Fünf Bücher

von ChessBase
12.11.2004 – Wer Schach unbeschwert genießen möchte ohne sich einer möglichen Forderung des Autors auszusetzen, er möge aus dessen Ausführungen schachlichen Nutzen ziehen und sein Spiel verbessern, dem seien Biographien sehr ans Herz gelegt. In jüngster Zeit sind eine Reihe interessanter zum Teil sehr schwer gewichtiger Biographien erschienen, die hier kurz vorgestellt werden sollen. Bücher bei Niggemann kaufen...Fünf Bücher...

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ChessBase ist die persönliche Schach-Datenbank, die weltweit zum Standard geworden ist. Und zwar für alle, die Spaß am Schach haben und auch in Zukunft erfolgreich mitspielen wollen. Das gilt für den Weltmeister ebenso wie für den Vereinsspieler oder den Schachfreund von nebenan

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Fünf Bücher

Pal Benko und Jeremy Silman: Pal Benko, My Life, Games and Compositions

Diese Autobiographie ist bereits 2003 erschienen. Auf 670 Seiten reflektiert der in den USA lebende Großmeister ungarischer Abstammung Pal Benkö (in den USA musste sich das ö in seinem Namen in ein o verwandeln) sein  Leben und schachliches Werk. Das Buch ist in vier Teile gegliedert. Im Hauptteil hat Pal Benkö (geb. 15.7.1928 in Amiens, Frankreich, aufgewachsen in Ungarn) sein Leben und Werk ( "My Life and Games") niedergelegt. Die Erinnerungen beginnen mit dem Jahr 1944, als die deutsche Wehrmacht in Ungarn einmarschierte und sich Benkös zuvor angenehmes Leben "in die Hölle verwandelte". Zuerst terrorisierte die SS das Land, später kamen die Russen und setzten den Terror gegen die Bevölkerung fort. Im Folgenden erfährt der Leser viel über den Lebensweg Benkös, der in den Fünfziger und Sechziger Jahren zur Weltspitze gehörte und zum Beispiel beim legendären, weil skandalösen Kandidatenturnier in Curacao 1962 teilnahm. Dort hatten die Sowjets ein Komplott geschmiedet, um mit Hilfe von abgesprochenen Partien zu verhindern, dass Robert Fischer gewinnt und Herausforderer von Botvinnik wird. Benkö war 1956 in die USA immigriert und nahm als US-Bürger teil. Die erste zitierte Partie datiert aus dem Jahr 1945, die letzte stammt aus dem Jahr 1991, gespielt in Augsburg. Insgesamt werden 138 Partien vorgestellt und kommentiert. Am Rande erfährt man nicht nur viel über Pal Benkö, sondern auch über eine Reihe anderer bekannter Spieler, darunter nicht zuletzt Fischer. Außerdem gibt es einige aufschlussreiche Fotos, z.B. vom Besuch Fischers am Krankenbett von Tal in Curacao. Der zweite Teil besteht aus zwei Interviews, die Co-Autor Jeremy Silman mit Zeit- und Weggenossen von Benkö geführt hat: Ronald Gross und Larry Evans. Der dritte Teil ist die Vorstellung des Eröffnungsrepertoires von Benkö auf 120 Seite. John Watson, Autor zahlreicher hervorragender Schachbücher und einer der fachkundigsten Rezensenten im Internet, hat diese interessante Übersicht angefertigt. Den Schluss bilden Probleme und Studien des Autors. Im Anhang folgt ein nützliches Register.

Pal Benkös Autobiographie ist ein lesenswertes und umfassendes Buch, das auf eine Zeit zurückblickt, die nicht allzu weit zurück liegt, die aber viele Schachfreunde nicht erlebt haben und nur ganz vage vom Hörensagen kennen. Das Buch erscheint in gebundener Form und ist sehr ansprechend und sorgfältig aufgemacht. Sehr empfehlenswert.

