Bericht vom Bundeskongress des Deutschen Schachbundes

von Niklas Rickmann
30.05.2017 – Der Bundeskongress des Deutschen Schachbundes am letzten Samstag schlug hohe Wellen, besonders wegen der Kampfabstimmung für das Amt des Präsidenten zwischen Herbert Bastian und Ullrich Krause. Der bisherige Präsident des Schachverbandes von Schleswig-Holstein gewann die Wahl und ist nun neuer DSB-Präsident. Es gab aber auch viele andere Tagesordnungspunkte. Nick Rickmann berichtet von einem ereignisreichen Tag.

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Bericht über den DSB Kongress am 27.05.2017 in Linstow (Mecklenburg-Vorpommern)

Am Himmelfahrtwochenende fand traditionsgemäß der ordentliche Bundeskongress des Deutschen Schachbundes nach 2000 in Rostock zum zweiten Mal in Mecklenburg-Vorpommern statt. Das Van der Valk Ressort Linstow bot den Teilnehmerinnen und Teilnehmern schöne Rahmenbedingungen und ideale Wetterbedingungen. Bei fast 30 Grad Celsius im Schatten begann der Kongress am Samstag Vormittag fast pünktlich. Mecklenburg-Vorpommern war mit drei stimmberechtigten Delegierten (Christian Lüth, Robert Jänsch und Niklas Rickmann) sowie zwei Gästen (Bernd Segebarth und Michael Ehlers) sehr gut vertreten. Zuerst wurden traditionsgemäß Ehrungen von verdienstvollen Schachfreundinnen und Schachfreunden vorgenommen. So wurden die Schachfreunde Christian Zickelbein und Klaus Gohde zu neuen Ehrenmitgliedern des Deutschen Schachbundes gewählt.

Herbert Bastian ehrt Christian Zickelbein

Für ihre sportliche Leistung wurde Diana Skibbe (Präsidentin von Thüringen) ausgezeichnet und der Vorsitzende des Bremer Schachbundes, Dr. Oliver Höpfner, bekam für seine 10 jährige Landesverbandstätigkeit die silberne Ehrennadel des Deutschen Schachbundes verliehen. Verlesen wurden auch die noch vorzunehmenden Ehrungen von Schiedsrichtern. Diese Form der Auszeichnung ist seit der Veränderung der Ehrenordnung nun endlich möglich und wurde durch das Präsidium auch gleich genutzt.

Nachdem die verschiedenen Auszeichnungen vorgenommen worden sind, wurde der Tagesordnungspunkt Rechenschaftsberichte aufgerufen. Bis auf einige wenige Ausnahmen verlief die Aussprache zu den schriftlichen und mündlichen Berichten sehr sachlich und unaufgeregt. Im Vorfeld waren hierzu andere Signale vorausgegangen.

Der Kassen und Revisionsbericht nahm dagegen deutlich mehr Zeit in Anspruch. Wie schon in den Vorjahren gab es deutliche Kritikpunkte der Kassenprüfer hinsichtlich der Barkasse zur DJEM der Deutschen Schachjugend.

