Kharkov und die Ukrainischen Meisterschaften

von ChessBase
04.09.2004 – Zwischen 1919 und 1934 war die Universitäts- und Industriestadt Kharkov die Hauptstadt der Sowjetukraine, bis man diese Rolle an Kiev abgeben musste. Im Zweiten Weltkrieg rollten hier Tausende T34-Panzer vom Band, die halfen den Vormarsch der Deutschen Wehrmacht zu stoppen, worauf die älteren Einwohner immer noch sehr stolz sind. Anlässlich der 350-Jahr-Feier der Stadt wurde die diesjährige Meisterschaft der Ukraine hier in Charkov ausgetragen, wo ein Denkmal an Vater Fjodor erinnert, einen der beiden Gauner, die in Ilja Ilfs und Yevgeny Petrovs "Die 12 Stühle" auf der Jagd nach den Diamanten sind und dabei auch den "Intergalaktischen Schachkongress" bestreiten müssen. Olga Alexandrova (Foto) schickte uns einen Bericht mit vielen Impressionen. Mehr...

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Ukrainische Meisterschaft 2004
Kharkov, 23.August bis 2.September

Von Olga Alexandrova,
Übersetzung aus dem Russischen: Thomas Lemanczyk


Schied früh aus, bleib aber gut gelaunt: Ivanchuk


Ivanchuk und Justitia

Am 22. August 2004 feierte die Stadt Kharkov (dies die eingebürgerte russisch-englische Schreibweise, auf Ukrainisch: Harkiv) ihr 350jähriges Bestehen. Um diesem denkwürdigen Datum gebührende Würdigung angedeihen zu lassen, beschloss man, die Ukrainische Schachmeisterschaft in Kharkov auszutragen.


Der Präsident des Ukrainischen Schachverbandes Petrov


Die Eröffnungsfeierlichkeiten
 
Außer Ruslan Ponomariov und Vladimir Baklan nahmen die besten Schachspieler der Ukraine teil, im gesamten 32, darunter drei Frauen.


Areshchenko-Zhukova


Kateryna Lahno


Lahno-Goloshchapov

Der Preisfond betrug 10.000 Dollar. Zum ersten Mal wählte man das KO-System, die Zeitkontrolle war 90 Minuten plus 30 Sekunden pro Zug für die gesamte Partie. Zunächst spielte man zwei klassische Partien, sollte der Stand 1-1 sein, wurden zwei Schnellpartien angesetzt, führten diese auch nicht zum Matchentscheid, so folgten zwei Blitzpartien, bei weiterem Gleichstand dann eine „Sudden-death“-Partie, bei der Weiß 6, Schwarz 5 Minuten Bedenkzeit hatte, Schwarz aber ein Remis zum Weiterkommen genügte.
 
Spielort war der tags zuvor vom Präsidenten der Ukraine Leonid Kučma eröffnete „Studentenpalast“ der Nationalen Juridischen Akademie, benannt nach Jaroslav Mudryj. Die Spielbedingungen waren rühmenswert und entsprachen dem hohen Niveau der Ukrainischen Landesmeisterschaft.


Das Hotel, in dem die Spieler untergebracht waren


Die juristische Akademie: hier wurde das Turnier gespielt


Der Turniersaal


Demobretter

Bereits die erste Runde sorgte für Überraschungen, da nicht wenige Elo-Favoriten aus dem Rennen schieden. Die Hauptsensation stellte die Niederlage Pavel Eljanovs (2613) gegen den wenig bekannten Michail Oleksienko (2424) dar.


Olekseenki-Eljanov


Olekseenki

In der zweiten Runde gelang Oleksienko dann die zweite Sensation als er Sergej Fedorčuk (2569) besiegte. Erst in der dritten Runde unterlag er dem späteren Silbermedaillengewinner Anton Korobov.


Korubov gewann Silber


Miroshnichenko-Korobov,


Korobov-Goloshchapov

Das Jungtalent Sergej Karjakin unterlag in der ersten Runde einem anderen Jungtalent, Jurij Kuzubov, mit ½-1½. Seine Niederlage erklärte er damit, dass sein heftiger Wunsch, mit den weißen Steinen zu siegen nach hinten losging. Er bemerkte, dies wäre sein fünftes KO-Match in seinem Leben, und jedesmal verlor er in der ersten Runde.


