Nikolaus 2006
Frühere Versuche, Kindern im Alter ab fünf
Jahren die Existenz des Nikolaus vorzugaukeln, sind, wie aufmerksame Leser
dieser Seiten wissen, bereits grandios gescheitert. Die Schadensberichte
landeten inzwischen auf der Müllhalde der verbrauchten Worte. Wer will kann dort
wühlen und den Verlauf der Niederlagen in unserem Archiv jahresweise nachlesen.
Nikolaus 2005...
Nikolaus 2004...
Nikolaus 2003...
Nikolaus 2002...
Nikolaus 2001...
Im Laufe der Zeit
ist die Zielgruppe auch nicht nicht eben dümmer geworden. Dankenswerterweise
gibt es jedoch etwas Nachwuchs und bei der Nachbetrachtung äußerten einige
Erwachsene der Ansicht, sie seien zu der Auffassung gekommen, dass Jan Oke (1+
Jahre) möglicherweise - ganz sicher kann man da natürlich nicht sein - die
Darstellung der Vorgänge für bare Münze genommen hat. Zumindest hat er keinerlei
Zweifel geäußert - OK, er kann ja auch noch nicht sprechen.
Jan Oke glaubt an den Nikolaus, vielleicht
In diesem Jahr ergab sich eigentlich eine sehr gute Ausgangsposition für eine
harmonische Nikolausfeier. Mit
Holger Winterstein wurde im Laufe des Jahres ein neuer Mitarbeiter ins Team geholt,
der noch völlig unverbraucht war. In den Jahren zuvor waren nämlich zahlreiche
Nikolausdarsteller - eigentlich so gut wie alle - von der Zielgruppe enttarnt
und demontiert worden. Sie waren für diese Aufgabe "verbrannt".
Eine entsprechende Anfrage des
Organisationskomitees bei Holger wurde von diesem umgehend positiv beantwortet.
In der Folge erarbeitete er sich anhand früherer Nikolaus-Berichte selbstständig
einen kompletten Auftrittsplan, der sämtliche in den Jahren zuvor gemachte
Fehler aufs peinlichste vermied. In akribische Arbeit verpasste er sich eine
Legende, die geeignet gewesen wäre, jeden Geheimdienst der Welt hinters Licht zu
führen. Aber was sind schon Geheimdienste...
In den Jahren zuvor hatten wir mit Matthias Deutschmann
z.B. einen Nikolaus, der bei seinem Auftritt den obligatorischen Bart vergessen
hatte. Wen wollte er damit beeindrucken? Vielleicht seine Kabarettgäste - aber
doch nicht eine Schar aufgeweckter Kinder. Im Jahr danach widerfuhr dem Nikolaus Uli Leupelt eine zwar kleine -
jedoch entscheidenden Nachlässigkeit. Anhand seines
prägnanten Eherings, den er zuerst als Nikolaus und den er dann als er
selbst immer noch am Finger hatte, wurde er im Nu enttarnt.
Um den Überraschungsmoment zu erhöhen, hatte
man diesmal den Auftritt des Mannes in Rot zeitlich nach hinten verlegt. Das
erhöhte die nervöse Spannung bei der Zielgruppe, die sich zudem vorher noch mit
eilig zusammen gerührten "Chili con Carne" herumärgern musste.
"Was gibt es?"
"Buaähh - OK, wir nehmen Würstchen!"
Dann, als schon keiner damit rechnete, war es soweit: Der Nikolaus erschien;
"Was guckt ihr alle so?"
Die Einen reagierten tatsächlich wie
erwünscht, nämlich mit Respekt (s.o), die Erwachsenen zeigten z.T. unverhohlene
Freude,
... einige Kinder konnten jedoch ihr
offenkundiges Desinteresse...
...an dieser peinlichen Einlage nicht unterdrücken und schnitten Grimassen (Kai,
re.)
Immerhin: Die Erwachsenen waren mehr als
zufrieden mit dem Auftritt und schlugen sich begeistert auf die Schenkel.:
Frederic ist gespannt
Matthias weiß: Diesmal kann nichts schief gehen!
Mancher bekamen glänzende Augen und fühlten
sich an eigene Kinderzeiten erinnert.
Allerdings scheint auch schon Leo (5),
links, nicht so ganz überzeugt.
Wer könnte diesem Kind einen Nikolaus aufbinden?
Der Nikolaus war erneut bis zur absoluten
Unkenntlichkeit getarnt, mit bekannten und auch neuen Elementen:
Leider war die an sich gute Idee mit dem
Silbernen Buch mir einer immanenten Schwäche verbunden, die letztlich auch
dieses Jahr die Enttarnung des Darstellers zur Folge hatte - wie sich noch
zeigen wird. Unser Mann sah im Ganzen jedenfalls so aus.
Trotz der prächtigen Maskerade wurde der
Auftritt vom Zielpublikum im Ganzen jedoch mit einer gewissen mokanten Arroganz
goutiert.
Juliane und Johannes
"Hallo,.. hihi... Nikolaus!"
