Beste Schachunterhaltung

von André Schulz
27.12.2013 – Kurz vor Weihnachten gab es in den Räumen der Hamburger ChessBase Zentrale die traditionelle Weihnachtsfeier, diesmal mit einem ganz besonderen Showteil. Helmut Pfleger und Vlastimil Hort erinnerten an vergangene gemeinsame TV-Zeiten. Die beiden Großmeister kommentierten eine Schachpartie, zusammen mit Melanie Ohme, die im Schnellschach gegen den früheren WM-Kandidaten antrat. Mehr...

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ChessBase ist die persönliche Schach-Datenbank, die weltweit zum Standard geworden ist. Und zwar für alle, die Spaß am Schach haben und auch in Zukunft erfolgreich mitspielen wollen. Das gilt für den Weltmeister ebenso wie für den Vereinsspieler oder den Schachfreund von nebenan

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Ohne Zweifel hat die Erfindung des Internets dem Schach sehr geholfen. Alle großen Schachturnier kann man heute "live" verfolgen, das heißt die Züge der laufenden Partien bei großen, aber auch weniger großen Partien werden auf verschiedenen Webseiten und Portalen zeitgleich gezeigt. Inzwischen bekommt man bei einigen Turnieren auch einen Videostream angeboten, so dass die Zuschauer nicht nur über den Verlauf der Partie informiert werden, sondern auch sehen, wie die Spieler sich verhalten, ob sie nervös sind, oder zuversichtlich. Und seit einiger Zeit gibt es als zusätzlichen Service auch Livekommentare von verschiedenen Kommentatoren zu sehen und zu hören. Schachfans, die regelmäßig den Fritzserver besuchen, kennen dies allerdings schon seit zehn Jahren.

Wie spannend und unterhaltsam Schach bei entsprechender Präsentation sein kann, konnte man bei der letzten Schachweltmeisterschaft erleben. Die Organisatoren der Weltmeisterschaft in Chennai scheuten keine Kosten und Mühen, ihre Veranstaltung weltweit im Internet auch möglichst multimedial zu präsentieren. Mit großer Resonanz. Der Wettkampf zwischen Viswanathan Anand und Magnus Carlsen erzielte ein gewaltiges Medienecho. Viele große Zeitungen und Magazine berichteten täglich und installierten Live-Ticker auf ihren Seiten, um ihre Leser bestmöglich zu informieren. Die Leser nahmen das Angebot an und so erzielten die plietschen Redaktionen mit ihrem Schachangebot Klickraten, von denen sie zuvor nicht zu träumen gewagt hatten. Nicht nur auf den Portalen von Spiegel und Zeit rangierte Schach ganz weit oben. Schach war in aller Munde, obwohl das Match zwischen Anand und Carlsen nicht einmal besonders spannend war.

Es gibt aber ein Medium, das es tatscählich geschafft hat, eines der Topthemen des vergangenen Oktobers, die Weltmeisterschaft im Schach, völlig zu verschlafen. Wir sprechen vom deutschen Fernsehen. Während das norwegische Fernsehen mit seinen stundenlangen Partieübertragungen der WM 40% Marktanteil erzielte, erschien im deutschen Fernsehen über die Schach-WM bis auf einen kurzen Schlussbericht in den ARD Tagesthemen - nichts.

Da hatten die Redaktionen der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten Deutschlands mit ihrer große Zahl von Volksmusikbeauftragten, immerhin mit einem Jahresetat von 7,5 Mrd. Euro (2011) versorgt, wohl gewaltige Anstrengungen unternehmen müssen, um das Thema Schachweltmeisterschaft praktisch völlig ignorieren zu können. Wer das TV-Verhalten heutiger Jugendlicher beobachtet, wer aus alter Gewohnheit kopfschüttelnd noch das TV-Programm studiert, weiß indes, dass Fernsehen ein siechendes Medium ist. Und wenn man sieht, wie das deutsche Fernsehen bestimmte, eigentlich sehr populäre Themen systematisch ignoriert, weiß man auch, warum das so ist.

Das war nicht immer so. Schach war zwar stets ein wenig geliebtes Kind im deutschen Fernsehen, aber es durfte immerhin ein bescheidenes Dasein in den dritten Programm fristen. Einmal im Jahr gab es im WDR 3 die Sendung "Schach der Großmeister" unter der Leitung von Dr. Klaus Spahn. Hier spielten zwei zwei Top-Großmeister gegeneinander und gleichzeitig wurde die Partie vor Publikum kommentiert. Kleine Interviews mit Gästen aus dem Schach rundeten das Programm ab.