Sergey Karjakin mit Vater


Efimenko-Kobilin

Für viele sehr unerwartet war auch die Niederlage von Vasilij Ivančuk in der zweiten Runde. Er unterlag mit ½-1½ Oleg Romanišin, einem Veteranen des Ukrainischen Schachs. Nachdem er die erste Partie mit Schwarz verloren hatte, gelang es ihm nicht, in der zweiten auszugleichen, obwohl er nahe am Sieg war. Alle drei Mädchen schieden schon in der ersten Runde aus, aber es gelang ihnen, jedenfalls zeitweise, ihren klar überlegenen Gegnern etwas auf die Nerven zu gehen.


Kateryna Lahno


Ivanchuk, Romanishin


Ivanchuk bei der Analyse


Ivanchuk als Zuschauer


Romanishin

Der spätere Meister der Ukraine, der 18jährige Andrej Volokitin (2638) aus Lviv, spielte ein sehr gleichmäßiges Turnier. Kein Mal brauchte er in ein Tie-break zu gehen, er besiegte seine Gegner jeweils in klassischer Bedenkzeit. Nachdem Ivančuk in der zweiten Runde ausgeschieden war, prophezeite man gerade ihm am ehesten den Sieg. So kam es dann schließlich. In einem Interview nach dem Turnier bemerkte er, dass er über seinen Sieg ganz und gar nicht euphorisch oder emotional sei, ein ganz ähnliches Resultat hätte er für sich erwartet.
 


Efimenko-Volokitin


Matjushin-Volokitin


Goloshchapov


Goloshchapov-Moissenko

Eine Überraschung für alle war der Silbermedaillengewinn von Anton Korubov (2565). In der zweiten Runde verlor er die erste Partie gegen Evgenij Mirošničenko und es schien, dass das Match schnell mit Mirošničenkos Sieg enden würde. Aber Anton riß sich zusammen und gewann die zweite klassische Partie, hielt dann im Schnellschach das Unentschieden und überspielte im Blitzen Evgenij klar. Das Endergebnis war 4-2. In den folgenden Matchen spielte er interessant und einfallsreich, erst im Finale unterlag er Volokitin mit ½-1½.


Die vier Finalisten

Aleksandr Moiseenko (2640), der den dritten Platz belegte, ist in der Schachwelt bereits ein alter Bekannter. Im Turnier wies er die zweitbeste Ratingzahl auf und war einer der Favoriten. Er spielte das Turnier sehr gleichmäßig und brauchte kein Tie-break zu spielen, erst im Halbfinale unterlag er Volokitin ½-1½. Danach gewann er die Bronzemedaille gegen Aleksandr Gološčapov mit dem gleichen Ergebnis.


Moiseenko


Moiseenko-Areshenko


Ponomariov als Zuschauer


Die beiden Halbfinals auf der Bühne des Theaters


Nicht ganz voll das Theater zu diesem Zeitpunkt


Tukmalov und Moiseenko


Volokitin mit seinem Vater



Das Turnier erregte großes Interesse im Umkreis und viele Zuschauer und Kiebitze fanden sich ein. Die Atmosphäre war bestens und die Organisation erreichte Spitzenniveau. Obwohl es einerseits hohe Qualität gab, so zeigten sich andererseits auch die Unzulänglichkeiten des KO-Systems...


Die Finalisten und das Organisationskomitee


Silber, Gold, Bronze


Medaillen


Das Preiskomitee


Trophäen


Hauptschiedsrichter Bodankin Leonid Markovich


Reise durch Kharkov:


Blick auf die Stadt Kharkov


Gasprom Sverhu


Vertoleta


Uspenskij sobor


Der Siegesplatz


Der Siegesplatz mit Feuerwerk zur 350-Jahr-Feier


Zarkalnaja struja


Stadtverwaltung


Altes Gebäude in der Innenstadt

Im Jahre 1654 wurde Kharkov als Festung erbaut. Es wurde nach der Revolution 1917 zur ersten Hauptstadt der Ukraine (1917-1934). Zur Zeit ist Kiev die Hauptstadt, Kharkov nimmt in Größe und Bedeutung den zweiten Rang in der Ukraine ein.


