Duell Topalow - Kramnik um Schachkrone in Elista
Von Dagobert Kohlmeyer
Osterüberraschung durch die FIDE! Weltschachbund-Präsident Kirsan Iljumschinow
hat am Karfreitag das WM-Match von Veselin Topalov (Bulgarien) und Vladimir
Kramnik (Russland) angekündigt. Der Wettkampf zwischen dem FIDE-Champion und
dem Titelhalter im klassischen Schach beginnt am 21. September in der kalmückischen
Hauptstadt Elista. Am 13. Oktober soll der neue Schachkönig gekrönt sein. Gespielt
werden 12 Partien, der garantierte Preisfonds beträgt eine Million US-Dollar.
Iljumschinow, seit mehr als zehn Jahren FIDE-Chef, hat damit einen neuen Überraschungscoup
gelandet, der ihm nicht zuletzt helfen soll, bei der nächsten Wahl am Rande
der Schacholympiade in Turin im Amt zu bleiben.
Der Einigung beider Parteien war ein wochenlanger Poker vorausgegangen. Vladimir
Kramniks Manager Carsten Hensel hatte Anfang Februar Gespräche in Moskau geführt
und das Angebot der FIDE sorgfältig geprüft. Knackpunkt war nach den Worten
des Dortmunders die Forderung, dass Kramnik nicht als Herausforderer gilt. "Wir
haben uns geeinigt, dass es hier um einen Weltmeisterschaftskampf der beiden
Spitzenspieler Kramnik und Topalov geht. Alle Zusatzbezeichnungen (FIDE-Champion,
klassischer Weltmeister, Herausforderer) werden weggelassen. Der Sieger nennt
sich Schachweltmeister und fertig."
Kramnik (links) mit seinem Manager Carsten Hensel
In der Vereinbarung steht, dass sich beide gegenseitig als Weltmeister anerkennen.
Der Sieger gewinnt alles, der Verlierer erkennt die Niederlage an und beansprucht
nichts mehr, auch nicht die Teilnahme am nächsten WM-Turnier 2007. Gewinnt Kramnik,
so würde er an Topalovs Stelle das geplante Achter-Matchturnier im kommenden
Jahr spielen. Nach dem Duell in der kalmückischen Steppe werden alle weiteren
Weltmeisterschaften unter der Ägide der FIDE stattfinden, so schreibt es laut
Carsten Hensel die Einigung beiden Seiten vor.
Grund für uns zu einer Nachfrage: Kramnik bevorzugt doch aber das Matchsystem
zur Ermittlung des Weltmeisters?
Carsten Hensel: "An dieser Einstellung hat sich auch nichts geändert. Aber um
des größeren Zieles willen, haben wir eingelenkt. Vladimir denkt da auch an
seine Kollegen, die sich schon über San Luis qualifiziert haben bzw. dies über
die WM-Kandidatenkämpfe noch tun werden. Um da nichts kaputt zu machen, beißt
er in den sauren Apfel. Seine traditionelle Sichtweise bleibt aber, dass der
Schachweltmeister in einem Match ermittelt werden sollte, egal ob er es selbst
ist oder jemand anderes."
Schachkönig Kramnik
Im Gewinnfalle, betont Hensel, wird Kramnik das Turnier 2007 spielen, "damit
die unsägliche Situation beendet wird, die Kasparow 1993 durch seine Trennung
von der FIDE hervorgerufen hat."
Auf die Frage, wie wohl Kasparov auf die neueste Entwicklung reagieren wird,
antwortet Hensel lakonisch: "Sein Standpunkt in der Geschichte ist nicht relevant.
Aus meiner Sicht hatte er schon kein Recht, ein Match gegen die FIDE-Weltmeister
Ponomarjow und Kasimdschanow zu bekommen. Das waren Zugeständnisse Iljumschinows,
die ich immer als ungesund angesehen habe. Was soll ein Spieler, der keinen
Titel hat und nicht mehr aktiv ist, heute noch um die Weltmeisterschaft kämpfen?
Wichtig allein ist jetzt, dass dieses Match Kramnik - Topalov stattfindet. Es
wird die Frage nach dem wahren Schachweltmeister beantworten."
Zu der betrüblichen Tatsache, dass sein Schützling ernsthaft krank ist und seit
längerem keine Spielpraxis hat, gab Carsten Hensel diese aktuellen Informationen:
"Kramnik hat rheumatische Arthritis. Wie wir wissen, ist das eine sehr schmerzhafte
Krankheit. Seine Behandlung wird fortgeführt. Seit etwa sechs Wochen, etwa Anfang
März, gibt es eine erhebliche Verbesserung. Vladimir wird weiter danach leben
müssen, eine spezielle Diät machen und Medikamente zu sich nehmen. Wir sind
im Augenblick mit seinen Ärzten guten Mutes, dass er sich stabilisiert."
Vladimir Kramnik braucht in der Tat einen intakten Körper, wenn er den Wettkampfstress
erfolgreich meistern will. Das Programm der nächsten Zukunft ist randvoll: Zuerst
gibt es eine willkommene Abwechslung. Am kommenden Samstag (22. April) ist Kramnik
in Mannheim, wo sein Freund Wladimir Klitschko gegen Chris Byrd boxt. Mit Vitali
Klitschko soll es dabei auch ein Treffen geben.
Alte Freunde: Vitali Klitschko und Vladimir Kramnik
Danach geht es ins Trainingscamp. Denn überraschend kündigte Kramnik auch an,
bei der Schacholympiade in Turin am ersten Brett für Russland zu spielen zu
wollen, was er seit Jahren nicht getan hat.
Ein altes Bild: Kramnik vertritt die russische Fahne
Und im Sommer stellt der Moskauer sich der Konkurrenz in "seinem Revier" zum
Chess Meeting in Dortmund. Kramnik braucht dringend Spielpraxis. Er hat zwei
Trainerteams, das eine für Wettkämpfe gegen Menschen, das andere für sein Duell
gegen den Computer. Denn nach der WM in Elista, dem Höhepunkt des Jahres, gibt
es im November in der Bundeskunsthalle in Bonn Kramniks Zweikampf gegen das
ChessBase-Programm "Deep Fritz". Für eine halbe Million Dollar Antrittsgeld
und eine Million im Falle des Sieges setzt der 30-jährige, sonst so kühle Rechner
im Herbst noch einmal alles auf eine Karte.
(Fotos: D. Kohlmeyer)