Für die Partiekommentare waren die Großmeister Dr. Helmut Pfleger und Vlastimil Hort zuständig. Die beiden Schachentertainer schafften es, die manchmal durchaus komplizierten Partien auch für das vor den Bildschirmen versammelte Nichtfachpublikum nachvollziehbar zu analysieren, ohne dabei flach zu werden.

Dr. Helmut Pfleger

Helmut Pfleger, in seiner aktiven Zeit in den 1970er Jahren einer der deutschen Topspieler, bis er sich später auf seinen Beruf als Arzt konzentrierte, hatte mit seinen Kommentaren immer auch den Hobbyspieler im Blick und schöpfte aus einem großen Fundes an Anekdoten.

Vlastimil Hort

Vlastimil Hort, auf dem Zenit seiner Karriere, WM-Kandidat und einer der weltbesten Spieler, glänzte mit treffenden Zugvorschlägen, die er mit charmanten tschechischem Akzent im Stile eines Josef Schwejk präsentierte und wusste zudem von vielen lustigen Begebenheiten aus seinem Turnierleben zu berichten.

Mit "Schach der Großmeister" war Schach spannend und unterhaltsam zugleich. Heute erinnern sich nur noch die etwas älteren Schachfans an diese Perle des Schachfernsehens. 1983 spielten hier bei der Auftaktsendung Anatoli Karpow und Robert Hübner gegeneinander. Später waren neben anderen die Weltmeister Garry Kasparov, Wladimir Kramnik und Viswanthan Anand zu Gast. Im Laufe der Zeit wurde das Format von den Programmchefs jedoch immer weiter in das Abend- und Nachtprogramm verschoben. Nachdem Dr. Spahn in Rente ging, war ganz Schluss. 2005 wurde die letzte Sendung ausgestrahlt. Seitdem findet Schach im deutschen Fernsehen nicht mehr statt.

Eine Reihe von Aufzeichnungen der Sendungen sind derzeit bei Youtube verfügbar.

Schach der Großmeister 1996: Anand vs Kramnik

Nichts von ihrer Fähigkeit verloren, die Schachfans zu begeistern, haben allerdings Dr. Helmut Pfleger und Vlastimil Hort.

Schachdinos, hier mit Rainer Knaak in ihrer Mitte

Beide haben inzwischen bei ChessBase DVDs im Fritztrainer-Format aufgenommen und dort Toppartien präsentiert - allerdings bisher noch nicht gemeinsam. Es wurde also Zeit, die beiden "Dinosaurier" ("Nein, nein, Chelmut ist Brontosauriärr. Er ist ja Vägätariärr" (Hort)) der Schachkommentierung wieder einmal gemeinsam vor die Kamera zu bringen. Also haben die beiden Großmeister eine Woche lang im ChessBase Studio in Hamburg eine Reihe von großen Partien der neueren Turniergeschichte vorgestellt, kommentiert und sich dabei vor der Kamera gewaltig ins Zeug gelegt. Herausgekommen sind mehr als zehn Stunden Spaß am Schach pur, die - auf zwei DVDs verteilt -, Anfang 2014 veröffentlicht werden.

Zwischendurch erklärten die beiden lebenden Schachlegenden sich auch bereit, bei der traditionellen ChessBase-Weihnachstfeier, am 20 Dezember, als "Show Act" mitzuwirk. Zum Ende des Jahres treffen sich alle ChessBase-Mitarbeiter, um gemeinsam den Abschluss des Jahres zu feiern und sich einfach auch mal zu sehen. Das Internet ermöglicht es bekanntlich, dass die Mitarbeiter an ganz unterschiedlichen Orten an einem gemeinsamen Projekt arbeiten können, dabei zwar ständig im Kontakt miteinander sind, sich aber nur selten leibhaftig gegenüberstehen. Zudem werden auf die ChessBase-Weihnachtsfeier immer auch noch ein paar Gäste eingeladen.

ChessBase Magazin: Chefredakteur Rainer Knaak und Dorian Rogozenco, der nun als Bundestrainer arbeiten wird.

