
Das Interview mit Maria
Manakova erschien in der aktuellen Samstagausgabe (30. Oktober 2004) von Neues
Deutschland. Nachdruck mit freundlicher
Genehmigung des Autors. Fotos mit freundlicher Genehmigung von MK-Germany.
Finale von Schacholympia
2004 auf Mallorca an diesem Wochenende: Kriegt das eigentlich jemand noch mit,
außer den 1000-prozentigen Experten? Dass aber auch der spröde Denksport im
Medienzeitalter mehr Menschen als bloß die Hardcore-Freaks erreichen kann,
beweist Maria Manakowa aus Moskau. Die 30-jährige Großmeisterin, die in Calviá
nicht einmal um Edelmetall gekämpft hat, demonstriert mit frechen Fotos, wie’s
geht: In der russischen Zeitung „Moskovsky Komsomolska“ hat sie sich freizügig
abbilden lassen; außerdem fordert sie im Begleitinterview „Mehr Sex im
Schach“. Eine hübsche Provokation, die seitdem den betulichen Schachbetrieb
erregt rotieren lässt – während gleichzeitig für Maria Manakova die ersten
Offerten eintrudeln: Im kommenden Frühjahr soll eine Maxi-CD erscheinen, Titel
„The Game“, das Stück wird in Frankfurt produziert. Außerdem hat der „Playboy“
wegen einer Fotostory angefragt. Über Schach und Sex und Marketing spricht die
gelernte Journalistin per Telefon mit dem Autor Dr. René Gralla.

Frau Manakova, Sie haben die Schachwelt mit Ihren Nacktfotos schockiert. Warum
diese Aktion?
Schach ist ein Sport, der
eigentlich recht unspektakulär ist. Deswegen kann Schach nur überleben, wenn
bestimmte Regierungen oder Mäzene dafür Geld geben. Nach dem Zusammenbruch der
Sowjetunion, in der Schach gefördert wurde, ist Schach auch bei uns ein sehr
armer Sport geworden. Folglich habe ich mich gefragt: Welche Wege gibt es,
Schach populärer zu machen …
… und Sie wollen mit Ihrer Aktion Aufmerksamkeit für Schach wecken?
Ja. Um Geld und Sponsoren
anzuziehen. Und Zuschauer. Ich bin Journalistin und habe über das Problem
bereits einige Artikel veröffentlicht: Warum ist Schach so arm? Und was können
wir tun, um diese Lage zu ändern? Gleichzeitig habe ich weiter an
Schachturnieren teilgenommen, und wenn ich spiele, trage ich immer Miniröcke …
… Sie sehen sicher sexy aus …
… sehr sexy, und die
Zuschauer kommen zu mir. Und da habe ich gemerkt: Ich selber, die
Schachspielerin Maria Manakova, kann persönlich etwas dafür tun, dass mehr
Leute den Schachsport spannend finden.
Sie handeln also nach dem Motto: „Sex sells“, Sex verkauft sich – sogar im
Schach.
Damit wir uns nicht
missverstehen: Ich habe nie über Sex als solchen gesprochen …
… nein, selbstverständlich nicht, richtigen Sex haben wir auch nicht gemeint.
Uns geht es allein um Ihren Sex Appeal: Wenn Sie sexy aussehen
- und Sie sehen sexy aus -, dann können Sie auch Schach besser
vermarkten.
Wenn Sie das so formulieren,
okay (lacht).

Nun aber der Einwand: Schach hat etwas mit dem Kopf zu tun, nicht mit dem
Körper. Sie wollen ausgerechnet Schach mit sexy Fotos aufpeppen: Wie soll das
zu einem reinen Denksport passen?
Wenn Schach Geldgeber finden
will, dann klappt das nur mit ungewöhnlichen Ideen. Sehen Sie zum Beispiel,
was Bobby Fischer einst gemacht hat: Er hat mit seinen Forderungen und seinem
Verhalten schockiert, und die Menschen haben begonnen, sich für Schach zu
interessieren. Man muss also provozieren …
… wie bei den legendären „Bennetton“-Kampagnen, die zu diesem Mittel gegriffen
haben …
… richtig, bis die ganze
Welt darüber redet.

Und Sie, Frau Manakova, setzen auf Nacktfotos. Ist das aber nicht ähnlich
absurd, wie wenn sich ein Einstein ausgezogen hätte, um die
Relativitätstheorie ins Gespräch zu bringen?
Das ist zu viel der Ehre
(lacht), Sie wollen mich doch
nicht im Ernst mit Einstein vergleichen …
… zumal Sie eindeutig viel besser aussehen …
… vielen Dank!
Die britische Tageszeitung „Sunday Telegraph“ hat Ihre Fotoaktion mit der
Schlagzeile auf den Punkt gebracht: „Geschickter Schachzug oder billiger
Trick?“ Ihre Reaktion?
Darauf mag jeder für sich
eine Antwort geben. Ich muss darauf nicht reagieren: Allein die Tatsache, dass
der „Sunday Telegraph“ das Thema aufgreift, ist für mich ein Erfolg. Weil ich
mein Ziel erreicht habe: dass über Schach und die wirtschaftlichen Probleme in
diesem Sport öffentlich diskutiert wird.

