Ronan Bennett ist in Belfast aufgewachsen. Als
jugendlicher Demonstrant im Kampf um Bürgerrechte landete er im Alter von 18
Jahren als republikanischer Gefangener im berüchtigten Lager von Long Kesh,
und wurde von einem speziellen Diplock-Gericht ohne Jury zu lebenslänglicher
Freiheitsstrafe verurteilt. Nach Berufung und Freilassung ging er nach
England, wo er erneut verhaftet wurde und 20 Monate in Untersuchungshaft im
Gefängnis von Brixton in London verbrachte. Nach seiner Freilassung
studierte er Geschichte am King’s College in London und promovierte mit
einer Arbeit über Gesetzesvollstreckung während des Englischen Bürgerkriegs
von 1642-49.
Er hat bereits vier Romane veröffentlicht: The
Second Prison; Overthrown by Strangers; The Catastrophist
(für den Whitbread Novel Award gelistet); und Havoc, In Its Third Year
(ausgezeichnet als irischer Roman des Jahres). Bennett war außerdem nicht
genannter Co-Autor der Gefängnis Memoiren "Stolen Years" von Paul Hill, einem der "Guildford Four", die 1975 unschuldig für die
Guildford und Woolwich Pub-Bombenanschläge verurteilt worden waren. Darüber
hinaus schreibt er
Drehbücher für Film und Fernsehen, u.a. für The Hamburg Cell
und Rebel Heart, und hat dabei u. a. in Hollywood für
Regisseur Michael Mann und Leonardo Di Caprio gearbeitet.
Sein fünfter Roman, Zugzwang, erschien 2006 als wöchentlicher Fortsetzungsroman in der
englischen Sonntagszeitung "The Observer". Die Kapitel wurden eigens für die
kommende Ausgabe geschrieben und oft erst kurz vor Redaktionsschluss
abgegeben. Mark Quinn fertiget dafür eine Reihe von intensiven Illustrationen
an.
Vor dem Hintergrund des berühmten St. Petersburger Turniers von
1914, an dem u. a. Lasker, Capablanca, Aljechin und Rubinstein teilnahmen,
ist Zugzwang ein Thriller, der, wie das Times Literary Supplement,
schrieb ‘einen vielschichtigen Plot und ernsthafte Subtexte’ enthält. ‘Der
Leser wird ... voller Respekt für Bennetts Geschick sein, ihn zu reizen.
Zugzwang ist ein unterhaltsamer und ernsthafter Roman.’
ChessBase wollte mehr über ihn und seine Verbindung zum
Schach erfahren.
Ein Video zum Roman und mit Anmerkungen des Autors
ist hier zu finden...
ChessBase: Worum geht es in dem Roman?
RB: Zugzwang spielt in St. Petersburg
1914, und ist eine fiktionale Erzählung über politischen Verrat, Mord,
Intrigen und Leidenschaft, die vor dem Hintergrund des großen St.
Petersburgers Turniers spielt. Schachspieler könnten natürlich eine
Ähnlichkeit zwischen einem der Hauptcharaktere im Buch, Avrom Rozental, und
einem bestimmten Teilnehmer des wirklichen St. Petersburger Turniers
entdecken.
ChessBase: Ich glaube, sie spielen auf Akiba
Rubinstein an. Woher rührt Ihr Interesse an Rubinstein?
RB: Ich finde Rubinsteins Partien höchst
lehrreich und schön nachzuspielen. Die Genauigkeit, die umwerfende
Einfachheit, seine Endspieltechnik. Aber auch als Mensch war er
faszinierend. Vor Jahren las ich einmal in einer kurzen biographischen Notiz
über Rubinsteins pathologische Schüchternheit – während eines Turniers war
es für ihn nicht ungewöhnlich, seinen Zug auszuführen, um sofort danach vom
Brett aufzustehen, um sich irgendwo zu verstecken, bis der Gegner gezogen
hatte. Er war überzeugt, dass seine reine Anwesenheit bereits vollkommen
unerträglich war und wollte seinem Gegner jedes Ungemach ersparen. Es war
schrecklich schmerzhaft. Viel später las ich dann einen Artikel von
Großmeister Nigel Davies mit dem Titel ‘Master of the Fly’, der versuchte,
Rubinsteins geistige Verwirrtheit psychoreligiös zu erklären. Ich habe
Rubinstein in meinem ersten Roman, The Second Prison, erwähnt, aber
ich wollte mehr über ihn schreiben und ihn in den Vordergrund rücken.
ChessBase: Und dennoch haben Sie seinen Namen
geändert?
