu überleben.
-
Genug über die traurigen Sachen, Ruslan. Vor kurzem sind sie in die ukrainische
Hauptstadt umgezogen. Wie haben sie sich am neuen Platz eingelebt?
- Der
Bürgermeister von Kiew A. Omelchenko hat mich mit einer 4 Zimmer Wohnung in
Kiew ausgezeichnet. Die Renovierungsarbeiten sind zu Ende. Ich habe 10 Kakteen
gekauft und möchte sie züchten.
- Die
Kakteen wachsen langsam, das ist was Langfristiges … Was machen sie noch außer
Pflanzen züchten in Kiew?
- Ich
habe ein Sportfahrrad gekauft und fahre täglich 20 – 30 km. Es ist ein sehr
gutes Training und gleichzeitig lerne ich Kiew kennen. Kiew ist wirklich eine
sehr nette und wunderschöne Stadt. Vor kurzem hat mich Sergej Karjakin besucht.
Er war eine Woche bei mir, wir haben ein bisschen trainiert, danach hat er beim
Turnier in Dos Hermanas den zweiten Platz gemacht.
-
Sehen sie, sie haben sehr gute Perspektiven im Trainerbereich …
- Damit
werde ich noch ein bisschen warten. Ich glaube, dass ich auch am Brett noch
nicht alles erreicht habe. Bin mir sicher, wenn mein Boykot beendet wird,
werden sich die Organisatoren finden, die die Autorität von Kasparow und
Ilyumshinov nicht so
unter Druck setzt. Ich glaube, dass meine besten Ergebnis noch vor mir liegen.
Interview mit ACP-Präsident Lautier
Joel Lautier: „Wir sind bereit die
Interessen von allen Schachspielern zu verteidigen“.
Der französische Großmeister Joel Lautier, Präsident der
vor kurzem gegründeten ACP, bekennt sich zu einem der wichtigsten Prinzipien
der Funktionalität der neuen Schachspielergewerkschaft - gute Kontakte zur
Presse. Und als ich ihn in Paris anrief teilte er mir sehr gerne seine Meinung
bezüglich des offenen Briefes von Ruslan Ponomariov mit und erzählte auch von
der Notwendigkeit den Vertrag zu korrigieren, den die FIDE an die Teilnehmer
der kommenden Weltmeisterschaft in Libyen und auf Malta geschickt hat.
- Joel, wie war Ihre Reaktion auf den offenen Brief des
FIDE Weltmeisters?
- Dass Ponomariov seine Zusage die Weltmeisterschaft zu
spielen nicht geben wird, war klar. Vor kurzem hatte er ja noch die
Möglichkeit, direkt gegen Kasparow im Finale zu spielen, jetzt aber ist er
gezwungen, sich erst dafür zu qualifizieren. Es ist auch verständlich, dass der
Weltmeister der FIDE dazu nicht zustimmen wird. Die ACP-Mitglieder
demonstrieren ihre Solidarität mit Ponomariov, dem die Möglichkeit, ein Match
gegen Kasparow zu spielen, ohne überzeugende Gründe dafür genommen wurde. Wir
empfinden die Situation, dass Kasparow sofort fürs Finale zugelassen wird und
Ponomariov mit der ersten Etappe anfangen muss, als nicht adäquat. Wir sind
bereit mit Ponomariov, so weit es möglich ist, zusammen zu arbeiten, wenn er
für sich seine weitere Vorgehensweise festgelegt und eine rechtliche Grundlage
dafür gefunden hat.
- Meinen Sie einen Gerichtsprozess?
- Ja. Wir werden keine Schritte unternehmen, wenn Ponomariov
selber nicht bereit ist, diesen juristischen Weg zu gehen.
- Finden sie die Teilnahme von Kasparow im Superfinale der
FIDE Weltmeisterschaft nicht etwas an den Haaren herbeigezogen in der
Situation, in der sich die Schachwelt gerade befindet?
- Wir von der ACP verstehen sehr gut, wie unnatürlich die
Situation mit Kasparow und wie tragisch die Situation, in der sich Ponomariov
befindet, ist. Aber unsere Organisation ist aufgerufen nicht nur die Interessen
führender Schachspieler zu verteidigen, sondern die Interessen von allen
Schachprofis. Und wir denken, dass die meisten davon dieses Turnier brauchen.
- Zumindest deshalb, weil sie momentan leider nichts
anderes haben … Und was denken Sie über den Kontrakt der FIDE, der an alle
Teilnehmer der Weltmeisterschaft in Libyen und auf Malta geschickt wurde?
- Dieses Dokument ist kein normaler Vertrag für sportliche
Veranstaltung, insbesondere für eine Weltmeisterschaft. In dem Vertrag sind
ganz genau alle Verpflichtungen der Spieler aufgeschrieben, aber von einer
Verantwortung der Organisatoren, der FIDE, ist da nichts gesagt. Zum Beispiel
wäre für den Fall, dass die FIDE, wie es schon passiert ist, die Meisterschaft
im letzten Moment abgesagt hätte, für die Spieler keine finanzielle
Kompensation vorausgesehen. Es steht auch nichts über ein Auszahlungsdatum
darin. Es gibt keine Garantie, dass sich die Preisegeldauszahlung nicht wieder
um ein halbes Jahr verspätet wird, wie schon mal passierte. Aber das wichtigste
ist, dass unter den Dokumenten, die die Spieler bekommen haben, keine
Funktionäre der FIDE unterschrieben haben. Das bedeutet, dass die FIDE einen
Spieler zur Einhaltung dieser Vereinbarung zwingen kann, weil dieser den
Vertrag einseitig unterschrieben hat, anders herum aber nicht.