Alexander Roshal, Chefredakteur des Fach-Magazins „64“, hat Sie scharf
angegriffen: Sie hätten „die Linie“ überschritten, die „Schach von Vulgarität“
trenne. Wie wehren Sie sich gegen diesen Vorwurf?
Auf Roshal bin ich von
vielen Seiten angesprochen worden. Das ist seine Meinung; was soll ich dagegen
sagen?! Ich kenne Roshals Motive nicht; ich weiß nicht, warum er sich so
geäußert hat. Ich bin aber sehr froh darüber, dass er auf diese Weise die „Bottom
Line“ aufgezeigt hat; die unterste Schiene, auf der man sich in dieser Debatte
bewegen kann. Und dafür bin ich ihm sogar dankbar.
Von ganz anderem Kaliber ist der FIDE-Weltmeister 2000, Viswanathan Anand. In
einem Interview für das „Neue Deutschland“ hat er ausdrücklich begrüßt, was
Sie getan haben; denn Sie beweisen, dass Schach nicht allein eine Sache alter
Männer ist, die bloß dasitzen und nachdenken. Sondern dass Schach jung und
sexy ist.
Abgesehen davon, dass ich
dieses Thema erst einmal anschieben musste, vorher wäre sonst niemand auf die
Idee gekommen: natürlich hat Anand
Recht, wie käme ich dazu, etwas anderes zu sagen.
Wie haben die Frauen in der Schachszene auf Ihre Fotos reagiert?

Mit totalem Schweigen.
Keine Sticheleien? Keine schiefen Blicke? Absolut nichts?
Rein gar nichts. Das hat
mich völlig überrascht (lacht).
Und die Männer? Bekommen Sie viele Einladungen zum Ausgehen?
Oh ja. Das scheint sich zu
meiner zweiten Beschäftigung zu entwickeln. Aber als Männer mag ich die
Schachspieler nicht. Ich habe ausreichend Freunde außerhalb der Schachwelt.
Ich finde es uninteressant, mich mit Schachspielern zu unterhalten. Maximal
eine Stunde, dann reicht es aber auch.
Weil Schachspieler ausschließlich über Schach reden?
Ja. Die sind sehr auf Schach
fixiert.
Sie sind verheiratet, Frau Manakowa …
… ich lebe mittlerweile in
Scheidung.
Haben Sie aktuell einen Freund?
Darüber möchte ich nicht
reden.
Verraten Sie uns wenigstens so viel: Unterstellt, Sie hätten einen Freund;
dann sollte der, sofern wir Sie gerade richtig verstanden haben, auf keinen
Fall Schachspieler sein?!
Darüber mache ich mir keine
Gedanken. Wenn ich einen Mann liebe, ist es mir egal, was er sonst noch so
treibt.

