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Fünf Bücher
Pal Benko und Jeremy Silman: Pal Benko, My
Life, Games and Compositions
Diese Autobiographie ist bereits 2003 erschienen. Auf 670 Seiten reflektiert der
in den USA lebende Großmeister ungarischer Abstammung Pal Benkö (in den USA
musste sich das ö in seinem Namen in ein o verwandeln) sein Leben und schachliches
Werk. Das Buch ist in vier Teile gegliedert. Im Hauptteil hat Pal Benkö (geb.
15.7.1928 in Amiens, Frankreich, aufgewachsen in Ungarn) sein Leben und Werk (
"My Life and Games") niedergelegt. Die Erinnerungen beginnen mit dem Jahr 1944,
als die deutsche Wehrmacht in Ungarn einmarschierte und sich Benkös zuvor
angenehmes Leben "in die Hölle verwandelte". Zuerst terrorisierte die SS das
Land, später kamen die Russen und setzten den Terror gegen die Bevölkerung fort. Im
Folgenden erfährt der Leser viel über den Lebensweg Benkös, der in den
Fünfziger und Sechziger Jahren zur Weltspitze gehörte und zum Beispiel beim
legendären, weil skandalösen Kandidatenturnier in Curacao 1962 teilnahm. Dort
hatten die Sowjets ein Komplott geschmiedet, um mit Hilfe von abgesprochenen
Partien zu verhindern, dass Robert Fischer gewinnt und Herausforderer von
Botvinnik wird. Benkö war 1956 in die USA immigriert und nahm als US-Bürger
teil. Die erste zitierte Partie datiert aus dem Jahr 1945, die letzte stammt aus
dem Jahr 1991, gespielt in Augsburg. Insgesamt werden 138 Partien vorgestellt
und kommentiert. Am Rande erfährt man nicht nur viel über Pal Benkö, sondern auch
über eine Reihe anderer bekannter Spieler, darunter nicht zuletzt Fischer. Außerdem gibt
es einige aufschlussreiche Fotos, z.B. vom Besuch Fischers am Krankenbett von
Tal in Curacao. Der zweite Teil besteht aus zwei Interviews, die Co-Autor Jeremy Silman mit Zeit- und Weggenossen von Benkö geführt hat: Ronald Gross und Larry
Evans. Der dritte Teil ist die Vorstellung des Eröffnungsrepertoires von Benkö
auf 120 Seite. John Watson, Autor zahlreicher hervorragender Schachbücher und
einer der fachkundigsten Rezensenten im Internet, hat diese interessante
Übersicht angefertigt. Den Schluss bilden Probleme und Studien des Autors.
Im Anhang folgt ein nützliches Register.
Pal Benkös Autobiographie ist ein lesenswertes und umfassendes Buch, das auf
eine Zeit zurückblickt, die nicht allzu weit zurück liegt, die aber viele Schachfreunde nicht erlebt haben und nur ganz
vage vom Hörensagen kennen. Das Buch erscheint in gebundener Form und ist sehr
ansprechend und sorgfältig aufgemacht. Sehr empfehlenswert.
Pal Benko: Pal Benko und Jeremy Silman: Pal Benko, My Life, Games and
Compositions
Siles Press, Los Angeles 2003
668 Seiten, Gewicht: 1,6 Kg
Preis: 44,95 Euro
Sergei Soloviov: Bogoljubov, The Fate of a Chess Player
Auf 276 Seiten werden in diesem Buch vor allem die Partien des russisch-deutschen
Großmeisters und WM-Herausforderers Efim Bogoljubov vorgestellt. Zu seiner
besten Zeit, 1925, war Bogoljubov hinter Capablanca, Aljechin und Lasker der
viertbeste Spieler der Welt (nach Jeff Sonas, chessmetrics.com).
In der Tat besteht das Buch zum weitaus größten Teil aus dem Ausdruck von 200
Partien von Efim Bogoljubov. Zum Vergleich: Die Mega-Datenbank enthält 1227
Bogoljubov-Partien. Die Partien sind allesamt mit wortlosen Variantenkommentaren
versehen. Die Art der Kommentierung ist ziemlich uninspiriert, vielleicht nicht
völlig sinnlos, aber irgendwie doch überflüssig. Zum Teil wurden Fragmente von
Partien als Kommentar eingefügt, die erst viel später gespielt wurden. Was will
der Autor uns damit sagen? Teilweise sind nützliche zeitgenössische
Partiekommentare verwendet, aber leider in Symbolsprache verformt. Im Grunde
reduziert sich das Buch auf die knapp 70 Seiten mit biographischen Ausführungen,
zu etwa einem Viertel auch mit Tabellenausdrucken gefüllt. Die biographischen
Details sind jedoch ganz interessant. Für diese lohnt sich die Anschaffung des
Buches. Wer gerne vom Blatt Bogoljubov-Partien nachspielen möchte, spart sich
außerdem den Ausdruck seiner ChessBase-Datenbank (falls zur Verfügung). Wie
kürzlich vom Spiegel ausgerechnet, ist Druckerschwärze in Tintenpatronen mit
1700 Euro/Liter eine der teuersten Flüssigkeiten der Welt, so dass man bei
Erwerb des Buches in diesem Fall vielleicht noch etwas spart.
