Deutschlands größte Schachgruppe durch geplante
Schulschließung bedroht
Hamburg spart. Auch bei der
Bildung. So will es der Hamburger Finanzsenator und deshalb plant die
Schulbehörde, ca. 30 Schulen zu schließen, u.a. das GUB. Denn der
Sanierungsbedarf des GUB wurde von der Schulaufsicht auf 4 Mio EUR geschätzt. Im
Schulentwicklungsplan ist daher vermerkt: "Da das
Gym. Uhlenhorst-Barmbek hohen
Sanierungsbedarf hat, wird auf diesen Standort verzichtet." Aber
wie sich herausgestellt hat, gibt es kein entsprechendes Gutachten der Behörde,
das diesen Sanierungsbedarf begründet. Offenbar geht die Zahl 4 Mio. auf eine
alte Bedarfsanalyse der Schulleitung zum Ausbau des GUB zurück. Inzwischen hat
die Elternschaft ein Gutachten eines vereidigten Sachverständigen eingeholt.
Danach liegt der tatsächliche Sanierungsbedarf bei ca. 275.000 EUR.
(Fassadenarbeiten)
Um die Schüler des GUB in den
anderen Schulen aufzunehmen, ist der Ausbau der Nachbarschulen geplant: "Die
Schüler werden soweit wie möglich auf die umliegenden Gymnasien verteilt. Sollte
das nicht in vollem Umfang möglich sein, ist zu prüfen, ob ein vierzügiger
Ausbau an einem der bestehenden acht/neunzügigen Gymnasien möglich ist" . Was
dieser Ausbau der Nachbarschulen kosten würde, wurde vorsichtshalber nicht
kalkuliert. Auf jeden Fall dürften Kosten über 275.000 EUR liegen. Eigentlich
wollte man deshalb das kleinste Gymnasium in Hamburg-Barmbek schliessen, aber da
hat man sich auch verrechnet: das GUB hat 551 Schüler, das
benachbarte Margarethe-Rothe-Gymnasium nur 489.
Presseartikel zu den
geplanten Schulschließungen:
Blankenese:
Hamburg- Diese Schulen sollen schließen...
Abendblatt: GEW greift Dinges-Dierig scharf an...
Abendblatt: GAL
gegen Schulschließung...
Abendblatt: Streit um Schulschließungen - Senatorin ermahnt Direktoren...
Abendblatt:
Warum gerade unsere Schule...
Welt: Eltern wollen
gegen Schulschließung klagen...
Welt: Schulleiter üben
Kritik an Plänen zur Schulschließung...
Welt am Sonntag: Guter
Wurf von Senatorin Dinges-Dierig...
Harburger: "Ein hilfloser und zynischer
Versuch"...
GEW: Schulschließung statt Schulentwicklung...
"Wir lassen
uns nicht Matt setzen!"
Gestern fand im Gymnasium Uhlenhorst-Barmbek (GUB)
der größte deutsche Schachmannschaftswettkampf statt: An 100 Schachbrettern
spielte das GUB gegen eine Auswahl von Hamburger Schulen, die sich aus Schülern
des Johanneums, des Matthias-Claudius-Gymnasium und vieler anderer Schulen
zusammensetzte. Mit 69 : 31 siegte das GUB in diesem Solidaritätswettkampf, in
dem sich die Teilnehmer gegen die Schließung des GUB aussprachen und für den
Erhalt der Schachgemeinschaft Heinrich-Hertz und Uhlenhorst-Barmbek (SGHHUB),
der größten und ältesten Schulschachgruppe Deutschlands.
Ingo Wilms (Vorsitzender der Hamburger Schachjugend) hielt die Eröffnungsrede:
"Das GUB bietet nicht nur die Heimat für die SG, sondern Räume für viele
wichtige Veranstaltungen des Hamburger Jugend- und Schulschachs." "Die SG bietet
mit ihrer Arbeit in dem sozial schwach strukturierten Stadtteil Barmbek einen
unentbehrlichen Zugang zur Jugend, der nicht aufgegeben werden darf."
