Schachcomputer im Tiefkühlfach

von ChessBase
20.12.2006 – Was ist los, wenn eine Frau, bisher tüchtiges Zimmermädchen in einem Hotel auf Naxos, plötzlich ihre Aufgaben vernachlässigt, nicht mehr einkaufen geht und ihrem Mann und ihren Kindern kein Essen mehr kocht. Steckt vielleicht ein Liebhaber dahinter, wie ihr Mann vermutet. Nein, der Fall liegt komplizierter: Die Frau ist zur Schachspielerin geworden. Sie übt nachts mit einem Handbuch und einem Schachcomputer, den sie - damit niemand ihre neue Leidenschaft entdeckt - im Tiefkühlfach versteckt. (dort, wo Männer niemals hineinschauen würden). Die Schachspielerin ist ein Roman von Bertina Henrichs und einer der besten Schachromane überhaupt, findet Johannes Fischer. Ursprünglich in französischer Sprache erschienen, gibt es ihn auch in deutscher Übersetzung. Wie sollte man einem Schachroman widerstehen, dessen Übersetzerin Claudia Steinitz heißt, meint Fischer in seiner Rezension. Interview mit Bertina Henrichs...Rezension...

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Der Schachcomputer im Tiefkühlfach
Bertina Henrichs Die Schachspielerin, Hamburg: Hoffmann und Campe, 2006, 143 Seiten, 15,95€.
Von Johannes Fischer


Foto: Sylvia Biscioni


Nein, so stellt man sich eine Schachspielerin nicht vor. Eleni, die Hauptfigur von Bertina Henrichs Roman Die Schachspielerin ist keine empfindsame Intellektuelle, die durch das Schach in den Wahnsinn getrieben wird, kein Genie, das im Schach vor der Welt flieht, kein kriminelles Meisterhirn, das Schach als Vorbereitung auf perfide Verbrechen spielt.

Eleni ist Zimmermädchen auf der griechischen Insel Naxos, 42 Jahre alt, Tochter armer Bauern, verheiratet mit dem Automechaniker Panos, zwei Kinder. Ihr ganzes Leben hat sie auf Naxos verbracht. Doch eines Tages sieht sie in einem der Hotelzimmer, die sie putzen muss, ein Schachspiel und plötzlich ändert sich ihr Leben. Sie will das Spiel lernen und schenkt ihrem Mann zum Geburtstag einen Schachcomputer. Diese Idee hatte ihr alter Dorfschullehrer, ein in seinen Büchern vergrabener Junggeselle, der sich und anderen nie eingestehen konnte, homosexuell zu sein. Eleni hatte ihn um Hilfe gebeten, da sie in dem kleinen Ort kein Schachspiel hätte kaufen können, ohne Aufsehen zu erregen. Doch Elenis Mann kann mit dem Computer nichts anfangen. Er freut sich über „das originelle Geschenk“ und stellt es in den Schrank.

Eleni lässt das Schach jedoch nicht los. Als sie eines Nachts nicht schlafen kann, weil sie Schmerzen in den Knien hat und es heiß ist, bringt sie sich mit einem kleinen Handbuch die Regeln bei und spielt ihre ersten Partien gegen den Computer. Von da an denkt sie nur noch ans Schach. Sie putzt im Hotel nicht mehr gründlich, kauft nicht mehr ein und kocht ihrem Mann und ihren Kindern nicht mehr das Essen. Damit sie ihrer Leidenschaft ungestört nachgehen kann, versteckt sie den Schachcomputer im Tiefkühlfach. Bei ihrem alten Lehrer nimmt sie Unterricht.

Elenis Ehemann Panos wundert sich über seine Frau, glaubt an einen Liebhaber, bald streiten die beiden nur noch, dann reden sie gar nicht mehr miteinander. Deshalb sucht Panos Rat bei seinem Freund, dem „Armenier“. Und der hat eine Idee, die so gut ist, dass Eleni und Panos am Ende beide durch das Schachspiel gewinnen.

Das macht Die Schachspielerin zu einer bezaubernden Erzählung und einem der besten Schachromane überhaupt. Er erinnert daran, wie schön das Schach sein kann und wie schön es war, als man noch nicht wusste, dass Bobby Fischer Antisemit ist und Schachweltmeisterschaften durch Streitereien um Toilettenbesuche entschieden wurden. Spannend erzählt ist diese Geschichte über die Ehekrise eines Zimmermädchens auf Naxos dabei zugleich eine Parabel über Toleranz und gelebte und nicht gelebte Leidenschaft.



Diese Qualitäten verhalfen dem Buch in Frankreich und in Deutschland zu einem unerwarteten Verkaufserfolg. Das Original der Schachspielerin erschien in Frankreich, denn obwohl die Autorin Bertina Henrichs, studierte Film- und Literaturwissenschaftlerin, in Frankfurt am Main geboren ist, hat sie ihren ersten Roman auf Französisch geschrieben, "damit ihre Familie in Paris ihn ohne Übersetzung lesen kann“. Als Schachspieler kann man in der Übersetzung jedoch nur ein gutes Omen sehen. Denn wie sollte man einem Schachroman widerstehen, dessen Übersetzerin Claudia Steinitz heißt?
 

 

 

 

 

 


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