Solovievs Buch ist in englischer Sprache als Paperback 2004 bei Chess Stars,
Sofia erschienen. Fotos gibt es keine. Das biographische Material auf nicht ganz
70 Seiten ist lesenswert. Der größte Teil ist allerdings ein Datenbankausdruck
mit Partien und Tabellen. Nützlich
Sergei Soloviov: Bogoljubov, The Fate of a
Chess Player
Chess Stars, Sofia 2004
280 Seiten; 0,17 Kilo
Preis: 24,95 Euro
Aiden Woodger: Reuben Fine, A Comprehensive Record of an American Chess Career
1929-1951
Aiden Woodger hat sein Buch dem amerikanischen Großmeister Reuben Fine
(1914-1993) gewidmet, der eine eher kurze Karriere hatte, aber in seinen besten
Zeiten zur absoluten Spitze gehörte. Jeff Sonas führt Fine in den Jahren
zwischen 1936 und 1951 immer unter den Top Fünf. 1939 bis 1941 war Fine laut
Sonas' Berechnungen die Nummer Eins. In den Jahren 1935 bis 1938 gewann Fine
mehrere Topturniere und galt als einer der möglichen Nachfolger Aljechins. Als
Autor machte er sich mit "Basic Chess Endings" (1941) und "The Easy Way in
Chess" (1942) einen Namen. 1948 zog sich Fine vom Turnierschach zurück, begann
ein Psychologiestudium, promovierte und ließ sich als Psychoanalytiker in New
York nieder. 1956 erschien "The Psychology of the Chess Player."
Aidan Woodgers Buch über Reuben Fine umfasst 392 Seiten im Großformat. Der Autor hat
aus den zugänglichen und weniger zugänglichen Quellen in verschiedenen Ländern alles zusammen getragen, was über Reuben Fine hinterlassen wurde. Der
Schwerpunkt liegt dabei auf den von Fine gespielten Partien, von denen bisher
nur wenige allgemein bekannt sind. Im Vergleich zur Mega-Datenbank 2004, die 320
Partien enthält, veröffentlicht Woodger 882 Partien, die Fine mit klassischer
Bedenkzeit gespielt hat. Viele Partien sind sprachlich kommentiert, zum Teil
wurden zeitgenössische Kommentare verwendet, zum Teil hat der Autor selbst
kommentiert (unter analytischer Hilfe von Fritz 5.32). Der Partiensammlung ist
eine sechsseitige Kurzbiographie voran gestellt. Auch die Abschnitte zu den
einzelnen Turnieren werden mit zahlreichen, wenn auch kurzen Einführungen mit
interessanten Informationen eingeleitet.
Woodgers Buch ist ein wichtiges Grundlagenwerk, das die Schachhistoriker in
Erregung versetzt und auch dem normalen an Schachgeschichte interessiertem
Schachfreund viel bietet. Es ist bei McFarland erschienen und
wie bei diesem Verlag üblich, sehr sorgfältig und aufwändig hergestellt. Sehr empfehlenswert.
Aiden Woodger: Reuben Fine, A Comprehensive
Record of an American Chess Career 1929-1951
McFarland & Company, Inc. Publishers, Jefferson 2004
392 Seiten; 1,1 Kilo
Preis: 69,50 Euro
Richard Forster: Amos Burn. A Chess Biography
Während man bei Woodger mit Reuben Fine ein fast noch populärwissenschaftlichen
Inhalt vermittelt bekommt, kann man mit Richard Forster und seiner Biographie
über Amos Burn (31.12.1848 - 25.11. 1925) nun endgültig in die innersten Zirkel
der Schachhistorie einsteigen, der sonst nur noch wenigen Auserwähltem
zugänglich ist. Wenn spätere Generationen einmal unsere dann schön längst
verschüttete Kultur wieder ausgraben und auf Richard Forsters Monument über Amos
Burn stoßen, werden sie diesen ohne Zweifel für den bedeutendsten Schachspieler
aller Zeiten halten, denn ihm wurde das mit Abstand dickste Buch gewidmet. 972
Seiten waren nötig, um das Schaffen des englischen Spielers aus der zweiten
Hälfte des vorletzten Jahrhundert und erstem Viertel des letzten Jahrhunderts zu
beschreiben. Wie Woodgers Buch über Fine erschien Forsters Burn im
Folianten-Format bei McFarland. Mit 2,5 Kilo ist Forsters Werk das
Schwergewicht in dieser Darstellung, auch inhaltlich. (Zwei noch "gewichtigere"
Bücher, allerdings nur im Kampf mit der Schwerkraft: Bulletin der
Schacholympiade Manila 1992: 2,8 Kilo, Polgar: Schach: 2,7 Kilo). Ich hoffe für
den Handel, dass die Frachtkosten beim Preis mit einkalkuliert wurden.
