Berlin: Carlsen in Führung

von André Schulz
11.10.2015 – Mit der Bolle-Meierei hat Agon für die Schnellschach- und Blitzweltmeisterschaften einen schönen Austragungsort mitten in Berlin gefunden. Man rechnete mit vielen Zuschauern, vielleicht 150. Aber sehr viel mehr strömten zur Schach-WM. Nach zwei Tagen und zehn Runden liegt Magnus Carlsen in Führung, teilt sich die Führung aber mit Sergei Zhigalko. Mehr...

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Ein Grund für Agon und die FIDE, die Blitz- und Schnellschach-WM nach Berlin zu vergeben war das große Interesse, das in und aus Deutschland der letzten Schach-Weltmeisterschaft in Sotschi entgegen gebracht wurde. Es gab immense Zugriffszahlen aus Deutschland im Internet und eine intensive Berichterstattung nicht nur von den Fachseiten und Fachmedien, sondern auch von der Allgemeinen Presse, die sich intensiv um den Wettkampf Carlsen-Anand und auch auf ihren Seiten mit großen Zugriffszahlen belohnt wurden. Schach gelangte dort sogar mehrfach auf die Topplätze der Frontseiten.

Im Gegensatz dazu ist das Zuschauerinteresse vor Ort meist eher mau. In Indien war das beim ersten Match zwischen Anand und Carlsen zwar auch anders, aber wenn man die Zuschauer pro Runde zum Bespiel beim World Cup in Baku zählen möchte, dann reichen bisweilen die Finger einer Hand. In Khanty Mansiysk und selbst in St. Louis, auch wenn Carlsen dort spielt, ist das nicht anders.

Mit einer WM in Berlin konnte man sich Hoffnungen auf mehr Zuschauer machen. Als Veranstaltungsort hatten die Organisatoren von Agon die Bolle-Meierei gefunden und ausgewählt. Von hier aus wurde einst ganz Berlin mit Milchprodukten versorgt, nun dient das alte Fabrikgebäude als Veranstaltungssaal.

Die Bolle-Meierei

Die Bretter werden aufgebaut

Viel Platz und viele Stars in der Bolle-Meierei

Der Festsaal der Bolle-Meierei ist mit seinem alten Mauerwerk und hoher Decke nicht nur kultig, sondern auch geradezu ideal für ein großes Schachturnier. 200 Spieler waren maximal vorgesehen. Am Ende nahmen ein paar weniger teil, 158, und fanden hier ausreichend Platz und Luft zum Atmen. Neben dem großen Saal befindet sich ein zweiter großer Raum, der als Zuschauersaal für Live-Kommentare genutzt wurde.

Hier wurde live kommentiert. Hinten Jan Gustafsson und Peter Svidler

Im Spielsaal wurden die Spieltische auf zwei Flügel verteilt, in der Mitte gab es einen breiten Gang für die Zuschauer. Alles ideal, eigentlich, auch die Lage. Die Bolle-Meierei befindet im Stadtteil Moabit, unweit des Hauptbahnhofes.

Berlins Hauptbahnhof

Am selben Tag fand in Berlin eine riesige Demo gegen TTIP-Abkommen statt mit mehreren Zehntausend Menschen

An der Verbindungsstraße Alt-Moabit liegt auch die berühmt-berüchtigte Justizvollzugsanstalt Moabit, 1877-81 errichtet, mit zahlreichen prominenten Häftlingen im Laufe seiner Geschichte, zum Beispiel Ernst Thälmann, Karl Liebknecht, Wolfgang Borchert, Fritz Teufel, Andreas Baader, Erich Honecker und Erich Mielke.

Wer auf sich hielt, saß hier ein. Gefängnis Moabit

Kurz danach schließt sich der Kleine Tiergarten an, im 17. Jahrhundert von Kurfürst Friedrich Wilhelm in einem Jagdgelände als Park eingerichtet. In südlicher Richtung trifft man bald auf die Spree und den Spreebogen.

Die alte Schultheiss-Brauerei in Moabit

Der Kleine Tiergarten

Spreebogen

Vor der ersten Runde lud der Deutsche Schachbund zu einem Pressefrühstück. Der kürzlich wiedergewählte Präsident Herbert Bastian hatte seinen neuen Öffentlichkeitsreferenten Frank Neumann und die beiden Nationalspieler Filiz Osmanodja und Georg Meier mitgebracht und freute sich natürlich über die Vergabe der WM nach Berlin, wies aber auch auf die Größe des Deutschen Schachbundes hin.

Frank Neumann, Filiz Osmanodja, Herbert Bastian, Georg Meier

Georg Meier, Student der Ökonomie, derzeit in Stockholm zuhause.