- Ihre Organisation ist auf einer Welle der
Unzufriedenheit über das Vorgehen der ECU entstanden, die die Teilnehmer einer
offiziellen Meisterschaft gezwungen haben, zu teuren Preisen in einem
vorgegebenen Hotel zu übernachten. Wie sieht die Situation für die Spieler nun
aus?
- Das das Turnier an zwei Orten stattfinden wird, nämlich in
Tripolis und auf Malta, bringt für die Teilnehmer zusätzliche Schwierigkeiten
mit sich. Sie müssen den so genannten FIDE-Vertrag bis zum 21. April
unterschrieben haben, ohne zu wissen, wo sie überhaupt spielen werden - in
Tripolis oder auf Malta. Die FIDE hat versprochen,
dieses bis zum 30. April zu präzisieren. Für eine
Vielzahl von Spielern, nicht nur aus Israel oder den USA, bedeutet dies
ernsthafte Schwierigkeiten.
Was die Hotels angeht, weiß bis jetzt noch keiner der
Spieler, wie viel er für seine Unterkunft bezahlen muss. Darüber wird man erst
etwas erfahren, nachdem den Vertrag unterschrieben ist. Es bestehen immer noch
sehr viele Unklarheiten, die es den Spielern nicht erlauben, den Vertrag in
Ruhe zu unterschreiben.
- Was können Sie über das Superfinale sagen, das Match, in
dem der Gewinner der Qualifikation in Libyen gegen Garry Kasparow spielen wird?
- Laut FIDE Dokument muss der Weltmeister der FIDE gegen
Kasparow ein Match innerhalb von 2 Jahren spielen. Erstens, sind wir nicht
darüber informiert worden, ob Kasparow einen ähnlichen Vertrag unterschrieben
hat. Es könnte sein, dass Kasparow immer noch die Möglichkeit hat, dieses Match
in jedem Moment abzulehnen. Oder auch nicht. Ich wiederhole es noch mal, wie
wissen darüber gar nichts. Aber warum „innerhalb von 2 Jahren“? Laut der
Aussage des Präsidenten der FIDE Kirsan Ilyumzhinov plant man dieses Match
schon im November oder Dezember dieses Jahres in Vietnam zu organisieren. Wenn
dem so ist, warum steht dann eine zweijährige Frist im Vertrag? Man darf auch
nicht vergessen, dass es alles nur ein Teil des Vereinigungsprozesses ist. Die
FIDE hat nicht nur einmal gesagt, dass sie die Verantwortung für die
Organisation des Matches zwischen dem FIDE Weltmeister und dem Gewinner nach
klassischer Formel, dem Gewinner des Matches Kramnik – Leko übernehmen. Um so
ein Match zu organisieren braucht man auch eine gewisse Zeit. Und wenn Kasparow
gegen den Gewinner der Weltmeisterschaft in Libyen in 2 Jahre spielen wird,
wann wird dann das so genannte Match um den Titel „der absolute Weltmeister“
stattfinden? Trotz vieler offener Fragen zwingt die FIDE die Spieler den
Vertrag bis zum 21.04 zu unterschreiben.
- Und wie wird die ACP auf diese Ungereimtheiten
reagieren?
- Wir untersuchen alle strittigen Fragen und möchten den
Spielern und der FIDE eine normale Version des Vertrages vorzuschlagen, die wir
zusammen mit den Juristen ausarbeiten.
- Und wenn die FIDE die Spieler vor die Wahl stellt,
entweder den Vertrag zu unterschreiben oder sie dürfen nicht mitspielen?
- Die ACP versucht den Spielern und der FIDE zu zeigen, dass
sie zu keinem offenen Konflikt neigt und möchte nur helfen. Wir weisen auf die
Probleme hin und bieten Lösungsmöglichkeiten. Aber wenn die FIDE alle unsere
Vorschläge ablehnt, kann es passieren, dass einige Spieler, die von so einem
Verhalten die Schnauze voll haben, die Teilnahme absagen. Die Spieler müssen
die Wahl selber treffen. Wir werden keinen Spieler zwingen zu spielen oder
nicht zu spielen.
- Ist Ihre Anwesenheit bei der nächsten Pressekonferenz
von Kramnik und Leko am 12.05. in Hamburg nicht zufällig? Gibt es eine
Möglichkeit, dass dieses Match unter der Ägide der ACP stattfinden wird?
- Das werden sie erst nach der Pressekonferenz erfahren.
Jetzt kann ich nur sagen, dass wir sehr aktiv in der Organisation der
Weltmeisterschaft mitmachen.
- Gibt es ein Chance, dass Dannemann die Turniere der
ACP, die sie planen, sponsert?
- Wie jeder normale Sponsor will er erst gucken, wie das
Match Kramnik gegen Leko ausgehen wird und welche Resonanz es in der Welt
erzeugen wird. Bis jetzt war Dannemann mit allem zufrieden, auch mit dem
Kontakt zu unserer Organisation.
Übersetzt im Auftrag von ChessBase von Natalia Kiseleva