Der Bundeskongress des Schachbundes

Die Verträge der Schachjugend

Im Anschluss der ausführlichen Debatte kam es dann zum ersten wichtigen inhaltlichen Punkt des Kongresses. Hier folgten nach dem Kassen- und Revisionsbericht die satzungsändernden Anträge. Besonders der Antrag des Bayrischen Schachbundes sorgte für eine lebhafte Diskussion. Gegenstand des Antrages war die Zeichnungsberechtigung für Verträge, die die Deutsche Schachjugend aushandelt und unterschreibt. Im Vorfeld des Antrages gab es Unklarheiten darüber, ob die Deutsche Schachjugend Verträge ohne Zustimmung des Präsidiums des Deutschen Schachbundes unterzeichnen darf und ob es eine Haftung von Regressansprüchen des DSB geben könne. Nach einer ausführlichen Expertise des Bundesrechtsberaters zum Sachverhalt stellte man fest, dass die Deutsche Schachjugend als nicht eingetragener Verein Verträge für den eigenen Aufgabenbereich schließen kann, ohne dass es einer Zustimmung oder Gegenzeichnung des DSB Präsidiums bedarf. Eine mögliche Haftung des DSB für DSJ Verträge liegt dementsprechend nicht vor. Die handelnden DSJ Vertreter würden im Falle eines Regresses persönlich haften. Nachdem nun diese Ausführungen vom Bundesrechtberater vorgestellt wurden, zog der Bayrische Schachbund den Antrag zurück. Hilfreich war dennoch die Diskussion, da es endlich eine Klarstellung des geschilderten Problems gegeben hat und die unzähligen Bedenken größtenteils abgeräumt werden konnten. Letztendlich verhalf dieser Antrag indirekt zur Klärung des Innenverhältnisses zwischen Deutschem Schachbund und Deutscher Schachjugend. Im Gegensatz zum oben geschilderten Punkt waren die weiteren satzungsändernden Anträge unspektakulär und schnell abgehandelt. Die Entlastung des Präsidiums konnte erfolgreich En Bloc zügig erledigt werden.

Die Wahlen

Es folgte nun der nächste Höhepunkt des Kongresses, die Wahlen. Schon im Vorfeld des Kongresses war klar, dass es mindestens zwei Kandidaten für das Amt des Präsidenten geben wird. Trotzdem schwelte am Freitag schon ein dritter Name für einen möglichen zweiten Wahlgang umher. Herbert Bastian, der amtierende Präsident seit dem Bundeskongress 2011 in Bonn und der Präsident des Landesschachverbandes Schleswig-Holstein, Ullrich Krause, standen auf der Wahlliste im ersten Wahlgang. Nachdem nach mehreren Minuten endlich geklärt werden konnte, was alles als gültige Stimme anerkannt wird, erfolgte der erste Wahlgang, geleitet durch den Ehrenpräsidenten Alfred Schlya.

Nach Auszählung aller Stimmen wurde folgendes Ergebnis verkündet: Herbert Bastian vereinigte 71 Stimmen, Ullrich Krause 99. dazu kamen noch 42 Nein-Stimmen. Damit erreichte keiner der beiden Kandidaten die erforderliche Mehrheit. Das Ergebnis war schon im Vorfeld als ziemlich spannend und knapp vermutet worden. Überraschend waren die hohe Anzahl der Nein-Stimmen. Es kam somit fast zu einer Dreiteilung des Bundeskongresses. Sofort machte sich große Unruhe in den Reihen der Delegierten breit und viele Gespräche wurden geführt. Mehrere Namen kreisten nun herum. Aus Bayern kam dann der Vorschlag, Horst Metzing (Ehrenmitglied und ehemaliger Geschäftsführer des Deutschen Schachbundes) als Präsidenten zu wählen. Es war wahrscheinlich der Versuch, einen Kompromisskandidaten aufzustellen, der aus allen Lagern Stimmen ziehen kann.

Der erste Wahlgang war ein Ausdruck des inneren Zustandes des Deutschen Schachbundes. Teilweise unversöhnliche Positionen waren erkennbar. An erster Stelle wählt man nicht nur einen Präsidenten aufgrund seiner Rhetorik und Persönlichkeit, sondern auch wegen seiner inhaltlichen Ideen für das Deutsche Schach. Manchmal hatte man den Eindruck, es ginge auch um persönliche Auseinandersetzungen der Vergangenheit.
Horst Metzing verzichtete nach kurzem Innehalten auf eine Kandidatur. Ebenso verzichtete Herbert Bastian auf eine Teilnahme im zweiten Wahlgang. Aus meiner Sicht ist es schade, dass Herbert Bastian sich einem zweiten Wahlgang nicht gestellt hat. Die Enttäuschung im ersten Wahlgang nicht genügend Stimmen auf sich zu vereinigen, ist menschlich und absolut nachvollziehbar.