Endergebnis
Christian Zickelbein, schrieb in einer Stellungnahme an die Hamburger
Schulsenatorin:
"Ich habe diese Schachgruppe 1956 als Schüler an der Heinrich-Hertz-Schule
gegründet, mit dem Beginn meines Referendariats 1964 habe ich eine zweite
Schachgruppe am Gymnasium Uhlenhorst-Barmbek aufgebaut und beide Gruppen zur
inzwischen berühmt gewordenen „SG“ vereinigt. Mein Klub hat viele Jahre seine
Bundesliga-Wettkämpfe in der Aula der Schule ausgetragen, viele Schüler beider
Schulen sind bis heute Mitglieder des Klubs. Unser Herz schlägt immer noch für
„die SG“ – und wir wollen, dass auch das der „SG“ – es hat seinen Sitz seit
langem im GUB – nicht zu schlagen aufhört."
Mit von der Partie: der ehemalige Schulleiter Karl
Herbst, ein alter Studienfreund von Christian Zickelbein:
Karl Herbst
"Das beste, was das GUB hat, ist die SG"
Am Randes des Berliner Politikerschachturniers in
Berlin am Wochende zuvor sprach sich Innenminister Otto Schily für den Erhalt
dieser Institution aus:
Otto Schily plädiert für Erhaltung der SGHHUB...
Welt: Otto Schilys Hilfe für das Gymnasium Uhlenhorst...
Rückblick:
Hamburger Schulschachgeschichte: Die ersten zehn
Jahre
Anlässlich seines 10-jährigen Bestehens gab der Hamburger Schachjugendbund im
Jahr 1968 ein fast 100-seitige Broschüre über seine Geschichte heraus. Heute
fast 40 Jahre bietet die Broschüre einen faszinierenden Einblick in ein kleines
Stück Schachgeschichte.
Im Jahr 2004 hat die Hamburger Schulbehörde vom Finanzsenat den Auftrag
bekommen, Geld einzusparen und im Schulentwicklungsplan deshalb auch die
Schließung des Gymnasiums Uhlenhorst-Barmbek ins Auge gefasst (allerdings noch
nicht endgültig beschlossen!), Heimat der ältesten und größten Schulschachgruppe
Deutschlands.
Irma Keilhack
wurde 1908 in Hamburg geboren und trat als 18-Jährige in die SPD ein. 1933
wurde sie wegen ihrer Parteizugehörigkeit von der Gestapo vorübergehend
verhaftet. Nach dem Krieg wurde sie wieder in Hamburg politisch aktiv. Von
1949 bis 1961 war sie Mitglied des Deutschen Bundestages. 1956 setzte sie
den Bau einer Jugendherberge in Bonn aus Mitteln des Bundestages durch, um
Übernachtungsmöglichkeiten für jugendliche Besucher des Parlaments zu
schaffen. Sie gehörte lange Jahre dem SPD-Bundesvorstand an und war von 1961
bis 1970 sie Mitglied des Hamburger Senats, wo sie im Verbraucherschutz und
der Jugend- und Familienpolitik tätig war. Bis 1970 war sie Jugendsenatorin.
Im Jahr 2001 starb sie im Alter von 93 Jahren.
Bürgermeister a.D. Dr.Voscherau zum Abschied von Irma Keilhack...
Die Welt:
Trauer um eine Politikerin der ersten Stunde...
|
Knapp vierzig Jahre zuvor hatte die damalige
Jugendsenatorin Irma Keilhack in der Bröschüre des Hamburger noch ein
optimistisches Vorwort geschrieben: "Die große Zahl von Verbänden bringt zum
Ausdruck, dass...den vielfältigen Erwartungen junger Menschen in Hamburg ein
weitgefächertes und fundiertes Angebot seitens der Jugendverbände gemacht wird.
Der Hamburger Schachjugendbund leistet dazu einen unverzichtbaren Beitrag, indem
er bereits in den Schulen sich der schachinteressierten Jugend annimmt und für
den Gedanken des Schachspiels wirbt. Über das Schachspiel hinaus, das den
Ausgangspunkt darstellt für das Erlebnis der Gemeinschaft, der Phantasie und
Kombinationsgabe, ist der Hamburger Schachjugendbund zu einer Jugendgemeinschaft
herangewachsen, die über die Grenzen Hamburgs Beachtung und Anerkennung findet."
Man spürt in den Zeilen noch etwas von jener Aufbruchstimmung, die in
Deutschland in den ersten Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg herrschte.
Bildung durfte noch etwas kosten und Schach gehörte dazu.
