Dies kleine Etwas…
Mittlerweile ist schon gute Tradition, dass die letzte Runde der
Belgischen Vereinsmeisterschaften an einem zentralen Austragungsort stattfindet
und alle Mannschaften zum großen Finale zusammenkommen.
Dieses Jahr war das Finale besonders spannend, denn die Entscheidung
über den Titel fiel erst in der Schlussrunde im Kampf zwischen Amay und
Wirtzfeld. Wirtzfeld war Gastgeber und Amay ist die Mannschaft, für die ich
spiele.
Die Tabelle vor der Schlussrunde
Alle Paarungen
Amay gegen Wirtzfeld
Wir lagen mit zwei Punkten Vorsprung in Führung, aber Wirtzfeld hatte
die bessere Wertung. Bei den belgischen Mannschaftsmeisterschaften bekommt der
Sieger zwei Punkte, geht der Kampf Unentschieden aus, erhält jede Mannschaft
einen Punkt. Brettpunkte zählen allerdings auch und sind bei Punktgleichstand
das erste Wertungskriterium. Dabei haben die Belgier ein cleveres System
entwickelt, um das Unwesen kampfloser Niederlagen zu bekämpfen. Ein Sieg in
einer einzelnen Partie bringt der Mannschaft drei Punkte, ein Remis bringt zwei
Punkte und für eine Niederlage erhält die Mannschaft immer noch einen Brettpunkt
angerechnet. Der Clou besteht darin, dass ein Spieler, der nicht zur Partie
erscheint, Null Punkte bekommt. So führt ein 4-4 nicht automatisch zu einem
Unentschieden im Mannschaftskampf, denn eine der beiden Mannschaften könnte ja
durchaus eine Partie kampflos verloren haben. Bislang scheint dieses System
perfekt zu funktionieren und keine der Mannschaften versucht Kosten zu sparen,
indem sie ausländische Spieler nominiert, die dann einfach nicht antreten.
Wir haben eine phantastische Saison abgeliefert und kaum einer hat mit
unserem hervorragenden Ergebnis gerechnet. Ich spiele jetzt schon seit fast zehn
Jahren für Amay und habe miterlebt, wie die Mannschaft sich aus der dritten Liga
in die erste Liga hochgearbeitet hat und mittlerweile Titelanwärter ist. In den
letzten Jahren wurde die Mannschaft mit einer Reihe junger aufstrebender Spieler
wie Giri, Khairullin, van Kampen, Bok, usw. verstärkt. Die Stimmung in der
Mannschaft ist phantastisch und jeder im Team genießt es, wenn wir zu einem
Kampf zusammenkommen.
Anish Giris
Je näher der Entscheidungskampf rückte, desto größer wurden die Opfer,
die man den Schachgöttern bringen wollte, um sie milde zu stimmen. Aus unserer
Mannschaft versprach Jean Marie Gheury die gesamte Strecke von Wirtzfeld nach
Amay zu laufen (etwa 120 bis 140 km) und Victor Schleck kündigte im Fall eines
Sieges an, den gesamten Weg bis zur belgischen Westküste zu Fuß zurückzulegen
(ungefähr 260 km). Jean Marie ist nicht nur Schachspieler, sondern auch
Langstreckenläufer und Victor Schleck hat nach dem ersten Titelgewinn der
Wirtzfelder eine Wanderung nach Echternach in Luxemburg unternommen.
Sarunas Sulskis
Auf der Fahrt zum Kampf mussten wir einen Hügel überqueren, den unser
Mannschaftsmitglied Ibert die Belgischen Berge nannte. “Liegen die überhaupt
1.000 Meter über dem Meeresspiegel?”, fragte ich. “Nein”, erwiderte er stolz,
“800 Meter!” Allerdings verlor dieser Scherz viel von seinem Witz, als wir
ungefähr zwei Kilometer vor Erreichen des Spiellokals beinahe liegen blieben.
Ganz schön groß geworden...
Auch Andrey Sumets fand die Anreise wahrscheinlich alles andere als
lustig, denn sein Flug hatte sich verspätet und er schaffte es gerade noch
rechtzeitig zur Partie. Nur zwei Minuten später und er hätte verloren. Mit einem
Schlussspurt, den die Anhänger Wirtzfelds mit einem Seufzer der Erleichterung
begleiteten, kam er gerade noch rechtzeitig ans Brett, um den ersten Zug
auszuführen und die Uhr zu drücken. Doch schon bald danach endete seine Partie
mit Remis, wie auch die Partien an den ersten drei Brettern. Zu diesem Zeitpunkt
schien die Heimmannschaft das Heft allerdings fest in der Hand zu haben, da E.
Postny gegen seinen Landsmann V. Mikhalevski schon in der Eröffnung klar besser
stand.
V. Mikhalevski
Zeitnot machte die Dinge für Mikhalevski nicht besser; er übersah eine
taktische Möglichkeit und musste aufgeben.
An Brett sieben hatten wir gute Chancen, den Kampf wieder ausgeglichen
zu gestalten, denn dort hatte Ilja Zaragatsky eine überwältigend gute Stellung
gegen Van den Doel, aber der Holländer schaffte es, die Partie zu halten und den
entscheidenden halben Punkt zu retten. Am Ende gewann Wirtzfeld Kampf und
Titel!
In der Schlussrunde trat Wirtzfeld mit den Großmeistern Naiditsch,
Khenkin, Fridman, Postny, Istratescu, Sumets, Van den Doel und Winants an. Aber
das ist nicht die beste Mannschaft, die sie aufbieten könnten. Tatsächlich waren
ihre Spitzenbretter Svidler und Ivanchuk beim Kandidatenturnier in London
anderweitig beschäftigt, was zeigt, wie stark Wirtzfeld ist.
Der Kampf um Platz drei zwischen Eynatten 1 und Fontaine wurde
überzeugend vom mehrfachen belgischen Mannschaftsmeister Eynatten gewonnen, der
damit genau wie die beiden Erstplatzierten das Recht erwarb, Belgien bei den
Europäischen Vereinsmeisterschaften im Oktober in Griechenland zu vertreten.
Meister Wirtzfeld
Vizemeister Amay
Am Tabellenende kämpften zwei Mannschaften im direkten
Aufeinandertreffen um den Klassenerhalt. Doch Zottegem kam gegen die Mannschaft
aus Deurne nicht über ein Unentschieden hinaus und muss die Erste Liga
verlassen.
Grüße an alle!
GM Dejan Bojkov
http://www.dejanbojkov.blogspot.com/
Ergebnisse:
http://www.frbe-kbsb.be/sites/manager/ICN/12-13/ind11.pdf
Rangliste:
http://www.frbe-kbsb.be/sites/manager/ICN/12-13/klas11.pdf
Ein interessanter Link:
http://www.grenzecho.net/SportsLoad.aspx?aid=EB0AE408-92DD-42F9-A9D9-C264788A3AA1
Übersetzung:
Johannes Fischer