Der Zweite Wahlgang war dann wie erwartet, erfolgreich für Ullrich Krause. Mit 118 Ja-Stimmen, 87 Nein-Stimmen und 13 Enthaltungen (bei 218 abgegebenen Stimmen) wurde der neue Präsident des Deutschen Schachbundes gewählt. Wie Horst Metzing während seines Verzichtes auf die Kandidatur sagte, verdient der Kandidat eine faire Chance. Auch wenn ich mir persönlich eine Wiederwahl von Herbert Bastian gewünscht hatte und auch mein Kreuz im ersten Wahlgang so gesetzt habe, ist es doch klar, dass ohne weitere Alternative im zweiten Wahlgang, der Deutsche Schachbund einen Wahlmarathon nicht verdient hat. Daher meinen herzlichen Glückwunsch an Ullrich Krause und viel Erfolg für die kommenden zwei Jahre im Amt.

Dank an Herbert Bastian

Herbert Bastian ist an dieser Stelle noch einmal ganz herzlich für seinen großen Einsatz für das Deutsche Schach zu danken. Die Energie, Zeit und Kraft, die er für das Deutsche Schach investiert hat, verdient großen Respekt und Anerkennung. Vielleicht wird erst mit ein wenig Abstand die Leistung des Präsidenten Bastians von allen Beteiligten objektiv bewertet werden können und dadurch die Erkenntnis reifen, dass eine Ehrenpräsidentschaft dringend auf den Weg gebracht werden muss. Ideenlosigkeit oder mangelnde Präsenz waren nicht die Eigenschaften des alten Präsidenten. Bewundert habe ich immer die sehr große Leidenschaft und die täglichen Opfer, die er für das Deutsche Schach seit Jahrzehnten gebracht hat. Herbert Bastian war mit Sicherheit kein schwacher Präsident. Seine Führungsqualitäten fanden in den letzten drei Jahren viele Kritiker aber auch Befürworter. Seine sehr gute Vernetzung in nationalen und internationalen Spitzenspielerkreisen hat dem Deutschen Schach sehr gut getan. Wer viele Ideen hat und das maximale für das Deutsche Schach erreichen will, der „hobelt“ dauerhaft und produziert dadurch auch mehr Späne. Der Schachbund ist wie eine große Dauerbaustelle, die nie fertig werden kann. Und jeder seiner Präsidenten wird nicht alle Themen richtig besetzen bzw. alle Anforderungen erfüllen können. Am Ende des Tages hat ein demokratischer Prozess für die Beendigung der Ära Bastian gesorgt. Ob man es gutfindet oder nicht, es ist nun einmal ein Ergebnis, welches nach zwei Jahren durch den Bundeskongress mittels der Rechenschaftslegung und Wahlen auf dem demokratischen Prüfstand stehen wird. Das neue Präsidium braucht Vertrauen und die Chance, sich zu beweisen.

Nachdem sich die Gemüter wieder beruhigt hatten, standen die weiteren Wahlen auf der Tagesordnung. Zum Vizepräsidenten Finanzen und stellvertretenden Präsidenten wurde der Schachfreund Ralf Chadt-Rausch einstimmig gewählt. Das Ergebnis beruht auf die sehr erfolgreiche und sachliche Arbeit im Finanzwesen des Deutschen Schachbundes. Walter Rädler als neues Gesicht wurde zum Vizepräsidenten Verbandsarbeit, Klaus Deventer erneut zum Vizepräsidenten Sport gewählt. Mit Malte Ibs (Vorsitzender der Deutschen Schachjugend), der nicht zur Wahl stand, wurde das neue Präsidium nun komplettiert. Uwe Pfennig, bisheriger Vizepräsident, kandidierte nicht mehr für das Amt. Auch ihm gilt der Dank und die Anerkennung für die geleistete Arbeit.