In seinem Grußwort sah der Landesschulrat Wolfgang Neckel im Schach "eine
wesentliche Bereicherung des außerunterrichtlichen Angebots," und: "Dieses Spiel
ist in besonderem Maße geeignet, geistige und charakterliche Fähigkeiten zu
wecken und zu fördern."
Im Jahr 1956, genau: am 9.Januar 1956, hatte der
Schüler Christian Zickelbein am Heinrich Hertz-Gymnasium eine Schachgruppe ins
Leben gerufen, die 1964 zusammen mit den Schülern des Gymnasiums
Uhlenhorst-Barmbek zur Schachgemeinschaft Heinrich Hertz und Uhlenhorst Barmbek
(SGHHUB) wurde und bald seine Heimat in Räumen im Gymnasium Uhlenhorst Barmbek (GUB)
fand. Dort besteht sie noch heute - zur Zeit mit Betonung auf dem Wort "noch".
Damals...
...und 40 Jahre später: Christian Zickelbein
Die Schach-Aktivitäten an den Hamburger Schulen
führten 1958 zur Gründung des Hamburger Schachjugendbund, nach dessen Vorbild
sich später die Deutsche Schachjugend im Deutschen Schachbund formierte. Gründer
und erste Mitarbeitern im Hamburger Schachjugendbund waren Schachfreunde wie
Herbert Jesse, Erik Roeder und Christian Zickelbein.
Das "Caissomobil" (Caisso...? Vermutlich
der Ehemann von Schachgöttin Caissa) der
"Schachelschweine" (Vereinsname der SGHHUB)
Zu den Angeboten an die Jugendlichen gehörten gemeinsame Ausflüge, Freizeiten
und natürlich Schachturniere.
Schach, aber bei Weitem nicht nur Schach.
In der Broschüre zum 10-jährigen Jubiläum findet man
z.B. den Bericht über ein Jugendmannschaftsturniers mit Teams aus den Städten
Bolton, Den Haag, London, Maribor, Oslo, Prag, Stockholm, Münster und Hamburg.
Eine Statistik gibt über den Boom bei der Entwicklung des Jugendschachs
Auskunft. Von 70 Schülern, die im Jahr 1953 in den Schulen in Wettkämpfen Schach
spielten, war die Zahl im Jahr 1968 auf 752 gestiegen. Seit 1959 gab es
regelmäßig Jugendeinzelmeisterschaften.
Zu den frühen Siegern gehörten so bekannte Hamburger
Namen wie Siegfried Weiß (1960, 1961), Uwe Kunstowicz (1963) und Andreas Liersch
(1964, 1965, 1966). Bald gab es Deutsche Jugendeinzelmeisterschaften und
Jugendmannschaftsmeisterschaften.
Besonders in diesen war Hamburg immer eines der führenden Bundesländer. Das
deutsche und Hamburger Schach befand sich im Aufwand, fast schon im
"Schachfieber":
Ludwig Rellstab mit Fans
Werbung mit zeitgenössischem Zahlungsmittel
Im Jahr 1957 hatten sich einige Schach begeisterte
Hamburger Lehrer, darunter Franz Buroh und Oswald Stephani, getroffen und
beraten, wie das Schulschach weiter gefördert werden könne. Franz Buroh hatte
dann die Idee zu dem Turnier "Rechtes gegen linkes Alsterufer". Bei der ersten
Auflage 1958 nahmen 20 Mannschaften teil. Der frühere Präsident des Deutschen
Schachbundes Emil Dähne hatte dafür einen Silberpokal gestiftet. Nach zehn
Jahren war die Zahl der teilnehmenden Mannschaften auf 98 gestiegen. Im Laufe
der folgenden Jahre ist diese Veranstaltung zum größten regelmäßig
durchgeführten Schachturnier der Welt angewachsen.
Gast beim Turnier "Rechtes gegen linkes Alsterufer" 1959:
Weltmeister Botvinnik
Falls nach dem Willen des gegenwärtigen Hamburger Senats das GUB geschlossen
werden sollte, so würde die SGHHUB ihre Heimat und ihre Basis verlieren. Ein
Stück deutscher Schachgeschichte wäre damit gestorben.
Text: André Schulz, Rainer Woisin
Fotos: 10 Jahre Hamburger Schulschachverband, Pascal Simon