Glaubt man Jeff Sonas' Berechnungen, dann gehörte Amos Burn zwischen 1874 und
1915 immer zu den Top 20 der Weltspitze. Seine beste Zeit war danach zwischen
1874 und 1876, als er der beste Spieler nach Steinitz, Blackburne, Andersson und
Zuckertort war. Die Mega Database enthält 411 Partien, 1887 gewann er das
BCF-Turnier von London punkgleich mit Gunsberg. Es folgen Turniersiege in
Amsterdam 1889 (vor Lasker) und auf dem 11.DSB-Kongress vor Charoussek, Cohn und
Chigorin (laut Mega).
Schwerpunkt des Buches sind etwa 900 Partien von Amos Burn, durchweg sprachlich
kommentiert und soweit verfügbar, mit zeitgenössischen Kommentaren bzw. solchen
der Spieler selbst versehen sind. Es gibt außerdem zahlreiche Textstellen mit
historischen Beschreibungen, Zeigungszitaten und Fotos, die ein sehr lebendiges Bild
jener Zeit vermitteln.
Forsters Burn-Biograpie ist im Wortsinn ein einzigartiges Buch. Der Leser blickt
darin auf einen Schachspieler zurück, der für die Entwicklung des Schachs in
England sehr wichtig war und der heute im Zuge der
Mainstream-Schachgeschichtsbeschreibung etwas untergegangen und unterbewertet
ist. Gleichzeitig wird man in die Geburtstunden des Turnierschachs und in eine
spannende Zeit versetzt. Mit fast 1000 Seiten über den in breiten Kreisen
relativ unbekannten Amos Burn kann man Richard Forster sicher nicht
Oberflächlichkeit vorwerfen. Nicht nur Papierhersteller werden sich die Hände
reiben, falls er einmal über Capablanca, Aljechin oder einen ähnlich populären
Spieler schreiben wird. Sehr empfehlenswert.
Richard Forster: Amos Burn. A Chess Biography
2004 bei McFarland & Company, Inc. Publishers, Jefferson
972 Seiten, 2,5 Kilo
Preis: 79,50 Euro
Wolfgang Kamm: Siegbert Tarrasch, Leben und Werk
Die Biographie zu Siegbert Tarrasch von Wolfgang Kamm ist das einzige Buch in
dieser Darstellung, das in deutscher Sprache erschien. Es ist 877 Seiten dick,
gebunden, in kleinerem Format als die Folianten von MacFarland, aber enger
bedruckt.
In der rückblickenden Betrachtung steht Siegbert Tarrasch in der deutschen
Schachgeschichte immer etwas im Schatten von Emanuel Lasker, obwohl er zeitweise
als stärkster Spieler der Welt galt und vielleicht nur durch Zufall nicht
Weltmeister geworden ist.
1891 schlug er eine Einladung zu einem WM-Kampf gegen Steinitz aus. 1908
unterlag er dann gegen den zu dieser Zeit überlegenen Lasker.
Die Eröffnungstheorie hat Tarrasch an vielen Stellen
maßgeblich beeinflusst, mehrere Varianten tragen seinen Namen. Außerdem hat er einige herausragende Lehr-
und Turnierbücher geschrieben, von denen "Die moderne Schachpartie", 1912
erschienen und kürzlich von Edition Olms als Reprint neu aufgelegt (29,95 Euro)
mit einer Gesamtauflage von über 500.000 das meist verbreitete Schachbuch in
deutscher Sprache ist.
Wolfgang Kamm hat eine großartige Biographie über eine herausragende, aber
doch in breiten Kreisen unbekannt gebliebene Persönlichkeit der deutschen Schachgeschichte
geschrieben. Das Buch enthält auch eine Reihe von Partien, mit den Kommentatoren
von Zeitgenossen versehen. Der Ehrgeiz des Autors bestand aber nicht darin,
möglichst viele noch nicht in der Megadatenbank erschienene Schachpartien von
Tarrasch zu entdecken und zu veröffentlichen. Der Schwerpunkt liegt ganz klar
auf der eigentlichen Biographie, dem Lebensweg Tarraschs. Diese wird im Zusammenhang mit den
zeitgeschichtlichen Ereignissen von der zweiten Hälfte des vorletzten
Jahrhunderts bis zum Todestag Tarraschs ausführlich und in unglaublich vielen Details
liebevoll dargestellt. Wolfgang Kamm begibt sich sogar auf Spurensuche in der
Genealogie der Familie und selbst die Nachfahren des Meisters werden nicht
vergessen.
Kamms Buch ist wohl die gründlichste Biographie, die jemals über einen deutschen
Schachspieler geschrieben wurde. Wenn man die hier vorgestellten Werke überhaupt
vergleichen möchte, so sollte man als deutschsprachiger Schachfreund sich als erstes
diesem wirklich herausragendem Buch zuwenden. Sehr empfehlenswert.
Wolfgang Kamm: Siegbert Tarrasch, Leben und Werk
Verlag, Schach und Euromünzenfirma Fruth, München 2004
877 Seiten, 1,74 Kilo
Preis: 63,80 Euro
André Schulz
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