Interview mit Christopher Lutz, Teil 2
Von Conrad Schormann
Hydra gegen Deep Blue, wie
würde das ausgehen?
Hydra würde gewinnen, auf jeden Fall.
Du spielst Trainingspartien gegen
Hydra...
Ich spiele meistens mit Computerhilfe, mit Shredder und Fritz als Assistent.
Die meisten Partien enden remis. Selbst wenn ich mal schlecht stehe, kann ich
meistens irgendwie in ein schlechtes, aber haltbares Endspiel abwickeln oder
eine Festung aufbauen. Die Kombination Mensch/Maschine ist noch deutlich
stärker als ein Computer oder ein Mensch alleine. Das wird wahrscheinlich
einige Jahre so bleiben. Selbst wenn Hydra gegen Adams deutlich gewinnt, ist
noch sehr viel Potenzial nach oben. Beim Freestyle-Turnier gegen
Mensch/Maschine-Kombinationen hat Hydra nicht so gut abgeschnitten. Hydra ist
vielleicht in der Lage, 2.900 zu spielen, aber bis zur Perfektion sinds noch
einige hundert Punkte.
Wird Adams eine Partie gewinnen?
Das wird extrem schwer. Remis kann man nicht immer, aber vergleichsweise
problemlos erreichen. Wenn man in die richtigen Stellungen kommt, geht das.
Gewinnen ist eine ganz andere Geschichte. Das Programm rechnet 18 bis 20
Halbzüge voraus. Selbst wenn man eine strategisch vorteilhafte Stellung
erreicht, ist es schwierig, diese in eine Gewinnstellung umzuwandeln. Man muss
ja eine Variante finden, gegen die der Computer keine Verteidigung sieht. So
lange er eine hat, wird er sie spielen. Letztendlich ist das der Knackpunkt,
den strategischen in einen taktischen Vorteil verwandeln, was allgemein
schwierig ist, aber gegen Computer besonders. Es gibt nur sehr wenige
Stellungen, in denen der Computer nicht sieht, was ihm droht. Wenn man es
schafft, in ein langfristig gewonnenes Endspiel überzuleiten, ist das gut.
Aber Hydra leistet bis zum Ende maximalen Widerstand. Dagegen zu spielen, ist
für Menschen sehr schwer. Ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass Adams
keine Partie gewinnt. Wie Chrilly Donninger tippe ich auf 4:2 für Hydra. Viel
wird davon abhängen, ob Adams genug Konzentration aufbringen kann, und ob er
vorbereitet ist. Als Hydra letztes Jahr in Bilbao gegen Veselin Topalow,
Ruslan Ponomarjow und Sergej Karjakin gespielt hat, war mein Eindruck, dass
die Menschen nicht wussten, was sie tun sollen, speziell Ponomarjow und
Karjakin. Topalow hat zwar auch nur 1,5 aus 4 gemacht, aber er wusste besser,
wie er die Computer einzuordnen hat.
Spannend fand ich die Partie, in der er
mit Weiß Hydras Bauern bis d3 gelockt und später erobert hat. Ein Mensch
sieht, der Bauer ist irgendwann weg.
Das war jenseits von Hydras Horizont, eine typische Computerpartie. Die
Bewertungsfunktion hat gesagt, Freibauer auf d3 ist super.
Trotzdem hat Topalow nicht gewonnen.
Er hatte eine Stellung mit sehr guten Gewinnchancen, aber er musste weiter den
optimalen Zug finden. An ein, zwei Stellen hat er ein bisschen Luft
reingelassen, und das reicht dann schon, dass es remis wird.
Angenommen, Ihr schlagt Adams deutlich.
Wer soll der nächste Gegner sein?
Es gibt ja noch einige starke Spieler. Topalow oder Leko zum Beispiel,
Kasparow ist ja zurückgetreten. Wenn Hydra alle menschlichen Gegner besiegt
hat, könnten wir Wettkämpfe gegen Mensch/Maschine-Kombinationen spielen. Das
ist die letzte Barriere. Die allerletzte wäre, perfekt zu spielen, aber das
wird wohl kaum zu erreichen sein. Das Ziel ist, jeden verfügbaren Gegner zu
besiegen.
Wie gehst du als sehr starker
menschlicher Spieler damit um, dass der Mensch alleine nicht mehr mithalten
kann?
Damit habe ich keine Probleme. Menschen machen Fehler, und Maschinen können
manches besser. Dass sie besser Schach spielen, sagt ja nichts über
Intelligenz aus. Computer multiplizieren Zahlen schneller als jeder Mensch,
darüber macht sich auch keiner Gedanken. Dem Mensch werden immer schachliche
Bereiche bleiben, in denen er besser ist als die Maschine. Menschen erkennen
Festungen, während der Computer dumm rumrechnet und trotzdem nichts versteht.
Das wird lange so bleiben.
Mensch-Maschine-Duelle elektrisieren die
Öffentlichkeit. Wäre es nicht schade, sollten die Duelle langweilig werden?
Es hängt davon ab, welche Öffentlichkeit gemeint ist. Die sich mit der Materie
nicht so auskennen, halten die Computer wahrscheinlich schon lange für
stärker, weil Deep Blue Kasparow geschlagen hat. Tatsächlich ist der
Unterschied so groß noch nicht. Aus Sicht der Großmeister ist der Computer vor
allem ein Partner bei der täglichen Arbeit, ein Partner, der bestimmte
Stellungen sehr gut berechnen kann.
Teil 3 folgt.