RB: Der Roman ist ein Werk der Phantasie. Ich
beginne mit Rubinstein, aber gehe über die Fakten hinaus. Also genau das,
was Romanautoren, die sich mit tatsächlichen Ereignissen beschäftigen, tun.
ChessBase: Warum der Titel Zugzwang?
RB: Zugzwang passt zur Situation, in der
sich der Hauptcharakter wieder findet – es scheint, als ob alles, was er
unternimmt, zu seinem Untergang führen wird. Zugzwang ist ebenfalls eine
Metapher für die Stellung, in der sich der Westen dem Islam gegenüber sieht
– ein Subtext des Plots. Ich erörtere gerne zeitgenössische Themen, indem
ich mich mit der Vergangenheit beschäftige. Es gibt so viele Themen im
zaristischen Russland, die heute noch nachklingen – der Antisemitismus der
damaligen Zeit zum Beispiel stimmt mit dem heutigen Misstrauen gegen den
Islam überein.
ChessBase: Erzählen Sie uns etwas über Ihre
Verbindung zum Schach.
RB: Schach war bis zu einem gewissen Grad meine
Rettung an einem bestimmten Punkt meines Lebens. Ich saß in
Untersuchungshaft im Gefängnis von Brixton in London und wartete auf den
Prozess. Es war ein hartes Gefängnis, fast ohne jede Ausstattung. Wir waren
bis zu 23 Stunden am Tag eingeschlossen. Die Langeweile war entsetzlich. Ich
habe natürlich viel gelesen, aber nach einer Weile und unter diesen
Bedingungen war es schwer, die geistigen Welten zu betreten, in die die
Romane mich einzuladen versuchten. Der Gegensatz zwischen meiner Realität
und der Phantasiewelt des Autors war einfach zu groß. Mein Anwalt war ein
Jude namens Larry Grant, ein engagierter Amateur und tatsächlich ziemlich
gut. Larry und ich spielten eine Fernpartie, ein Königsgambit – er
zerschmetterte mich! Aber er gab mir mein erstes Schachbuch - Irving
Chernevs The Most Instructive Games of Chess Ever Played. Bis dahin
wusste ich nicht, dass man die Züge einer Partie aufschreiben kann. Von da
an hat mich das Schach gefangen genommen.
ChessBase: Wie gut spielen Sie?
RB: Ziemlich durchschnittlich – was immer das
auch heißen mag. Ich spiele im Schachklub des Guardian und ein wenig
auf schach.de. Mein beste Leistung erzielte ich einmal bei einem Simultan
gegen Großmeister Dan King (tiefe Eröffnungsvorbereitung!), wo ich ein Remis
bekam. Mein einziges offizielles Turnier war ein Wochenendturnier in London
1980. Ich gewann meine ersten beiden Partien und saß in der dritten einem
pickeligen 13-jährigen gegenüber. Im 15. Zug hatte ich bereits Probleme. All
seine Freunde kamen angelaufen, um sich daran zu weiden. Ein paar Züge
später gab ich auf. Ich fühlte mich so gedemütigt, dass ich das Turnier
abbrach. Ich bin einer der Spieler, die den Schmerz der Niederlage stärker
empfinden als die Freude über einen Sieg. Trotzdem habe ich mir die
Begeisterung für das Schach und vor allem für Schachgeschichte bewahrt.
Mittlerweile macht es mir mehr Spaß, gut kommentierte Partien nachzuspielen,
als tatsächlich selber zu spielen.
ChessBase: Was fasziniert Sie an der
Schachgeschichte?
RB: Ich bin studierter Historiker, ich nehme an,
es hat etwas damit zu tun. Aber Schach im 19. und im frühen 20. Jahrhundert
hat auch etwas Romantisches. Wenn man sich die alten Fotos dieser Turniere
anschaut, dann verfügen die Spieler über eine gewisse Eleganz. Sie hatten
interessante Lebensgeschichten. Und auch das Schach ihrer Zeit war
faszinierend, weil das Spiel im Vergleich zu heute so unerforscht war –
diese Leute mussten von Anfang an eigenständig denken, Entdeckungen machen,
Fehler machen. Und sie waren außergewöhnliche Persönlichkeiten – Steinitz,
Lasker, Capablanca…
Mich fasziniert auch die Ästhetik antiker Schachfiguren
– ich bin ein Sammler. Besonders angetan haben es mir englische Schachspiele
aus dem 19. Jahrhundert – Jaques natürlich. Ich habe ein elfenbeinernes
Jaques-Schachspiel in Turniergröße, das mir besonders gefällt. Außerdem
gefallen mir französische Schachspiele aus dem 19. Jahrhundert – (Lyon,
Dieppe, Regence) und die deutschen Selenus-Schachspiele aus dem frühen 19.