Filiz Osmanodja studiert Medizin

Einige Zeit lang stand der DSB in Opposition zur derzeitigen FIDE-Führung, im letzten Jahr hat man aber alle Unstimmigkeiten beseitigt und Bastian wurde sogar zum FIDE-Vizepräsidenten gewählt. Auch die Zerwürfnisse im Präsidium des Deutschen Schachbundes sind Vergangenheit. Inzwischen gibt es ein neues Präsidium und man zieht an einem Strang. Bastian wies auch daraufhin, das die WM in Berlin die höchste Dichte an Großmeistern aufweist, die jemals an einem Ort ein Turnier gespielt haben.

Ilya Merenzon, Klaus Deventer und Geoffrey Borg

Im Anschluss wurden die Spieler von der Turnierleitung - Ilya Merenzon, Klaus Deventer und Geoffrey Borg - zum Technical Meeting gebeten. Dort wurden die Regel erklärt für die beiden Weltmeisterschaften erklärt.  Besonders auf den pünktlichen Beginn der Runde legte man Wert. Wer zu spät erschiene, würde genullt werden.

Levon Aronian war lange in Berlin zuhause

Worldcup-Held Pavel Eljanov und Andrei Volokitin

Evgeny Alekseev

Ernesto Inarkiev und Vladimir Kramnik

Boris Gelfand

Viktor Bologan und Maxim Dlugy

Loek van Wely und

Gattin Loreena spielen auch mit

Michael Richter wurde vor nicht allzu langer Zeit auch Großmeister

Magnus Carlsen, hier mit Espen Agdestein, hört auch auch alles aufmerksam an. Man weiß ja nie.

Für den ersten Zug des Turniers hatte die FIDE ihren Ehrenpräsidenten Fridrik Olafsson eingeladen. Der Großmeister ist der letzte noch lebende Vorgänger von Amtinhaber Kirsan Ilyumzhinov.

Kurz vor dem Start: Berik Balgabav, re.

Kirsan Ilyumzhinov gibt den Norwegern ein Interview

Letzte Gespräche vor der Runde: Teimour Radjabov und Rustam Kasimdzhanov

Ilya Merenzon macht noch einige Ansagen

Kirsan Ilyumzhinov und Herbert Bastian beim Abspielen der Nationalhymnen

Die Spieler

Fridrik Olafsson

Der frühere FIDE-Präsident macht den ersten Zug

Soweit, so gut. Dann wurden die Veranstalten jedoch geradezu von einer Zuschauerwelle überrascht. Mit etwa 150 Zuschauern hatte man gerechnet, doch es kamen an die 700, vielleicht mehr.

Großes Interesse an den Schachstars in Berlin. Die gleiche Anzahl von Zuschauern wartet noch auf Einlass.

Es konnten gar nicht alle gleichzeitig in den Spielsaal gelassen werden, was für Unmut sorgt. Auch die Liveübertragung auf den Webseiten lief wohl nur mit Schwierigkeiten - vermutlich zuviel Last durch zu viele Zugriffe. Doch was soll's. Kommen zu wenig Zuschauer, wird geklagt, kommen zu viele, kann man nicht auch klagen. Agon und FIDE wollten Schach dorthin, wo die Schachfreunde sind, und das haben sie geschafft.

Wenn man das wiederholen möchte, was ja wünschenswert wäre, müsste man vielleicht für die Zuschauer vor Ort noch einen besseren Service anbieten. Im Spielsaal konnte man wegen der großen Menge von Schachfreunden die Partien kaum verfolgen, im Kommentatorraum aber auch nicht, denn dort wurde nur eine einzige der 80 Partien kommentiert und gezeigt.

Magnus Carlsen an Tisch eins

Alexander Grischuk

Levon Aronian und Alexander Huzman

Peter Svidler, re.

Teimour Radjabov

Michael Bezold, li.

Filiz Osmanodja in guter Umgebung, re. Simen Agdestein

Martin Breutigam hält mit 4,5 aus 10 gut mit, hier gegen Krishnan Sasikiran

Magnus Carlsen begann als Titelverteidiger das Turnier am ersten Tag mit einem Remis und ließ drei Siege folgen. Zum Schluss gab es noch ein Remis. Sergey Karjakin war mit vier Siegen und einem Remis am besten am ersten Tag. Carlsen hielt sein Tempo auch am zweiten Tag durch, also drei Siege und zwei Remis, während Karjakin unter anderem zwei Niederlagen kassierte. Carlsen ist nun da, wo er sein möchte, an der Spitze des Feldes, teilt sich aber den ersten Platz mit Sergei Zhigalko.