Pal Benko: Pal Benko und Jeremy Silman: Pal Benko, My Life, Games and Compositions
Siles Press, Los Angeles 2003
668 Seiten, Gewicht: 1,6 Kg

Preis: 44,95 Euro


Sergei Soloviov: Bogoljubov, The Fate of a Chess Player

Auf 276 Seiten werden in diesem Buch vor allem die Partien des russisch-deutschen Großmeisters und WM-Herausforderers Efim Bogoljubov vorgestellt. Zu seiner besten Zeit, 1925, war Bogoljubov hinter Capablanca, Aljechin und Lasker der viertbeste Spieler der Welt (nach Jeff Sonas, chessmetrics.com).

In der Tat besteht das Buch zum weitaus größten Teil aus dem Ausdruck von 200 Partien von Efim Bogoljubov. Zum Vergleich: Die Mega-Datenbank enthält 1227 Bogoljubov-Partien. Die Partien sind allesamt mit wortlosen Variantenkommentaren versehen. Die Art der Kommentierung ist ziemlich uninspiriert, vielleicht nicht völlig sinnlos, aber irgendwie doch überflüssig. Zum Teil wurden Fragmente von Partien als Kommentar eingefügt, die erst viel später gespielt wurden. Was will der Autor uns damit sagen? Teilweise sind nützliche zeitgenössische Partiekommentare verwendet, aber leider in Symbolsprache verformt. Im Grunde reduziert sich das Buch auf die knapp 70 Seiten mit biographischen Ausführungen, zu etwa einem Viertel auch mit Tabellenausdrucken gefüllt. Die biographischen Details sind jedoch ganz interessant. Für diese lohnt sich die Anschaffung des Buches. Wer gerne vom Blatt Bogoljubov-Partien nachspielen möchte, spart sich außerdem den Ausdruck seiner ChessBase-Datenbank (falls zur Verfügung). Wie kürzlich vom Spiegel ausgerechnet, ist Druckerschwärze in Tintenpatronen mit 1700 Euro/Liter eine der teuersten Flüssigkeiten der Welt, so dass man bei Erwerb des Buches in diesem Fall vielleicht noch etwas spart.

Solovievs Buch ist in englischer Sprache als Paperback 2004 bei Chess Stars, Sofia erschienen. Fotos gibt es keine. Das biographische Material auf nicht ganz 70 Seiten ist lesenswert. Der größte Teil ist allerdings ein Datenbankausdruck mit Partien und Tabellen. Nützlich

Sergei Soloviov: Bogoljubov, The Fate of a Chess Player
Chess Stars, Sofia 2004
280 Seiten; 0,17 Kilo

Preis: 24,95 Euro


Aiden Woodger: Reuben Fine, A Comprehensive Record of an American Chess Career 1929-1951

Aiden Woodger hat sein Buch dem amerikanischen Großmeister Reuben Fine (1914-1993) gewidmet, der eine eher kurze Karriere hatte, aber in seinen besten Zeiten zur absoluten Spitze gehörte. Jeff Sonas führt Fine in den Jahren zwischen 1936 und 1951 immer unter den Top Fünf. 1939 bis 1941 war Fine laut Sonas' Berechnungen die Nummer Eins. In den Jahren 1935 bis 1938 gewann Fine mehrere Topturniere und galt als einer der möglichen Nachfolger Aljechins. Als Autor machte er sich mit "Basic Chess Endings" (1941) und "The Easy Way in Chess" (1942) einen Namen. 1948 zog sich Fine vom Turnierschach zurück, begann ein Psychologiestudium, promovierte und ließ sich als Psychoanalytiker in New York nieder. 1956 erschien "The Psychology of the Chess Player."

Aidan Woodgers Buch über Reuben Fine umfasst 392 Seiten im Großformat. Der Autor hat aus den zugänglichen und weniger zugänglichen Quellen in verschiedenen Ländern alles zusammen getragen, was über Reuben Fine hinterlassen wurde. Der Schwerpunkt liegt dabei auf den von Fine gespielten Partien, von denen bisher nur wenige allgemein bekannt sind. Im Vergleich zur Mega-Datenbank 2004, die 320 Partien enthält, veröffentlicht Woodger 882 Partien, die Fine mit klassischer Bedenkzeit gespielt hat. Viele Partien sind sprachlich kommentiert, zum Teil wurden zeitgenössische Kommentare verwendet, zum Teil hat der Autor selbst kommentiert (unter analytischer Hilfe von Fritz 5.32). Der Partiensammlung ist eine sechsseitige Kurzbiographie voran gestellt. Auch die Abschnitte zu den einzelnen Turnieren werden mit zahlreichen, wenn auch kurzen Einführungen mit interessanten Informationen eingeleitet.

