Die ersten
Eindrücke vom elften Fritz
Verbesserte Spielstärke, neue interessante
Trainingsfunktionen,
viele Detailverbesserungen
Von Otto Borik (Schachmagazin 64)
Am 15. November 2007
wurde die neueste Version des führenden Schachprogramms Fritz ausgeliefert.
Rechtzeitig zum Weihnachtsgeschäft, aber zu kurz vor dem Redaktionsschluss, als
dass ein ausführlicher Langzeittest möglich gewesen wäre, aber die Zeit
reichte, um die wichtigsten Funktionen bzw. Neuerungen kennen zu lernen.
Die Spielstärke wurde
noch einmal, um ca. 80 Elopunkte angehoben. Da bereits der Fritz11-Vorgänger
keinen Geringeren als Kramnik mit 4:2 geschlagen hat, leuchtet die – in einem
ausländischen Magazin gedruckte – rhetorische Frage zunächst ein, welche Rolle
es eigentlich noch spiele, ob man von einer 20-Tonnen-Dampfwalze überrollt
wird, oder von einem noch fünf Tonnen schwereren Ungetüm. Witzig formuliert,
aber es geht ja schon lange nicht mehr um ein Mensch-Maschine-Duell, das
Programm entwickelt sich zunehmend zu einem „Schachwerkzeug“, und da hat eine
weitere Spielstärkeanhebung sehr wohl einen Sinn, die Analysen werden besser
oder sie können in einer kürzeren Zeit ausgeführt werden.
Ausgeliefert wird
Fritz11 auf einer einzigen, aber randvoll gefüllten DVD. Die Silberscheibe ist
voll von verschiedenen Zugaben, sie enthält Schachvideos mit Kramnik, Kasparow,
Shirov, Kasimdzhanov, Kortschnoi und Dr. Pfleger, was natürlich auch der
Eigenwerbung dient, dem Nutzer jedoch nicht lästig fällt, im Gegenteil. Auf
dieser Weise kann ja der potentielle Käufer gut testen, ob ihn die eine oder
andere Thematik interessiert und die Didaktik bzw. die Sprache zusagt oder auch
nicht. Kurzum, ein Test-vor-Kauf, wie man ihn sich bei vielen Produkten wünschen
würde.
Soweit zu der Zugabe,
Hauptthema ist natürlich das Schachprogramm Fritz in der Version 11. Was hat
der neue Fritz, was der alte nicht hatte?
Man kann es freilich
auch anders formulieren: alles Bewährte von Fritz 10 ist geblieben,
insbesondere die ausgezeichnete Funktion des „begleiteten Zuschauens auf dem
Server“. Zur Erinnerung: Oft wird auf dem Server www.schach.de eine
Direktübertragung von Turnieren oder Mannschaftskämpfen angeboten, an der man
mit dem Fritz-Programm ab der Version 9 partizipieren kann. Die Kiebitze können
via Datenleitung nicht nur zuschauen (bis zu acht Bretter auf einmal), sondern
auch den elektronische Helfer, die zuschaltbare Analyse, „befragen“, und dabei
auch im einfachen Kiebitzfenster ohne Ausklinken analysieren.
Das ist natürlich toll
und die große Verbreitung des Fritz-Programms basiert nicht zuletzt gerade auf
diesen Funktionen. Doch das ist auch ein bisschen wie Fernsehen beim
Leistungssport; man wird gut informiert und unterhalten – und sitzt auf dem
Sofa. „Beim Schach geht es im Kern um systematische Vorausberechnung. Nichts
ist in einer praktischen Partie wichtiger. Die Fähigkeit, auf dem Brett Stellungen
deutlich zu ‚sehen‘, die viele Züge voraus liegen, ist für Ihre Spielstärke so
notwendig wie körperliche Kondition für einen Leistungssportler“, schreibt der
Schachprogrammierer Matthias Wüllenweber, der sich – nach einem erfolgreichen
Absprung in die Welt der Musikprogrammierung – jetzt wieder mit voller Kraft
den Schachprogrammen widmet und dabei mit einem fast missionarischen Eifer dem
computerunterstützten Training das Wort redet. Die in Fritz enthaltene Funktion
„Rechentraining“ beschreibt er wie folgt:
„Die Idee für das
Rechentraining entstammt dem Zuschauen bei Live-Übertragungen auf dem
Schachserver. Hier blickt man einfach zu oft passiv auf die Hauptvariante des
mitlaufenden Schachprogramms. Das bringt bei einigen Zuschauern zudem eine
Illusion der Überlegenheit gegenüber den spielenden Großmeistern mit sich, weil
man anhand der in Sekunden umspringenden Enginebewertung Fehler sofort
wahrnimmt, die der Spieler erst nach der Partie begreifen wird. Fritz11 bietet
mit dem Rechentraining eine bessere Möglichkeit, einer Live-Partie zuzuschauen
und dabei die eigene Spielstärke zu verbessern: Man rechnet konsequent selbst
mit. Dabei geben Sie die Züge auf dem Brett ein, und diese erscheinen wie
gewohnt in der Notation. Doch die Figuren verharren unbewegt in der
Grundstellung.“
Damit wird eine echte
Partie simuliert, auf dem Brett rührt sich nichts, im Kopf tut sich hoffentlich
etwas. Während einer Partie hilft niemand, das ist ja auch strengstens
verboten, aber beim Training wird der gen Himmel ausgestoßene Seufzer
(„hoffentlich stimmt es“) von Fritz 11 erhört und kommentiert, korrigiert,
verbessert und sogar bewertet. Stellt man bei der Berechnung Material ein, gibt
es Minuspunkte satt, aber im Erfolgsfall bleibt auch Lob nicht aus.
Die Funktion kann man auf
dem Server einsetzen (sozusagen parallel mit einen Spitzenspieler rechnen und
dann die Ergebnisse abgleichen), aber ebenso gut zu Hause. Im Prinzip kann sich
jeder Fritz11-Benutzer eine taktisch geladene Stellung auf zwei Arten
vornehmen:
* entweder passiv
konsumierend (Fritz soll rechnen und das Ergebnis mitteilen) oder
* aktiv trainierend (die
berechneten Varianten eingeben, ohne die resultierenden Stellungen zu sehen,
erst dann „äußert sich“ der elektronische Freund und Helfer).
Der neue Fritz ermöglicht
auch einen „Taktikwettkampf“. Das geht schon wieder via Internet. Man startet
Fritz, geht auf den Server www.schach.de, wählt „Taktikwettkampf“ und bekommt
fortan eine Taktikstellung nach der anderen zugeschickt. Wenn Sie den
Lösungszug eingegeben haben, kommt gleich die nächste Aufgabe. Die Zeit für die
gesamte Serie (ca. 5 Minuten) und die Zeit pro Stellung sind begrenzt. Punkte
werden auch vergeben.
Fazit Trotz des noch kurzen
„Besuchs“ in der Redaktion ist erkennbar: Die neuen Funktionen machen Sinn,
einige begeistern sogar. Ein Update von früheren Versionen kann ruhigen
Gewissens empfohlen werden.
|
Systemvoraussetzungen:
Minimal: Pentium 300 MHz, 64 MB RAM, Windows Vista oder Windows XP
(Service Pack 2), DVD-ROM Laufwerk, Windows-Media Player9.
Empfohlen: Pentium IV 2,2 GHz oder besser, 256 MB RAM, Windows Vista,
GeForce5 Grafikkarte (oder vergleichbar) mit 64 MB Speicher oder besser, 100
% DirectX kompatible Soundkarte, Windows Media Player 9, DVD-ROM-Laufwerk.
|