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"Schuld daran ist
letztlich nur Irina“
Von Udo Güldner
"Ich will wieder mitmischen. Schließlich gehöre ich noch nicht zum alten Eisen.“ Zwar heißt es immer wieder "They never come back,“ aber manchmal kommen große Sportler eben doch wieder zurück. So wie Fide-Meister Bernd Feustel, der nach langjähriger Turnierpause erneut den Weg ans Schachbrett eingeschlagen hat. Beim SC Bad Königshofen hat der 52-jährige Bamberger das 2. Brett der 1. Mannschaft hinter GM Victor Ivanov inne und verzeichnet bei seinen Einsätzen zunehmend wieder akzeptable Resultate. Bereits 1978 beim Gewinn seines zweiten Bayerischen Meistertitels nach 1976 knüpfte Bernd Feustel erstmals Kontakte zum damaligen SC-Präsidenten Gerhard Müller. „Der Verein hat sich in den letzten beiden Jahren außerordentlich intensiv um mich bemüht. Auch im Krankenhaus und in der Reha-Klinik gab es wiederholt Besuche.“
Wer Bernd Feustel von früher kennt, den erinnert nur mehr die charakteristische Hornbrille an die damaligen Zeiten. Heute hat er stark abgenommen. Sein phänomenales Namens- und Zahlengedächtnis ist aber immer noch präsent. An jede Kleinigkeit seiner Turnierteilnahmen erinnert er sich. Die erfolgreiche Schachkarriere Bernd Feustels begann als Zehnjähriger mit dem Aufsehen erregenden Remis gegen Weltmeister Tigran Petrosjan bei einer Simultanveranstaltung in Bamberg.
Anno 1972 wurde Bernd Feustel Bayerischer Jugendmeister, im selben und darauf folgenden Jahr Internationaler Deutscher Jugendmeister. Ab 1969 hoben der damalige Vorstand Richard Wehr und Rosemarie Feustel die Jugendgruppe des SC 1868 Bamberg aus der Taufe. Die Betreuung und das Training der nach dem Treffpunkt im Restaurant „Wienerwald“ benannten legendären „Schachhähnchen“ übernahm Bernd Feustel. Diese starken Nachwuchsspieler Gerd Treppner, Wolfram und Gerald Hartmann, Hans und Konrad Baumgärtner, sowie Norbert Neukum drängten auch in die 1. Mannschaft, die zu diesem Zeitpunkt in der Bayerischen Oberliga, der damals höchsten Liga im Bundesgebiet, ihre Runden drehte.
Als Gäste waren auch Ernst Schubart (Coburg) und Volkhard Rührig (Zeil/Main) mit von der Partie. 1971 scheiterte der SC 1868 Bamberg als Bayernmeister in der Zwischenrunde in Hannover, 1972 in der Endrunde in Göttingen im entscheidenden Duell mit dem VfL Sindelfingen. Zweimal wurde das Team mit Bernd Feustel Deutscher Mannschaftsmeister: 1976 in Hallstadt nach dem Erfolg gegen die SG Aljechin Solingen und 1977 in Neuwied gegen Königsspringer Frankfurt. 1978 gelang in der Endrunde in Bad Kissingen hinter Königsspringer Frankfurt der Vizemeistertitel. 1979 wechselte Bernd Feustel zur Schachabteilung des TB 1888 Erlangen, die er bis 1983 am Spitzenbrett der 1. Bundesliga vertrat. „Damals gab es noch die vierteilige Bundesliga mit den Endrunden um die Deutsche Meisterschaft.“ Nach dem Abstieg in die Zweitklassigkeit holte der damalige BSB-Bundesspielleiter Helmut Stadler Bernd Feustel zum FC Bayern München. "In der Saison war ich aber nicht recht zufrieden. An den hinteren Brettern fühlte ich mich nicht wohl. Da fehlte mir einfach der Killerinstinkt. Ich spiele lieber weiter vorne.“ Nach kurzem Intermezzo in Erlangen ging es 1987 zum SK Göggingen 1908. „Als mich auf Vermittlung der Röder-Brüder der Gögginger Präsident Johannes Pitl anrief, wollte ich eigentlich überhaupt kein Mannschaftsschach mehr spielen. Er hat mich dann aber doch überredet.“
Vier Jahre Oberliga Bayern und weitere fünf Jahre 2. Bundesliga Süd schlossen sich an. Daneben arbeitete Bernd Feustel an eigenen Büchern, an Übersetzungen russischer Klassiker wie Jakow Estrin, Anatoli Karpow oder Mark Dworetzki, sowie an Ausgaben der Werke von Edmar Mednis, Ludek Pachmann und zahlreicher weiterer Autoren. „Da hatte ich dann keine große Motivation und wenig Zeit für Turniere.“Mit der Grenzöffnung 1989/90 wurde dann in der Schachbuchszene vieles anders. Die Aufträge sprudelten bis 1994, dann kam immer mehr billige Konkurrenz auf den Markt. "Die Zeit mit meinem Schach-Spezialsatz war eine interessante und zugleich sehr strapaziöse Periode. Ich arbeitete für die Verlage Olms, Beyer, Rau, Schmaus oder de Gruyter.“ Zeitweise liefen 15 verschiedene Titel simultan durch die Büroetage am Kunigundendamm. Sogar Bridge-Standardwerke wurden hier konzipiert und erstellt.