Juliane kann sich vor Lachen kaum halten
Johannes sammelt Daten. Dazu sagt er in jedem Jahr ein mehrstrophiges Gedicht in
unmittelbarere Nähe des Nikolaus auf und sucht nach Schwachpunkten in der
Kostümierung. In diesem Jahr wurde Theodor Storm die Ehre gegeben
Theodor Storm: Knecht Ruprecht
Von drauss` vom Walde komm ich her;
Ich muß euch sagen, es weihnachtet sehr!
Allüberall auf den Tannenspitzen
Sah ich goldene Lichtlein sitzen;
Und droben aus dem Himmelstor
Sah mit grossen Augen das Christkind hervor.
Und wie ich so strolcht" durch den finstern Tann,
Da rief"s mich mit heller Stimme an:
"Knecht Ruprecht", rief es, "alter Gesell,
Hebe die Beine und spute dich schnell!
Die Kerzen fangen zu brennen an,
Das Himmelstor ist aufgetan,
Alt" und Junge sollen nun
Von der Jagd des Lebens einmal ruhn;
Und morgen flieg ich hinab zur Erden,
Denn es soll wieder Weihnachten werden!"
Ich sprach:
"O lieber Herre Christ,
Meine Reise fast zu Ende ist;
Ich soll nur noch in diese Stadt,
Wo's eitel gute Kinder hat."
"Hast denn das Säcklein auch bei dir?"
Ich sprach:
"Das Säcklein, das ist hier:
Denn Äpfel, Nuss und Mandelkern
Essen fromme Kinder gern."
"Hast denn die Rute auch bei dir?"
Ich sprach:
"Die Rute, die ist hier;
Doch für die Kinder nur, die schlechten,
Die trifft sie auf den Teil, den rechten."
Christkindlein sprach: "So ist es recht;
So geh mit Gott, mein treuer Knecht!"
Von drauss' vom Walde komm ich her;
Ich muß euch sagen, es weihnachtet sehr!
Nun sprecht,
wie ich's hier innen find!
Sind's gute Kind, sind's böse Kind?
Nach der dritten Strophe hat Johannes genug gesehen.
Vor der eigentlichen Enttarnung muss
natürlich erst noch die Geschenkübergabe abgewartet werden. Nur dafür lässt man
ja den ganzen Zirkus über sich ergehen.
Nun erst mal die Geschenke...
Die Mitbringsel werden einer eingehenden Prüfung unterzogen. Je nachdem, wie
umfangreich die Gaben sind, kann die spätere Sabotage der Zeremonie auch mal
härter oder doch milder ausfallen
Jeder wird vom Nikolaus aufgerufen, erst die Kinder, dann die Erwachsenen. Und
zu jedem weiß der Nikolaus eine Episode aus dem Silbernen Buch zu berichten.
Ben - in seinem neuen Pullover, aus zwei Topflappen selbst gehäkelt - kann vor
Freude nicht an sich halten.
Oliver wartet gespannt, bis er dran ist.
Auch die Kinder schauen sich, nachdem sie ihre eigenen Geschenke bekommen haben,
noch die ganze folgende Zeremonie aufmerksam an.
Doch nachdem der Nikolaus alle beschenkt
hat, geht es ans Eingemachte.
Juliane und Johannes diskutieren die Aufführung.
Erster Ansatzpunkt: Schon während der Vorstellung wurde als mögliche
Schwachstelle das Schuhwerk des Nikolaus anvisiert. Doch Holger/Nikolaus hatte
diesen Versuch antizipiert und die Schuhe gewechselt. Als er später in normaler
Kluft zur Feier hinzu stieß, trug er ganz andere Schuhe. (Hähä, so einfach geht
es nicht - wir sind ja auch nicht blöde!)
Während der Aufführung hatte der Nikolaus zudem auf eine goldene Taschenuhr
geschaut. Aber auch die scheinheilige Kinderfrage nach der Uhzeit wurde von
Holger souverän abgewiesen. Heute habe er gar keine Uhr dabei.
Entscheidend für die Enttarnung war dann ein anderer Umstand, der aufmerksam
registriert wurde. Beim Ablesen der Texte aus dem Silbernen Buch offenbarte der
Nikolaus nämlich eine ziemliche Weitsichtigkeit, die von den Kindern (mit 100
Sendungen "Wissen macht Ah!" im Hintergrund) als Sehschwäche von etwa + 2,5 (mit
1,0 Zylinder) analysiert wurde. Tatsächlich trug Holger dann eine Brille, die
ziemlich genau diesem Anforderungsprofil entsprach. Bingo!
Vor seinem Abgang hatte der Nikolaus sich
noch auf die Kleinsten gestürzt, um wenigstens diese mit seiner Verkleidung zu
beeindrucken. Dies gelang...
..mehr, oder...
..weniger...
... oder vielleicht auch gar nicht.
Wen oder was würde wohl Jan Oke zur
Verbesserung der Nikolaus-Performance im nächsten Jahr empfehlen, um die
verfahrene Situation vielleicht doch noch zu retten?
Oh, Helmut Pfleger! ... Interessant...
André Schulz
Foto: Benjamin Bartels, André Schulz