"Schwarz und weiß wie Tage und Nächte"

von ChessBase
10.09.2004 – Zwischen seinem berühmten Tatort "Reifezeugnis" (1977) mit Nastassja Kinski und seiner noch berühmteren Buchheim-Verfilmung "Das Boot" (1981) drehte Wolfgang Petersen auch einen viel beachteten Film über Schach: "Schwarz und weiß wie Tage und Nächte" (1978) mit Bruno Ganz in der Hauptrolle des Thomas Rosenmund, der dem Schach sein Leben gewidmet hat und dem Spiel völlig verfallen ist. Wer die Szene der Schachspieler aufmerksam beobachtet, weiß, dass solche Schicksale reine Fiktion und im wirklichen Leben natürlich völlig undenkbar sind. Immerhin bietet der Film neben heute manch erheiternden Motiven auch interessante Einblicke in die menschliche Psyche. Die ARD strahlt den Film in seiner Reihe Eins Festival in seinem Digitalprogramm aus: Sendetermine: heute 10.15 Uhr und kommenden Dienstag, den 14.9.2004, 10.15 Uhr. ARD digital: Eins Festival- Übersicht...Mehr zum Film...

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In Emden geboren hat Wolfgang Petersen in Hamburg und Berlin studiert und als Regisseur zunächst für das Fernsehen gearbeitet. Sein bekanntestes Frühwerk von 1977 ist der Tatort "Reifezeugnis" mit der damals 15-jährigen Nastassja Kinski. Der Film sorgte für Rekordeinschaltquoten. 1981 drehte Petersen den Film "Das Boot", eine Verfilmung des autobiografischen Romans von Lothar Günther Buchheim, und wurde damit weltbekannt. Die Jungdarsteller von damals sind heute die großen Stars des deutschen Films, z.B. Jürgen Prochnow, Martin Semmelrogge, Heinz Hoenig, Jan Fedder, Uwe Ochsenknecht, Oliver Strizel, Claude-Oliver Rudolph oder der leider bereits verstorbene Klaus Wennemann und andere. Herbert Grönemeyer wechselte in das Musikfach. Die Musik von Klaus Doldinger hat bis heute seinen Hymnencharakter behalten. Heute ist Petersen einer der erfolgreichsten Regisseure Hollywoods, hat sich zuletzt aber doch sehr dem bisweilen sehr klebrigen US-Patriotismus angebiedert, z.B. in Filmen wie Airforce One, wo der junge dynamische US-Präsident alleine das entführte gleichnamige Präsidenten-Flugzeug aus den Klauen schwer bewaffneter Terroristen befreit, die zudem zahlreiche Geiseln genommen haben.

Einen größeren Bezug zur Wirklichkeit hatte Petersen noch, als er 1978 seinem ersten Film fürs Kino "Schwarz und weiß wie Tage und Nächte" nach einem Buch des bekannten Autors Karl-Heinz Willschrei (18.März 1939 - 25.Mai 2003) drehte. Es ist die Geschichte einer Obsession eines Menschen, der sein ganzes Leben einem Spiel, dem Schachspiel gewidmet hat. Bruno Ganz, zu Zeit als Adolf Hitler in "Der Untergang" zu sehen, ist  Thomas Rosenmund. Im Alter von sieben Jahren hat er durch bloßes Zuschauen Schach gelernt (Capablanca lässt grüßen). Nach einem Nervenzusammenbruch schwor er, die Figuren nie mehr anzufassen (Hallo Schachnovelle). Er wird Mathematiker und Programmierer und entwickelt zum Zeitvertreib ein Schachprogramm, das jeden mittelmäßigen Spieler schlagen kann.  Rosenmund tritt mit seinem Programm gegen den Schachweltmeister Stefan Koruga an, der ihn aber durch einen Sieg in 17 Zügen demütigt. Nun trainiert Rosenmund wieder selbst. In einem Revanchekampf kann er den Weltmeister besiegen und Rache für die Niederlage seines Programms nehmen. Doch als Preis verliert er nach und nach seine Sozialkontakte und landet schließlich im Irrenhaus.

Während einige Motive der Handlung visionär wirken, muten andere recht lächerlich an. Die Idee, dass ein Mathematiker zum Zeitvertreib ein Schachprogramm entwickelt, das gegen den Weltmeister spielen kann, hat sich z.B. in der Vita von Amir Ban realisiert. Ban ist ein erfolgreicher IT-Manager, sein Programm Junior tatsächlich ein Freizeitprojekt. Gegen den Weltmeister haben Schachprogramme auch schon gespielt.

Schachspieler, die aufmerksam ihre Kollegen (und sich selber?) beobachten, werden in der Tat auch Tendenzen zur Desozialisierung bemerken, die eine Folge der zu intensiven Beschäftigung mit einer einzigen Sache, hier dem Schachspiel, sein mag. Oder ist es umgekehrt? Als erster Kurztest dafür, ob man den vollständigen Eintritt in die moderne menschliche Zivilisation geschafft hat, mag die Beantwortung folgender Fragen gelten: 1. Befindet sich in meiner Brieftasche ein Führerschein. 2. Habe ich mit mindestens einer weiteren Person eine Lebensgemeinschaft gegründet? Natürlich kann man noch über das Alter diskutieren, ab dem man mindestens eine, vielleicht sogar beide Fragen mit Ja beantworten sollte.

Völlig an der Realität vorbei geschrieben erscheint das Motiv des zum Wahnsinn neigenden Genies, das sich durch zu große Spezialisierung mehr und mehr der Wirklichkeit entzieht und schließlich tatsächlich irre wird. Es gibt wohl auch in der Schachszene einige extreme Persönlichkeiten, die unter zunehmenden Realitätsverlust mit krankhaften Erscheinungen litten oder leiden. Als der Film 1978 gedreht wurde, wurde das Bild des Schachspielers in der Öffentlichkeit in erheblichem Maße noch von dem Auftritt Fischers, zuletzt 1972, geprägt. Manche mögen auch an Morphy oder Pillsbury denken, wobei letzterer an den Folgen einer Syphilis zu Grunde ging. Doch das sind die absoluten Ausnahmen.

Recht absurd ist das Schlussmotiv der Geschichte, bei dem der unterlegene Programmierer nun selbst das Heft in die Hand nimmt und nach einigem Training den Weltmeister schlägt. Nach allem was man heute über die Entwicklung des Gehirns beim Menschen weiß, muss Schach, ähnlich wie musikalische Fähigkeiten, Bewegung und Sprache, im Kindesalter erlernt werden, um später damit richtig erfolgreich zu sein. Außerdem muss es ständig geübt werden. Die Idee des Films, ein Kind erlernt das Spiel, gibt es dann auf und kann zwanzig Jahre später nach etwas Training den Weltmeister schlagen, wirkt wenige wirklichkeitskonform.

Insgesamt ist der Film trotzdem eine interessante und geistreiche Auseinandersetzung mit dem Typus eines Schachspielers, für den die Weirklichkeit mehr und mehr nur noch auf dem Brett stattfindet. Petersen erhielt für "Schwarz und weiß wie Tage und Nächte" auf den Filmfestspielen von Paris seinerzeit den Preis für die beste Regie.

André Schulz

Links:

Über "Schwarz und weiß wie Tage und Nächte"...

Wolfgang Petersen, Biografie...

 

 


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