Louisa Nitsche mit der Wahlurne

Die weiteren Wahlen beschäftigten sich dann mit den Referenten und Funktionsträgern des Deutschen Schachbundes. Bis auf wenige Ausnahmen gab es kaum Gegenkandidaturen. Die meisten bisherigen Amtsinhaber wurden mit deutlichen Mehrheiten wiedergewählt. Aus Sicht des Landesverbandes Mecklenburg-Vorpommern ist es sehr erfreulich, dass unser Schatzmeister Robert Jänsch zum Kassenprüfer mit großer Mehrheit gewählt wurde. Herzlichen Glückwunsch!

Diskussion über die Einzelmeisterschaft aufgeschoben

Nach Abschluss der Wahlen, standen verschiedene Anträge zur Beratung auf der Tagesordnung. Leider wurde einer der wichtigsten Anträge zur Neugestaltung der Deutschen Einzelmeisterschaft nicht diskutiert bzw. mehr ausführlich beraten. Das lag ausschließlich an der fortgeschrittenen Zeit (20 Uhr war schon lange passee). Trotzdem hätte es dem Kongress gut getan, dass neben Personalfragen und der DSB-DSJ Diskussion auch über konkrete Themen wie die Zukunft der DEM im Kongress seinen würdigen Platz gefunden hätte. Ich glaube behaupten zu können, dass viele Themen für unsere organisierten Schachspieler eher uninteressant gewesen wären. Manchmal wären sie vielleicht auch schreiend herausgelaufen.

Das gilt es in Zukunft zu verbessern. Es müssen auf Bundeskongressen wieder mehr für die Mitglieder wichtige Themen Eingang in die inhaltliche Auseinandersetzung finden. Das Thema Schulschach, welches sehr bedeutsam für die Nachwuchs- und Bildungsarbeit des Deutschen Schachs ist, sollte dabei nicht das zentralste sein, sondern hat in der Vergangenheit eher immer zur Deutschen Schachjugend gehört. Für den normalen erwachsenen Spieler sind oft andere Probleme oder Themen ein kleines bisschen wichtiger, wie z.B. Leistungsschach, Deutsche Einzelmeisterschaften, Gebühren bzw. Umgang mit Mitgliedsbeiträgen und die Vereinsunterstützung sowie der Ausbildungsbereich.

Um kurz vor 23 Uhr wurde Bundeskongress durch den neuen Präsidenten mit einem kleinen Schlusswort beendet. Fast sah es danach aus, dass der Sitzungszeitmarathon von Zeulenroda in 2009 geknackt werden könnte. Dieses war vielleicht zum Glück nicht der Fall. Das lag aber vor allem auch an der hervorragenden Sitzungsleitung durch Andreas Jagodzinsky.

Zusammenfassend kann man sagen, dass der Deutsche Schachbund sich wieder viel zu oft mit sich selbst beschäftigt hat und interessante Aspekte eher unter den Tisch gefallen sind. Ich hatte vor dem Kongress zwei Wünsche, welche ich bei der Begrüßung als Ausrichter auch im Auditorium formuliert hatte:

1. schönes Wetter und ein würdiger Rahmen während der Sitzungstage und

2. Der Kongress in Linstow möge das Deutsche Schach erheblich mit seinen Diskussionen und Beschlüssen nach vorne bringen.

Der erste Wunsch ist mittels strahlendem Sonnenschein und mit 30 Grad Celsius in Erfüllung gegangen. Ob der zweite Wunsch in Erfüllung geht überlasse ich gerne dem Leser und den Begleitern des Deutschen Schachs.


Stralsund, den 30.05.2017

Fotos: Frank Hoppe, Schachbund
  


Niklas Rickmann war zehn Jahre lang Präsident des Schachverbandes von Mecklenburg-Vorpommern und zeitweise Vizepräsident des Deutschen Schachbundes.

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