Jahrhundert sind sehr elegant und raffiniert.
ChessBase: Sie schreiben auch über Schach im
Guardian…
RB: Ich nahm Schachunterricht bei Daniel King
und aus diesen Treffen entstand die Idee für eine Kolumne. Viel wird für
stärkere Spieler geschrieben, aber wir waren der Meinung, dass es in Bezug
auf ganz gewöhnliche Schachbegeisterte eine Marktlücke gab – Leute wie mich.
Das Format ist in etwa ‘Meister und Amateur’. Wir schauen uns eine Stellung
an, ich sage, was ich meine und dann erzählt mir Dan, worüber ich nachdenken
sollte. Wir geben auch andere Tipps: welche Bücher gut sind, neue DVDs und
so weiter. Die Kolumne erscheint jeden Montag und wir machen das jetzt schon
fast ein Jahr. Sie finden die Kolumnen unter
http://sport.guardian.co.uk/chess.
Wir hoffen, die Darstellung wird bald technisch ein
wenig ausgereifter sein.
ChessBase: Wir haben gehört, dass Sie auch eine
Verbindung zu Hamburg haben?
RB: Ich habe ein Drehbuch für den britischen
Channel 4 geschrieben, ‘The Hamburg Cell’, das sich mit den Verschwörern des
11. Septembers beschäftigt und bin öfter nach Hamburg gekommen, um mit
Leuten zu reden, die die Verschwörer gekannt hatten. Anfang 2004 haben wir
in Hamburg vor Ort gedreht, bevor es dann weiter in die USA ging. Ich weiß
noch, dass es kalt war.
Zugzwang erscheint in der deutschen Übersetzung
im Berlin Verlag/Bloomsbury und kostet 19,90€.
Einladung zur Buchpremiere
am 20. September 2007 um 19.30 Uhr
Liebe
Freunde der Emanuel Lasker Gesellschaft!
Zusammen mit dem Berlin Verlag/Bloomsburry präsentiert die Emanuel Lasker
Gesellschaft den neuen Roman des Londoner Autors Ronan Bennett mit dem Titel
"Zugzwang".
Hintergrund dieses Thrillers ist das St. Petersburger Schachturnier von 1914,
bei dem Emanuel Lasker den 1. Platz belegte. Hauptheld des Romans ist
allerdings der als Favorit geltende Schachmeister Avrom Rozenthal, dessen
Figur stark an den Schachgroßmeister Akiba Rubinstein angelehnt ist. Es ist
uns gelungen, den Rubinstein-Experten und Verfasser des Buches "Acht x Acht.
Zur Kunst des Schachspiels" Prof. Dr. Ernst Strouhal für das Gespräch mit dem
Autor zu gewinnen.
Im Anhang finden Sie die Pressemitteilung des Verlages mit einer kurzen
Inhaltsangabe des Romans.
Wegen der beschränkten Sitzplatzkapazität wird um Anmeldung zu dieser
Veranstaltung gebeten.
Eintritt: 5,-€/ermäßigt 4,- €
Ort:
Emanuel Lasker Gesellschaft
Leuschnerdamm 31
10999 Berlin
(Hauptgebäude, 1. Etage rechts)
Für Rückfragen und Anmeldungen:
Susanna Poldauf
Tel: 0049-30-616 84 130
info@lasker-gesellschaft.de
www.lasker-gesellschaft.de
Ronan Bennett - Werke
Fiction
The Second Prison (1991) - shortlisted for the 1991 Irish Times/Aer Lingus
prize.
Overthrown by Strangers (1992)
The Catastrophist (1998) - shortlisted for the Whitbread Novel Award.
Havoc, in its Third Year (2004) - winner of the Hughes & Hughes/Sunday
Independent Irish Novel of the Year award.
Zugzwang (2006)
Non-fiction
Stolen Years: Before and After Guildford (with Paul Hill, 1990)
Fire and Rain (broadcast on Radio 4, 1994)
Feature films
A Further Gesture, aka The Break (1997)
Lucky Break (2001)
Face (1997)
The Hamburg Cell (2004)
Television
Love Lies Bleeding (1993)
A Man You Don't Meet Every Day (1994)
Rebel Heart (2001)
Fields of Gold (2002)
Short films
Do Armed Robbers Have Love Affairs? (2002
Links:
Zugzwang beim Observer...
Interview bei
salon.com (1999)...