Die Programmiere Mathias Feist und Matthias Wüllenweber, letzterer zudem der Erfinder von ChessBase.

Die Halle füllt sich

Das Konzept der Schachvorstellung sah eigentlich vor, dass zwei Spieler eine Partie gegeneinander spielen, und Helmut Pfleger und Vlastimil Hort dies dann im alten "Fernsehstil" nicht allzu ernst kommentieren.

Die Bühne ist bereit

"Test, test ... eins, zwei, drei..." Pascal Simon bei der Tonprobe

Ein Beamer projiziert die Partie auf eine Leinwand

Im Idealfall sieht es so aus

Als erste Spielerin sagte Melanie Ohme sofort zu. Die gebürtige Leipzigerin ist inzwischen so etwas wie das "Gesicht" des deutschen Schachs. Mit viel Charme und Spielstärke sorgt die Psychologiestudentin bei ihren Turnierauftritten stets für reichlich Medienaufmerksamkeit und bedient das Interesse regelmäßig mit Schachgeschichten auf ihrem persönlichen Schachblog. Zuletzt nahm sie an Turnieren in Lüneburg und Bremen teil. Derzeit bestreitet Melanie Ohme in Hamburg ein Praktikum und so war die Anreise zum ChessBase Büro auch nicht allzu weit. Bei der Planung wurde ein Gegner noch gesucht, als Vlastimil Hort spontan erklärte: "Brauchst du nicht mährr nach Gägnärr suchen, ich wärrde sälbärr spielen. Und ich kommähntierräh auch...".

Melanie Ohme wurde von dieser Entwicklung etwas überrascht. Sie erfuhr erst am selben Abend, gegen wen sie zu spielen hatte.

Nadja Wittman, Vlastimil Hort, Melanie Ohme, Helmut Pfleger

Eine Vorbereitung war also nicht mehr möglich. Aber so ganz ernst sollte die Partie ja auch nicht sein. Wer könnte schon ernst bleiben, wenn Vlastimil Hort laut über seine Züge nachdenkt und die verschiedenen Gefahren bedenkt.

Rainer Woisin begrüßt die Spieler und die Zuschauer

Helmut Pfleger ist gleichzeitig der Schiedsrichter

Die Uhr ist angestellt

Nun geht es los

Die ersten Züge

Vlastimil Hort noch bestens in Form

Helmut Pfleger kommentiert

Auch Melanie Ohme kommentierte mit

Melanie Ohme bekam die weißen Steine zugelost und musste sich dann mit de Aljechin-Verteidigung auseinander setzen. Vlastimil Hort verriet, dass er ein Buch über diese Eröffnung geschrieben hatte, dass allerdings nur auf Englisch erschienen und ist. Das war vermutlich allerdings vor Melanie Ohmes Geburt.

So sah die Übertragung im Fritzserver aus

Vlastimil Hort: Immer mit Fliege

Alles nicht so einfach

Bald danach gab Melanie Ohme auf.

Bei knapp werdender Bedenkzeit - gespielt wurde mit 25 Minuten plus zehn Sekunden- wurde Melanie Ohme dann taktisch ausgekontert und musste aufgeben. Vlastimil Hort verkündete dann aber, dass er gerne eine Revanche spielen würde, am liebsten im nächsten Jahr beim Match Oldhands vs. Snowdrops in Tschechien. Er will sich dafür einsetzten, dass Melanie Ohme dorthin eingeladen wird.

Vlastimil Hort, Charmeur der alten Schule

Helmut Pfleger kommentierte das Geschehen souverän mit. Die Partie wurde inklusive Videostream live in den Fritzserver gesendete und ist dort, ebenso wie die TV-ChessBase-Sendung vom folgenden Freitag mit Pfleger und Hort, abrufbar.

Überhaupt nicht gestellt: Ben Bartels und Björn Lengwenus am Schachbrett, umringt von Großmeistern

Der neue Programmierer der Fritz-Engine Gyula Horvath

Oliver Reeh und Pascal Simon

 

Fotos: Nadja Wittmann, André Schulz

 

Melanie Ohmes Blog...

Die letzte Sendung Schach der Großmeister, (2005)...

Helmut Pfleger auf DVD...

Vlastimil Hort auf DVD...

 


André Schulz, seit 1991 bei ChessBase, ist seit 1997 der Redakteur der deutschsprachigen ChessBase Schachnachrichten-Seite.

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