Sind Ihre erotischen Fotos künftig auch Ihre psychologische Geheimwaffe bei
Turnieren? Sitzen
Sie einem Mann live am Brett gegenüber, ist er völlig abgelenkt, weil er
einfach immer an die Maria Manakova aus der Zeitung denken muss. Und so
verliert er dann.
Das ist aber nichts Neues.
Das ist schon immer so gewesen, darüber gibt es viele Anekdoten. Wir Frauen
können eben immer ein paar besondere Tricks einsetzen, wenn wir gewinnen
wollen … (lacht).
Sie, Frau Manakowa, haben aber allerdings eine neue Dimension eröffnet. Die
ehemalige Vize-Weltmeisterin und amtierende Europameisterin Alexandra
Kosteniuk ist insofern die Erste gewesen: Die sorgte schon für Aufregung, als
sie Fotos veröffentlichte, auf denen sie mit leicht geöffneter Bluse zu sehen
war. Sie, Frau Manakova, sind jetzt einen Schritt weiter gegangen …
… das ist nicht nur ein
Schritt, das sind viel mehr Schritte. Das höre ich hier zum ersten Mal, dass
Alexandra Kosteniuk erotische Fotos veröffentlicht haben soll. Ich selber habe
bisher keine erotischen Fotos von ihr gesehen.
Bei Alexandra Kosteniuk ist das eben auch nur ein leichter Anflug von Erotik
gewesen …
… ja, ich weiß. Bei mir
dagegen ist es wirklich Erotik.
Entsprechend werden Sie, wie wir hören, demnächst eine Fotostrecke im
„Playboy“ veröffentlichen?
Die Redaktion hat angefragt,
aber ich weiß noch nicht genau, was sie planen.
Ist das die äußerste Grenze, bis zu der Sie gehen würden? Oder könnten Sie
sich auch vorstellen, einen erotischen Film zu drehen?
Das würde ich sehr sehr
gerne tun (lacht). Ich liebe
Filme! Wir werden sehen, wie sich alles entwickelt.
Also dürfen wir noch mehr von Ihnen erwarten. Wie wäre es, wenn Sie einen
erotischen Film über Schach machen?
Ja, ja! Darüber habe ich
auch schon nachgedacht. Ich habe viele Ideen.
Im Schach scheint es einen neuen Trend zu geben. Den repräsentieren Sie, Frau
Manakova, und andere Spielerinnen wie Alexandra Kosteniuk oder Almira
Skriptschenko: Schöne Frauen bringen Schwung in diesen Sport. Wie kommt es
aber, dass die modernen Frauen im Schach so attraktiv und die Männer so fade
sind?
Seinem Ursprung nach ist
Schach eine Männerangelegenheit. Wenn sich dann aber hübsche Frauen in diese
Welt begeben, möchten sie sich entsprechend von ihrer Umgebung abheben.
Deswegen geben sich Frauen im Schach nicht damit zufrieden, bloß gut zu
spielen; sie wollen gleichzeitig auch gut dabei aussehen. Den Männern dagegen
genügt das Schach, mehr wollen sie gar nicht. Gleichzeitig muss ich Ihnen aber
widersprechen: Es gibt auch gut aussehende Männer im Schach.
Tatsächlich? Bitte nennen Sie uns welche!
Garri Kasparow und Wladimir
Kramnik. Oder Alexander Grischuk.
Abgesehen von Schachspielern: Welcher Mann ist für Sie am meisten sexy?
Al Pacino.
Sie haben sich ausgezogen, um für Schach zu werben. Wäre es nicht eine Frage
der Gleichberechtigung, dass sich auch Männer für Schach ausziehen?
Das wäre weniger nett,
fürchte ich. Wenn sich eine hübsche Frau auszieht, dann ist das schön, ich mag
das anschauen. Ganz anders ist das, wenn sich Männer ausziehen …
(lacht).
Wie wäre es aber vielleicht mit Herrn Grischuk?!
Ja, doch, ja, ja. Warum
eigentlich nicht, darüber sollte nachgedacht werden. Schließlich stimmt es ja:
Unter dem Gesichtspunkt des Marketing wäre das eine sehr gute Idee.
Ihr eigenes Marketing zeigt Wirkung: Im Frühjahr 2005 werden Sie eine
Maxi-Single herausbringen. Titel: „The Game“. Wollen Sie ins Pop-Geschäft
überwechseln?
Mir gefällt es, verschiedene
Dinge gleichzeitig zu machen. Es gibt mehrere Linien in meinem Leben, eine
davon ist das Theater. Die andere aber ist der Gesang, mein Vater ist
schließlich Komponist. Außerdem habe ich noch den Journalismus und das
Fernsehen; für einen russischen Kanal moderiere ich TV-Shows über Schach.
Deswegen weiß ich nicht genau, wo ich morgen sein werde.
Der deutsche Rap-Star Smudo von den „Fantastischen Vier“, die gerade durch die
Bundesrepublik touren, ist bekennender Schachfan. Indem auch Sie, Frau
Manakova, demnächst eine CD herausbringen, sind Sie bald quasi Kollegen.
Hätten Sie Lust, mit Smudo mal ein Match auszutragen? Vielleicht durch
Vermittlung von ChessBase?
Sehr gerne.
Smudo hat ein ELO-Rating von ungefähr 1300. Würden Sie ihm eine Figur
vorgeben?
Das muss ich mir erst einmal
überlegen.
Im Schachsport sind Sie Großmeisterin bei den Frauen. Haben Sie da noch weiter
gehende Ziele? Vielleicht Europameisterin?

Ich bin sehr ehrgeizig, aber
gleichzeitig realistisch. Ich weiß: Falls ich im Schach noch mehr erreichen
will, muss ich dafür viele andere Dinge opfern. Ich möchte aber ebenfalls noch
Zeit für Bücher haben;
ich wünsche mir irgendwann auch ein Kind. Daher hat Schach keine Priorität
mehr; da, wo ich momentan stehe, ist es völlig in Ordnung.
Könnten Sie irgendwann einmal das Schachspiel aufgeben?
Nein. Dafür liebe ich Schach
viel zu sehr. Ich werde Schach mein Leben lang spielen.
Interview: Dr. René Grallla