Woodgers Buch ist ein wichtiges Grundlagenwerk, das die Schachhistoriker in Erregung versetzt und auch dem normalen an Schachgeschichte interessiertem Schachfreund viel bietet. Es ist bei McFarland erschienen und wie bei diesem Verlag üblich, sehr sorgfältig und aufwändig hergestellt. Sehr empfehlenswert.

Aiden Woodger: Reuben Fine, A Comprehensive Record of an American Chess Career 1929-1951
McFarland & Company, Inc. Publishers, Jefferson 2004
392 Seiten; 1,1 Kilo

Preis: 69,50 Euro
 

Richard Forster: Amos Burn. A Chess Biography

Während man bei Woodger mit Reuben Fine ein fast noch populärwissenschaftlichen Inhalt vermittelt bekommt, kann man mit Richard Forster und seiner Biographie über Amos Burn (31.12.1848 - 25.11. 1925) nun endgültig in die innersten Zirkel der Schachhistorie einsteigen, der sonst nur noch wenigen Auserwähltem zugänglich ist. Wenn spätere Generationen einmal unsere dann schön längst verschüttete Kultur wieder ausgraben und auf Richard Forsters Monument über Amos Burn stoßen, werden sie diesen ohne Zweifel für den bedeutendsten Schachspieler aller Zeiten halten, denn ihm wurde das mit Abstand dickste Buch gewidmet. 972 Seiten waren nötig, um das Schaffen des englischen Spielers aus der zweiten Hälfte des vorletzten Jahrhundert und erstem Viertel des letzten Jahrhunderts zu beschreiben. Wie Woodgers Buch über Fine erschien Forsters Burn im Folianten-Format bei McFarland. Mit 2,5 Kilo ist Forsters Werk das Schwergewicht in dieser Darstellung, auch inhaltlich. (Zwei noch "gewichtigere" Bücher, allerdings nur im Kampf mit der Schwerkraft: Bulletin der Schacholympiade Manila 1992: 2,8 Kilo, Polgar: Schach: 2,7 Kilo). Ich hoffe für den Handel, dass die Frachtkosten beim Preis mit einkalkuliert wurden.

Glaubt man Jeff Sonas' Berechnungen, dann gehörte Amos Burn zwischen 1874 und 1915 immer zu den Top 20 der Weltspitze. Seine beste Zeit war danach zwischen 1874 und 1876, als er der beste Spieler nach Steinitz, Blackburne, Andersson und Zuckertort war. Die Mega Database enthält 411 Partien, 1887 gewann er das BCF-Turnier von London punkgleich mit Gunsberg. Es folgen Turniersiege in Amsterdam 1889 (vor Lasker) und auf dem 11.DSB-Kongress vor Charoussek, Cohn und Chigorin (laut Mega).

Schwerpunkt des Buches sind etwa 900 Partien von Amos Burn, durchweg sprachlich kommentiert und soweit verfügbar, mit zeitgenössischen Kommentaren bzw. solchen der Spieler selbst versehen sind. Es gibt außerdem zahlreiche Textstellen mit historischen Beschreibungen, Zeigungszitaten und Fotos, die ein sehr lebendiges Bild jener Zeit vermitteln.