Der Bahnhof


Schild am Bahnhof


Blick auf den Bahnhofsplatz bei Nacht

Kharkov hat 1,5 Millionen Einwohner, von denen die eine Hälfte Russen, die andere Hälfte Ukrainer sind. Offizielle Sprache ist Ukrainisch.


Vater Fjodor aus "Die 12 Stühle" als Denkmal

Vater Fjodor ist eine Figur aus dem berühmten Gauner-Roman "Die 12 Stühle", geschrieben von Ilya Ilf (Pseudonym von Ilya Arnoldovich Fainzilberg, 1897-1937) und Yevgeny Petrov (Pseudonym von Yevgeny Petrovich Kataev, 1903-42), die beide aus Odessa stammten. Es ist die Geschichte des Gauners Ostap Bender, der ohne Geld, quer durch die Sowjet Union reist, auf der Suche nach einem von insgesamt 12 Stühlen, in dem wertvolle Juwelen versteckt sind. Sein Rivale ist Fjodor, der ebenfalls des Geheimnis der Stühle kennt. Der Roman wurde zu einem der der erfolgreichsten Bücher der Sowjet Union. Das vielleicht berühmteste Kapitel behandelt den "Interplanetarischen Schachkongress".

Der Interplanetarische Schachkongress (Engl. aus Die 12 Stühle")...

The 12 Chairs (aus dem Russischen ins Englische übersetzt)...

Die Geschichte der 12 Stühle wurde, teils in abgewandelter Form auch im Westen mehrfach verfilmt, u.a. von Mel Brooks. Eine deutsche Übersetzung des Romans ist bei Luchterhand erschienen.


Ein T34 als Denkmal in der Nähe des historischen Museums aufgestellt

Der russische T34 war einfacher gebaut als die deutschen Panther und Tiger-Panzer, aber dadurch auch robuster und schneller herzustellen. Er wurde hier in Charkov in Massenproduktion gefertigt. Die Stadt selbst war im Zweiten Weltkrieg heftig umkämpft und wechselte mehrfach den Besitzer. Allein über 40.000 deutsche Soldaten fielen in den Schlachten um die Stadt, Rotarmisten noch mehr.


Der Flughafen von Kharkov mit Raketen


Ein Götzenbild für König Fußball, auch hier.


Gasprom - Gebäude der Administration der Industrie

Seit 1972 gibt es in Kharkov eine Metro, zur Zeit fahren drei Linien. Kharkov ist eine Studenten- und Industriestadt. Es werden immer mehr und größere Unternehmen und Fabriken gebaut. Das Orthodoxe Christentum ist tief verwurzelt. Folgende Flüsse umspülen die Stadt: Kharkov, Lopan, Udi und Nemižlja.


Kirchen in Kharkov


"Blagoveshenskie" Kirche, vorne Olga Alexandrova


Die 1990 neu erbaute Oper


Die über 200 Jahre alte Karazin Universität


Ukrainische Volkskunst


Souvenirs


Die Metro von Kharkov


Auch dies eine Metro-Station


Das 1935 erbaute Shevchenko-Monument

Der Maler und Dichter Taras Grigorievich Shevchenko (1814–61) bemühte sich um eine eigenständige von Russland verschiedene ukrainische Kultur und erhob mit seinen Werken das Ukrainische zur Literatursprache. Heute wird er als ukrainischer Nationaldichter verehrt.

Einen sehr lesenswerten Artikel, "Der Blues spielt im Osten", mit Impressionen zu Kharkov veröffentlichte der Wuppertaler Schriftsteller Michael Zeller in der Zeitschrift MERKUR, Nr. 661, Mai 2004: www.online-merkur.de/seiten/lp200405a.php (evtl. nur noch über den Google-Cache erreichbar.)


 

 

 

 


Die ChessBase GmbH, mit Sitz in Hamburg, wurde 1987 gegründet und produziert Schachdatenbanken sowie Lehr- und Trainingskurse für Schachspieler. Seit 1997 veröffentlich ChessBase auf seiner Webseite aktuelle Nachrichten aus der Schachwelt. ChessBase News erscheint inzwischen in vier Sprachen und gilt weltweit als wichtigste Schachnachrichtenseite.

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