Von den 26 deutschen Spielern liegt Georg Meier mit 5,5 Punkten auf Platz 54 am besten. Gleich hinter ihm folgt Levon Aronian mit gleicher Punktzahl.

 

Ein paar taktische Highlights des zweiten Tages:

 

Aronian-Kovalenko

 

 

Guseinov-Karjakin

 

 

Carlsen-Dubov

 

 

Mamedyarov-Kryvoruchko

 

 

 

Stand nach zehn  Runden

Rg. Snr   Name Land Elo Pkt.  Wtg1   Wtg2   Wtg3  Rp
1 1 GM Carlsen Magnus NOR 2847 8,0 2696 55,0 0,0 2912
2 34 GM Zhigalko Sergei BLR 2698 8,0 2674 53,0 0,0 2900
3 39 GM Kovalenko Igor LAT 2687 7,5 2676 53,0 0,0 2854
4 7 GM Kramnik Vladimir RUS 2798 7,5 2665 53,5 0,0 2850
5 3 GM Ivanchuk Vassily UKR 2835 7,5 2655 52,5 0,0 2836
6 92 GM Khismatullin Denis RUS 2574 7,0 2755 53,0 0,0 2861
7 36 GM Kryvoruchko Yuriy UKR 2694 7,0 2740 62,5 0,0 2867
8 8 GM Nepomniachtchi Ian RUS 2789 7,0 2697 57,0 0,0 2830
9 50 GM Mamedov Rauf AZE 2667 7,0 2693 50,5 0,0 2822
10 89 GM Bocharov Dmitry RUS 2577 7,0 2689 54,5 0,0 2814
11 16 GM Radjabov Teimour AZE 2741 7,0 2680 55,5 0,0 2817
12 12 GM Gelfand Boris ISR 2751 7,0 2658 59,0 0,0 2799
13 9 GM Mamedyarov Shakhriyar AZE 2784 7,0 2638 58,5 0,0 2777
14 13 GM Dominguez Perez Leinier CUB 2749 7,0 2636 50,0 0,0 2775
15 53 GM Malakhov Vladimir RUS 2662 6,5 2753 59,0 0,0 2835
16 71 GM Kasimdzhanov Rustam UZB 2619 6,5 2745 52,5 0,0 2814
17 49 GM Dubov Daniil RUS 2667 6,5 2728 53,5 0,0 2815
18 5 GM Karjakin Sergey RUS 2805 6,5 2699 57,0 0,0 2797
19 38 GM Onischuk Vladimir UKR 2692 6,5 2692 52,0 0,0 2785
20 54 GM Onischuk Alexander USA 2662 6,5 2685 55,5 0,0 2773
21 73 GM Perunovic Milos SRB 2617 6,5 2674 50,5 0,0 2747
22 27 GM Wojtaszek Radoslaw POL 2711 6,5 2655 53,5 0,0 2753
23 11 GM Vachier-Lagrave Maxime FRA 2756 6,5 2651 51,5 0,0 2754
24 20 GM Tomashevsky Evgeny RUS 2731 6,5 2649 54,5 0,0 2748
25 24 GM Riazantsev Alexander RUS 2716 6,5 2636 50,5 0,0 2737
26 18 GM Bacrot Etienne FRA 2733 6,5 2624 54,0 0,0 2725
27 19 GM Inarkiev Ernesto RUS 2733 6,5 2621 52,5 0,0 2724
28 35 GM Savchenko Boris RUS 2696 6,5 2600 49,0 0,0 2700

... 158 Spieler

 

Partien der ersten beiden Tage

 

 

Zeitplan


09.10.2015 19:00 Uhr Eröffnungsveranstaltung
10.10.2015 14:00 Uhr Schnellschach-WM Runden 1 - 5
11.10.2015 14:00 Uhr Schnellschach-WM Runden 6 - 10
12.10.2015 14:00 Uhr Schnellschach-WM Runden 11 - 15
13.10.2015 14:00 Uhr Blitzschach-WM Runden 1 - 11
14.10.2015 14:00 Uhr Blitzschach-WM Runden 12 - 21
14.10.2015 19:30 Uhr Abschlussveranstaltung

 

Links

Agon Turnierseite...

Ergebnisse bei Chess-results...

Behind the Scenes (Instagram)...

Rules and Regulations...

Mehr beim Deutschen Schachbund...

Bolle Meierei...


André Schulz, seit 1991 bei ChessBase, ist seit 1997 der Redakteur der deutschsprachigen ChessBase Schachnachrichten-Seite.

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