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In
Emden geboren hat Wolfgang Petersen in Hamburg und Berlin studiert und als
Regisseur zunächst für das Fernsehen gearbeitet. Sein bekanntestes Frühwerk von
1977 ist der Tatort "Reifezeugnis" mit der damals 15-jährigen Nastassja Kinski.
Der Film sorgte für Rekordeinschaltquoten. 1981 drehte Petersen den Film "Das
Boot", eine Verfilmung des autobiografischen Romans von Lothar Günther Buchheim,
und wurde damit weltbekannt. Die Jungdarsteller von damals sind heute die großen
Stars des deutschen Films, z.B. Jürgen Prochnow, Martin Semmelrogge, Heinz
Hoenig, Jan Fedder, Uwe Ochsenknecht, Oliver Strizel, Claude-Oliver Rudolph oder
der leider bereits verstorbene Klaus Wennemann und andere. Herbert Grönemeyer
wechselte in das Musikfach. Die Musik von Klaus Doldinger hat bis heute seinen
Hymnencharakter behalten. Heute ist Petersen einer der erfolgreichsten
Regisseure Hollywoods, hat sich zuletzt aber doch sehr dem bisweilen sehr
klebrigen US-Patriotismus angebiedert, z.B. in Filmen wie Airforce One, wo der
junge dynamische US-Präsident alleine das entführte gleichnamige
Präsidenten-Flugzeug aus den Klauen schwer bewaffneter Terroristen befreit, die
zudem zahlreiche Geiseln genommen haben.
Einen
größeren Bezug zur Wirklichkeit hatte Petersen noch, als er 1978 seinem ersten
Film fürs Kino "Schwarz und weiß wie Tage und Nächte" nach einem Buch des
bekannten Autors Karl-Heinz Willschrei (18.März 1939 - 25.Mai 2003) drehte. Es
ist die Geschichte einer Obsession eines Menschen, der sein ganzes Leben einem
Spiel, dem Schachspiel gewidmet hat. Bruno Ganz, zu Zeit als Adolf Hitler in
"Der Untergang" zu sehen, ist Thomas Rosenmund. Im Alter von sieben Jahren
hat er durch bloßes Zuschauen Schach gelernt (Capablanca lässt grüßen). Nach
einem Nervenzusammenbruch schwor er, die Figuren nie mehr anzufassen (Hallo
Schachnovelle). Er wird Mathematiker und Programmierer und entwickelt zum
Zeitvertreib ein Schachprogramm, das jeden mittelmäßigen Spieler schlagen kann.
Rosenmund tritt mit seinem Programm gegen den Schachweltmeister Stefan Koruga
an, der ihn aber durch einen Sieg in 17 Zügen demütigt. Nun trainiert Rosenmund
wieder selbst. In einem Revanchekampf kann er den Weltmeister besiegen und Rache
für die Niederlage seines Programms nehmen. Doch als Preis verliert er nach und
nach seine Sozialkontakte und landet schließlich im Irrenhaus.
Während einige Motive der Handlung visionär wirken, muten andere recht lächerlich an. Die Idee, dass ein Mathematiker zum Zeitvertreib ein Schachprogramm entwickelt, das gegen den Weltmeister spielen kann, hat sich z.B. in der Vita von Amir Ban realisiert. Ban ist ein erfolgreicher IT-Manager, sein Programm Junior tatsächlich ein Freizeitprojekt. Gegen den Weltmeister haben Schachprogramme auch schon gespielt.
Schachspieler,
die aufmerksam ihre Kollegen (und sich selber?) beobachten, werden in der Tat
auch Tendenzen zur Desozialisierung bemerken, die eine Folge der zu intensiven
Beschäftigung mit einer einzigen Sache, hier dem Schachspiel, sein mag. Oder ist
es umgekehrt? Als erster Kurztest dafür, ob man den vollständigen Eintritt in
die moderne menschliche Zivilisation geschafft hat, mag die Beantwortung
folgender Fragen gelten: 1. Befindet sich in meiner Brieftasche ein
Führerschein. 2. Habe ich mit mindestens einer weiteren Person eine
Lebensgemeinschaft gegründet? Natürlich kann man noch über das Alter
diskutieren, ab dem man mindestens eine, vielleicht sogar beide Fragen mit Ja
beantworten sollte.
Völlig an der Realität vorbei geschrieben erscheint das Motiv des zum Wahnsinn
neigenden Genies, das sich durch zu große Spezialisierung mehr und mehr der
Wirklichkeit entzieht und schließlich tatsächlich irre wird. Es gibt wohl auch
in der Schachszene einige extreme Persönlichkeiten, die unter zunehmenden
Realitätsverlust mit krankhaften Erscheinungen litten oder leiden. Als der Film
1978 gedreht wurde, wurde das Bild des Schachspielers in der Öffentlichkeit in
erheblichem Maße noch von dem Auftritt Fischers, zuletzt 1972, geprägt. Manche
mögen auch an Morphy oder Pillsbury denken, wobei letzterer an den Folgen einer
Syphilis zu Grunde ging. Doch das sind die absoluten Ausnahmen.
Recht absurd ist das Schlussmotiv der Geschichte, bei dem der unterlegene
Programmierer nun selbst das Heft in die Hand nimmt und nach einigem Training
den Weltmeister schlägt. Nach allem was man heute über die Entwicklung des
Gehirns beim Menschen weiß, muss Schach, ähnlich wie musikalische Fähigkeiten,
Bewegung und Sprache, im Kindesalter erlernt werden, um später damit richtig
erfolgreich zu sein. Außerdem muss es ständig geübt werden. Die Idee des Films,
ein Kind erlernt das Spiel, gibt es dann auf und kann zwanzig Jahre später nach
etwas Training den Weltmeister schlagen, wirkt wenige wirklichkeitskonform.
Insgesamt ist der Film trotzdem eine interessante und geistreiche
Auseinandersetzung mit dem Typus eines Schachspielers, für den die Weirklichkeit
mehr und mehr nur noch auf dem Brett stattfindet. Petersen erhielt für "Schwarz
und weiß wie Tage und Nächte" auf den Filmfestspielen von Paris seinerzeit den
Preis für die beste Regie.
Links:
Über "Schwarz und weiß wie Tage und Nächte"...
Wolfgang Petersen, Biografie...