„Zur Schacholympiade in
Dresden bin ich Italiens Brett Nr. 1“
Interview mit dem 15-jährigen Großmeister Fabiano Caruana
Von Dagobert Kohlmeyer
Er ist amtierender
italienischer Landesmeister und jüngster Großmeister seines Landes. Schon
mit 14 Jahren erwarb der in den USA geborene Fabiano Caruana den Doktorhut
des Schachs. Mit seinem überlegenen Sieg im C-Turnier von Wijk aan Zee (10
aus 13!) feierte das schmächtige Superhirn gerade einen neuen Erfolg.
Dagobert Kohlmeyer führte im holländischen Schachmekka ein Interview mit
dem jungen Schachprofi.

Fabiano, wann hast du
realisiert, ein großes Talent zu sein?
Als ich mit dem Spiel
begann, konnten das weder meine Eltern, noch jemand anderes aus meinem
Umfeld einschätzen. Der bekannte New Yorker Schachtrainer
Bruce Pandolfini,
dem ich empfohlen wurde, hat es gemerkt, als er meine Partien sah und wir
sie gemeinsam analysierten.
Wie lange spielst du
Schach?
Ich war fünf Jahre alt,
als ich damit anfing. Das war in Brooklyn. Ich habe auch in einer
Schachschule gelernt. Meine Mutter hat mich dorthin geschickt. Später haben
mich dann professionelle Schachlehrer unter ihre Fittiche genommen.
Macht es dich stolz,
jüngster Großmeister Italiens zu sein?
Sehr. Ich war unglaublich
froh, als ich im Sommer 2007 die erforderliche dritte Norm geschafft habe.
Das war ein sehr schönes Gefühl.
Mit knapp 2600
ELO-Punkten, zu denen nach dem tollen Ergebnis von Wijk aan Zee noch mehr
hinzukommen, führst du sogar die Rangliste deines Landes an!
Das stimmt. Ich bin
bereits die Nummer 1 in Italien und werde deshalb im November bei der
Schacholympiade in Dresden am Spitzenbrett spielen. Darauf freue ich mich
sehr. Es ist meine Olympiapremiere und ein ganz wichtiges Ereignis in meiner
noch jungen Karriere.
Wo bist du heute zu
Hause?
Aus Trainingsgründen lebe
ich derzeit in Budapest, weil dort mein Coach wohnt.

Mit wem arbeitest du
zusammen?
Mit dem russischen
Großmeister Alexander Tschernin. Er ist ein sehr erfahrener Trainer, von dem
ich eine Menge lernen kann. Wir haben vereinbart, mindestens noch ein Jahr
zusammen zu trainieren.
Mit deinem
amerikanischen Pass könntest du doch auch im Team der USA spielen. Oder
wollten sie dich nicht?
Keine Ahnung. Ich habe
beide Staatsangehörigkeiten. Aber ich glaube nicht, dass die Amerikaner
Interesse daran haben, mich in ihr Team zu nehmen, sonst hätte ich doch
etwas davon gehört. In den Vereinigten Staaten ist die Schach-Konkurrenz
erheblich größer als in Italien, es gibt dort sehr viele starke Großmeister.
Deshalb spiele ich seit 2006 für Italien.

Welches ist deine
bisher schönste Partie?
2005 hatte ich bei einem
Turnier in Spanien mit Weiß gegen Aleksa Strikovic einen Skandinavier auf
dem Brett, der nach wildem Verlauf remis ausging. Mein Gegner hatte damals
über 100 ELO-Punkte mehr als ich. Diese Partie mag ich besonders. Mein
bekanntestes Spiel ist wohl die Gewinnpartie gegen Großmeister Alexander
Wojtkiewicz in New York 2002. Da war ich gerade mal zehn Jahre alt. Hier in
Wijk aan Zee sind mir auch einige gute Partien gelungen, zum Beispiel die
gegen Peng Zhaoqin in der ersten Runde.
Dein Schwarz-Sieg gegen
den deutschen Großmeister Arik Braun war ja ebenfalls eine Schlüsselpartie…

Braun gegen Caruana
Sicher. Arik hatte mit 4
Punkten aus vier Partien einen fulminanten Start in unserer Gruppe, aber ich
konnte ihn nach unserem Duell von der Tabellenspitze verdrängen. Von dem
Moment an war ich auf der Gewinnerstraße im Gesamtklassement.

