Andrew Paulson gestorben

von André Schulz
20.07.2017 – Andrew Paulson, Künstler, Fotograf und erfolgreicher Unternehmer in der russischen Medienbranche, trat 2012 mit neuen Ideen in die Schachwelt ein. Er gründete die Firma AGON und kaufte von der FIDE für 500.000 Euro die Rechte an der Weltmeisterschaft. Am Dienstag verstarb Andrew Paulson im Alter von 59 Jahren.

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Andrew Paulson (13.11.1958-18.7.2017) war der Sohn des in den USA sehr angesehen Professors Ronald Paulson. Nach der Schulzeit betätigte er sich zu Beginn seiner Studienzeit in der Forschung auf den Gebieten der Onkologie und Neurophysiologie am Johns Hopkins Hospital, der Yale Universität und am Woods Hole Ozeanographischen Institut. Nebenbei gestaltete er schon das Klassikprogramm für den privaten Radiosender WYBC und gründete zudem die New Theater Company, für die er eine Reihe von Stücken produzierte und inszenierte.

Sein Universitätsabschluss machte Andrew Paulson 1981 in Französischer Literatur an der Yale Universität. Im Anschluss schrieb er sich eine Zeit lang an der Yale Theaterschule ein. Von 1982 bis 1986 lebte Paulson in Berlin und Paris und versuchte sich als Romancier. Dann begann er sich für Fotografie zu interessieren und gründete in Paris mit einem Freund eine Fotogalerie und ein Design-Studio. Zeitweise lebte Paulson dann auch in London und Mailand. 1993 wurde er für eine Fotoreportage nach Russland eingeladen, blieb dort und beteiligte sich dort an verschiedenen Magazinen und Publikationen.

Nach der russischen Finanzkrise 1998 gründete Paulson zusammen mit Anton Kudryashov und Ilya Tsentsipe das Trendmagazin Afisha, das besonders in Moskau und St. Petersburg sehr erfolgreich war. 2002 begann der Afisha-Verlag außerdem mit der Publikation einer Sonntagsbeilage für Tageszeitungen namens Bolshoi Gorod, 2003 folge die Publikation des Reisemagazins MIR. Der Afisha-Verlag als politisch unabhängiges Verlagshaus wurde in dieser Zeit zum Vorbild für viele junge russische Journalisten. 2006 gründete Paulson dann zusammen mit Alexander Mamut die Online-Medienfirma SUP Media, die mit Angeboten im Bereich soziale Medien und Nachrichten als eine Art russisches Facebook ins Internet ging. 2009 erwarb der Komersant-Verlag Anteile an der  SUP Media.

2011 traf Paulson mit Kirsan Ilyumzhinov zusammen und trug diesem viele Ideen für eine bessere Vermarktung der Schachweltmeisterschaften vor. Auf Vorschlag von Ilyumzhinov gründete Paulson die Forma AGON und entwarf eine Weltmeisterschafts-Qualifikationsserie, die mit den besten Spielern der Welt Turniere in den europäischen Metropolen austragen sollten. Zu diesem Zweck erwarb AGON von der FIDE die Vermarktungsrechte der Weltmeisterschaften für 500.000 Dollar und kündigte einen Grand Prix-Zirkel mit Turnieren in London, Lissabon, Madrid, Paris, Berlin und Istanbul an, die mit Hilfe des Internets auf moderne Weise präsentiert werden sollten. Paulson hoffte damit eine ähnlich große öffentliche Aufmerksamkeit zu erreichen, wie es ein paar Jahre zuvor mit Pokerturnieren gelungen war. Von den anvisierten Gastgeberstädten konnte dann aber nur London als Austragungsort eines Turniers realisiert werden.

Das Kandidatenturnier in London 2013, ursprünglich für Ende 2012 geplant, war das erste Turnier der neuen AGON-Ära. 2013 wurde Paulson zum Präsidenten des Englischen Schachverbandes gewählt und es wurde vermutet, dass er auch Ambitionen als Präsident der FIDE hatte. Allerdings kam es nie zu einer Kandidatur. 

2014 verkaufte Paulson seine Firma Agon für einen symbolischen Betrag an Ilya Merenzon und trat auch als Präsident des Englischen Schachverbandes zurück.

Andre Paulson starb am 18. Juli 2017 an Lungenkrebs.

Einen Nachruf auf Chess-news.ru geben wir hier als Nachdruck wieder:

Andrew Paulsson im Alter von 59 Jahren verstorben.

Im Alter von 59 Jahren verstarb Andrew Paulsson. Der Schachwelt bleibt er in Erinnerung als der Mann, der „Agon“ leitete – ein Unternehmen, dem die FIDE die Übertragungsrechte für die wichtigsten Schachevents einräumte (so lautet die offizielle Version, nach der inoffiziellen war er dort lediglich ein Mitarbeiter). Eine Zeitlang amtierte er auch als Präsident des englischen Schachverbands.

Im März 2012 veröffentlichte Chess-News als erstes Schachportal ein Interview mit Paulsson. Der Geschäftsmann, dessen Name damals gerade in den Schachnachrichten erschienen war, betonte, dass er sich nicht für Politik interessiere, und dass er lediglich auf das Angebot der FIDE reagiere. „Ich bin ein einfacher Mann, der 15 Jahre in Russland gelebt hat, gearbeitet hat, ich habe keine Feinde …“

Vor kurzem übernahm Ilya Merenzon – der Mann, der „Agon“ für ein Pfund kaufte – die Leitung des Unternehmens, während Andrew Paulsson allmählich aus der Schachszene verschwand. Gelegentlich erschien er bei Feierlichkeiten oder gesellschaftlichen Empfängen. So wie 2014 in Tromsø, wo er Surab Asmaiparaschwili bei seiner ECU-Präsidentschaftswahl sowie Kirsan Iljumschinow bei seiner Wiederwahl unterstützte.
Der Rest der Welt wird Andrew Paulsson als den amerikanische Unternehmer in Erinnerung behalten, der das Verlagshaus „Afischa“ sowie das Unternehmen SUP in Russland mitgründete.
Die Todesursache war Krebs.

Quelle: http://chess-news.ru/node/23460

Foto: FIDE


  


André Schulz, seit 1991 bei ChessBase, ist seit 1997 der Redakteur der deutschsprachigen ChessBase Schachnachrichten-Seite.

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