Forsters Burn-Biograpie ist im Wortsinn ein einzigartiges Buch. Der Leser blickt darin auf einen Schachspieler zurück, der für die Entwicklung des Schachs in England sehr wichtig war und der heute im Zuge der Mainstream-Schachgeschichtsbeschreibung etwas untergegangen und unterbewertet ist. Gleichzeitig wird man in die Geburtstunden des Turnierschachs und in eine spannende Zeit versetzt. Mit fast 1000 Seiten über den in breiten Kreisen relativ unbekannten Amos Burn kann man Richard Forster sicher nicht Oberflächlichkeit vorwerfen. Nicht nur Papierhersteller werden sich die Hände reiben, falls er einmal über Capablanca, Aljechin oder einen ähnlich populären Spieler schreiben wird. Sehr empfehlenswert.

Richard Forster: Amos Burn. A Chess Biography
2004 bei McFarland & Company, Inc. Publishers, Jefferson
972 Seiten, 2,5 Kilo

Preis: 79,50 Euro


Wolfgang Kamm: Siegbert Tarrasch, Leben und Werk

Die Biographie zu Siegbert Tarrasch von Wolfgang Kamm ist das einzige Buch in dieser Darstellung, das in deutscher Sprache erschien. Es ist 877 Seiten dick, gebunden, in kleinerem Format als die Folianten von MacFarland, aber enger bedruckt.

In der rückblickenden Betrachtung steht Siegbert Tarrasch in der deutschen Schachgeschichte immer etwas im Schatten von Emanuel Lasker, obwohl er zeitweise als stärkster Spieler der Welt galt und vielleicht nur durch Zufall nicht Weltmeister geworden ist.
1891 schlug er eine Einladung zu einem WM-Kampf gegen Steinitz aus. 1908 unterlag er dann gegen den zu dieser Zeit überlegenen Lasker. Die Eröffnungstheorie hat Tarrasch an vielen Stellen maßgeblich beeinflusst, mehrere Varianten tragen seinen Namen. Außerdem hat er einige herausragende Lehr- und Turnierbücher geschrieben, von denen "Die moderne Schachpartie", 1912 erschienen und kürzlich von Edition Olms als Reprint neu aufgelegt (29,95 Euro) mit einer Gesamtauflage von über 500.000 das meist verbreitete Schachbuch in deutscher Sprache ist.

Wolfgang Kamm hat eine großartige Biographie über eine herausragende, aber doch in breiten Kreisen unbekannt gebliebene Persönlichkeit der deutschen Schachgeschichte geschrieben. Das Buch enthält auch eine Reihe von Partien, mit den Kommentatoren von Zeitgenossen versehen. Der Ehrgeiz des Autors bestand aber nicht darin, möglichst viele noch nicht in der Megadatenbank erschienene Schachpartien von Tarrasch zu entdecken und zu veröffentlichen. Der Schwerpunkt liegt ganz klar auf der eigentlichen Biographie, dem Lebensweg Tarraschs. Diese wird im Zusammenhang mit den zeitgeschichtlichen Ereignissen von der zweiten Hälfte des vorletzten Jahrhunderts bis zum Todestag Tarraschs ausführlich und in unglaublich vielen Details liebevoll dargestellt. Wolfgang Kamm begibt sich sogar auf Spurensuche in der Genealogie der Familie und selbst die Nachfahren des Meisters werden nicht vergessen.

Kamms Buch ist wohl die gründlichste Biographie, die jemals über einen deutschen Schachspieler geschrieben wurde. Wenn man die hier vorgestellten Werke überhaupt vergleichen möchte, so sollte man als deutschsprachiger Schachfreund sich als erstes diesem wirklich herausragendem Buch zuwenden. Sehr empfehlenswert.

Wolfgang Kamm: Siegbert Tarrasch, Leben und Werk
Verlag, Schach und Euromünzenfirma Fruth, München 2004
877 Seiten, 1,74 Kilo

Preis: 63,80 Euro

 

André Schulz

 

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Die ChessBase GmbH, mit Sitz in Hamburg, wurde 1987 gegründet und produziert Schachdatenbanken sowie Lehr- und Trainingskurse für Schachspieler. Seit 1997 veröffentlich ChessBase auf seiner Webseite aktuelle Nachrichten aus der Schachwelt. ChessBase News erscheint inzwischen in vier Sprachen und gilt weltweit als wichtigste Schachnachrichtenseite.

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