Schach in der Provinz
von Rainer Polzin
SC Remagen - SF Berlin 1903 4-4
Bundesliga spiele ich am liebsten in Berlin. Selbst wenn einmal nicht die großen
Stars zu Gast sind kommen viele treue Zuschauer zu den Spielen. Einige von ihnen
haben in den 10 Jahren, in denen wir Bundesliga spielen, keinen Mannschaftskampf
verpasst. Sie fiebern mit und sorgen für gute Atmosphäre.
Köln ist die viergrößte deutsche Stadt und eigentlich sollten mehr als 20
Zuschauer zu Heimspielen des vielfachen Deutschen Meisters Porz kommen. Der tut
allerdings auch vieles dafür, um Zuschauer zu vergraulen. Gespielt wird in einem
ungemütlichen Raum, der auf einem alten Industriegelände untergebracht ist. Die
Kabel baumeln von den Decken, immerhin wurden seit meinem letzten Besuch die
alten Tapeten wieder festgeklebt. Als Spieler kann mich sich leider schlecht
gegen solche Spielbedingungen wehren und muss versuchen, die zu kleinen
Fenstervorhänge so hinzuzupfen, dass die Sonne nicht zu sehr blendet. Als
Zuschauer kann man wegbleiben.
Der Wettkampf gegen Remagen begann für beide Mannschaften mit einer
Überraschung: Denn mit der jeweiligen Mannschaftsaufstellung des Gegners hatte
sicherlich keiner der Anwesenden gerechnet. Beide Mannschaften verzichteten auf
ihre Spitzenbretter.
So kam es, dass schon in der Eröffnungsphase an einigen Brettern viel Zeit
verbraucht wurde. Der Wettkampf entwickelte sich für uns sehr gut: Marco Thinius
hatte nach einem doppelten Tempoverlust seines Gegners in der Eröffnung klaren
Vorteil, Henrik Rudolf stand ausgangs der Eröffnung mit schwarz deutlich besser
und auch ich konnte gegen die Aljechin-Verteidigung meines Gegners einigen
Vorteil verbuchen. Ilja Schneider, Martin Borriss und Lars Thiede hatten
hingegen mit leichten Problemen zu kämpfen.
Nach der Zeitkontrolle sah es dann auch gut für uns aus: Zwar hatte Lars Thiede
verloren, aber durch Siege von Henrik Rudolf und mir lagen wir bei Remisen von
Martin Borriss und Martin Krämer 3-2 in Front. Ilja Schneider hatte nur leichte
Nachteile gegen Romuald Mainka und bald war das Remis unterschriftsreif. Marco
Thinius stand inzwischen klar auf Gewinn und trotz der sich abzeichnenden
Niederlage von Dirk Poldauf, der in Zeitnot aus guter Stellung einen Bauern
verloren hatte, sah es nach einem 4,5-3,5 für uns aus.
Aber wie schon in einigen der vorangegangen Runden wollte uns auch an diesem
Samstag in der fünften und sechsten Stunde nichts mehr gelingen: Marco Thinius
ließ einige klare Gewinnmöglichkeiten aus und musste sich letztlich mit einem
Remis begnügen.
SF Berlin 1903 - SG Porz 1-7
Die Geschichte dieses Mannschaftskampfes ist schnell erzählt: Ausgangs der
Eröffnung hatte nur ich mit großen Problemen gegen Raffael Waganian zu kämpfen
(die ich auch nicht mehr lösen konnte), an den übrigen Brettern war die Welt
jedoch weitgehend in Ordnung. Nach zehn Jahren Bundesliga und zwei weiteren
Pokalkämpfen gegen Porz wissen wir, was das bedeutet: Eine klare Niederlage.
Weil irgendwann unweigerlich die Mehrzahl der Berliner Amateure gegen die Porzer
Großmeistergarde umfällt.
Der Mannschaftskampf hatte allerdings zwei sportliche Highlights zu bieten:
Korneev (im Bild links) opferte gegen Thinus erst eine Figur und dann noch eine
Qualität hinterher. Für den Minusturm hatte er zwei Bauern und ein mächtiges
Läuferpaar. Die Computer zeigen beim Nachspielen zwar einen schwarzen Vorteil
von ungefähr 1,5 Bauerneinheiten an, aber bei dem krassen Materialvorteil ist
dieser vergleichsweise geringe Vorteil laut Computer ein untrügliches Zeichen
dafür, dass der weiße Angriff durchschlagen wird. So kam es leider auch. Zur
Analyse unbedingt empfohlen.
Bizarr verlief die Partie Schneider (im Bild rechts) gegen Sakaev. Im Caro-Kann
mauerte der russische Großmeister in der Eröffnung seinen Läufer auf d7 mit
Bauern auf a6, b7, c6, d5 e6 und f7 ein. Später opferte Weiß mit g6 einen
Bauern. Schwarz frisst diesen mit seinem f-Bauern, muss in der Folge mit seinem
Königsturm nach h6, kommt nicht zur Rochade, der Damenflügel zerfällt. Aber
trotz dieser Grausamkeiten lebt er. Und gewinnt zum Schluss ein
Leichfigurenendspiel nachdem er freiwillig unter Opfer von zwei Bauern dem
Weißen einen gedeckten Freibauer verschafft hatte. Muss man nachspielen.
Letztlich schafften nur Lars Thiede und Henrik Rudolf ein Unentschieden.
Die Partien der Runden 10 und 11 mit Kommentaren von Rainer Polzin, Martin
Borriss, Marco Thinius und Henrik Rudolf
zum
Nachspielen (bei Sfr Berlin) ...