Die Mutter Rosemarie sorgte für die Verwaltung, Buchhaltung und den täglichen Kleinkram. Die beiden mittelfränkischen Fide-Meister Dr. Gerd und Frank Röder waren wertvolle Mitarbeiter. In kleinen Schritten geht es zur Zeit auch mit einem ehrgeizigen Buchprojekt voran: einer Übersetzung und Kommentierung von markanten Textpassagen des altindischen Rigveda. Derzeit arbeitet der studierte Slawist, Anglist und Indogermanist an den Hymnen, die in vedischem Sanskrit verfasst sind und zu den ältesten literarischen Quellen der Menschheit zählen. Die Rückkehr ans Schachbrett begann bereits 2003 in Zeil am Main. Mit dem dortigen Turnierorganisator Gerhard Hinterleitner von den SF Zeiler Turm befreundet, stieg Bernd Feustel beim Schnellschach-Open wieder in den Ring. Nach mäßigem Start traf der Deutsche Vizemeister von 1980 auf WGM Irina Zakurdjaeva (SC Bad Königshofen). Mit einem beeindruckenden Kurzsieg gegen die Russin meldete er sich spielerisch zurück und erregte die Aufmerksamkeit Jürgen Müllers. Der Vorsitzende des SC Bad Königshofen holte sich aber erst einmal eine Absage.
Der unbefriedigende gesundheitliche Zustand Bernd Feustels und die zunehmende Betreuungs- und Pflegebedürftigkeit seiner Mutter Rosemarie machten Turniereinsätze vorläufig unmöglich. Der Unterfranke ließ jedoch nicht locker und brachte Bernd Feustel im November 2005 zur ersten Turnierpartie seit Dezember 1996. Sofort zeigte der frühere Bundesliga-Spitzenspieler im Oberliga-Duell gegen Michael Fedorovsky vom SC Tarrasch-München, dass er noch nichts verlernt hatte. Ein Unentschieden, eingeleitet durch eine Variante mit spektakulärem Damenopfer im 8. Zug, markierte den Neubeginn. Mit unbändiger Energie verkraftete Bernd Feustel zahlreiche Rück- und Tiefschläge des Schicksals. Einerseits verstarb seine Mutter, zugleich wurde der Deutsche Blitzmeister 1980 selbst schwer krank.
Nach einer Unterschenkelamputation ist er zunächst noch auf den Rollstuhl angewiesen. In Ermangelung eigener Angehöriger ist er für die Hilfe und Unterstützung langjähriger Schachfreunde wie Tihomir Glowatzky, Arno Lembke, Bernd Hümmer, Thomas Jörg (alle Bamberg), FM Gerd Treppner (Mainz), Erwin Sternadl (Bamberg) und Udo Güldner (Forchheim) sehr dankbar. Trotzdem hat Bernd Feustel bereits wieder Mut gefasst und seine Tätigkeit als Verleger wieder ins Auge gefasst. "Im Frühjahr entscheidet sich, wohin mein Ehrgeiz mich treibt.“ Zuerst aber geht’s es zur Deutschen Einzelmeisterschaft 2007 in Bad Königshofen. "Mein Verein hat mir einen Freiplatz gegeben. Ich bin mir dieser Ehre und Verantwortung durchaus bewusst. Ich weiß aber noch nicht, wie ich eine solche Anstrengung verkrafte.“ Die letzte Teilnahme an der nationalen Meisterschaft liegt dann bereits ein Vierteljahrhundert zurück. "1982 in Bad Neuenahr war es. Ich bin den Königshofenern dankbar, es nach so langer Zeit noch einmal wissen zu dürfen. Die einzigen bisher bekannten Teilnehmer, mit denen ich bereits die Klingen gekreuzt habe, sind GM Peter Enders, IM Ulrich Schulze und IM Bernd Kohlweyer.“ Nicht zuletzt Bernd Feustel haben es die Unterfranken zu verdanken, dass sie die Zwischenrunde im Deutschen Mannschaftspokal gegen die starken Vereine SC Eppingen und SC Remagen in Bad Königshofen erreicht haben. "Im Moment fehlt mir aber noch die Kondition ab der vierten Stunde der Partie. Falls mein Comeback klappt, möchte ich natürlich auch wieder höherklassige Herausforderungen annehmen.“