Analyse mit Pontus Carlsson
Ein junger
Schachmeister braucht viele Bewährungsproben, um die nötige Wettkampfhärte
zu bekommen. Wo willst du sie Dir in nächster Zeit holen?
Im Februar starte ich in
Moskau beim Aeroflot-Turnier. Es ist das stärkste Open auf der Welt. Dort
hat man die Chance, gegen viele Weltklasseleute zu spielen. Das wird sicher
eine ganz schwierige Sache, aber auch eine wichtige Schule für mich.


Im Fokus der Presse
Wie würdest du deinen
Schachstil charakterisieren?
Ich liebe mehr die Taktik,
das heißt, ich kombiniere sehr gern. Das heißt aber nicht, dass ich nicht
auch mit den Figuren auf dem Brett zu manövrieren weiß, wenn es nötig ist.
Welches ist deine
Lieblingsfigur?
Der Springer. Mit ihm kann
man den Gegner am meisten überraschen.
Warum hast du die
Schule geschmissen und bist in so einem zarten Alter Schachprofi geworden?
Weil ich dieses Spiel
einfach wundervoll finde. Es bietet so viele Möglichkeiten. Und weil man auf
anderem Weg nicht weit genug kommt. Deshalb besuche ich seit zwei Jahren
keine Schule mehr und konzentriere mich völlig auf Schach. Der erfolgreiche
Kampf am Brett erfordert meine ganze Kraft.
Partien von Fabiano
Caruana
F. Caruana (2381) - A.
Strikovic (2498)
Narciso Yepes mem Lorca, 2005
B01: 1.e4 d5 2.exd5 Dxd5
3.Sc3 Dd6 4.d4 Sf6 5.Sf3 a6 6.g3 Lg4 7.h3 Lh5 8.Lg2 Sc6 9.0–0 0–0–0 10.Lf4
Db4 11.g4 Lg6 12.a3 Dxb2 13.De1 e6 14.Tb1 Dxc2 15.Se5 Ld6 16.Txb7 Kxb7
17.Sxc6 Kc8 18.Le5 Lxe5 19.dxe5 Sd5 20.Sxd5 exd5 21.Se7+ Kd7 22.Sxd5 Ld3
23.Sb4 Dc4 24.Dd2 Ke8 25.Tc1 Db3 26.Txc7 h6 27.Lc6+ Kf8 28.Ld5 Lc4 29.Txf7+
Ke8 30.Sc6 Lxd5 31.Te7+ Kf8 32.Df4+ Kg8 33.Txg7+ Kxg7 34.Df6+ Kh7 35.Df5+
Kg7 36.Df6+ Kh7 37.Df5+ Kg7 38.Df6+ Remis
Caruana - Strikovic...
F. Caruana (2060) – A. Wojtkiewicz (2683)
New York 2002
B27: 1.e4 c5
2.Sf3 g6 3.d4 Lg7 4.Le3 Sf6 5.Sc3 cxd4 6.Lxd4 Sc6 7.Lb5 Sxd4 8.Dxd4 0-0 9.e5
Se8 10.0–0–0 d6 11.Dd2 Lg4 12.Lxe8 Txe8 13.exd6 exd6 14.Dxd6 Lxc3 15.Dxd8
Lxb2+ 16.Kxb2 Taxd8 17.Txd8 Txd8 18.Se5 Lf5 19.g4 Le6 20.Te1 Td2 21.Sd3 Lxg4
22.h3 Lf3 23.Te3 Lc6 24.Kc1 Txd3 25.Txd3 Kg7 26.Kd2 Kf6 27.Ke3 Kg5 28.Kd4
Kh4 29.Tg3 f5 30.Ke5 Le4 31.c4 g5 32.Tb3 Lg2 33.Kxf5 h6 34.Kg6 h5 35.Kh6 g4
36.hxg4 hxg4 37.Kg6 Lf3 38.Kf5 Kh3 39.Kf4 Kg2 40.Tb2 a6 41.c5 Kh2 42.a4 Kg2
43.a5 Kh2 44.Tb3 Kg2 45.Txf3 1.0
Caruana- Wojtkiewicz...