Der Zauber von Madagaskar (1/2)

von Alina L'Ami
20.08.2015 – Madagaskar ist eine Insel, aber gehört zu Afrika. Bei einem Turnier in Angola erhielt Schachglobetrotterin Alina l'Ami eine Einladung, dort ein Turnier zu spielen. Doch der Weg von einem afrikanischen Land ins andere führte über Europa. Nur eins von vielen ungewöhnlichen Dingen, denen Alina l'Ami bei ihrer Reise nach Madagaskar erlebte. Mehr...

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Der Kilimandscharo - ein Bild, für das ich ziemlich arbeiten musste! Ich war froh, auf meinem Weg nach Madagaskar einen Zwischenstopp in Nairobi einlegen zu können, auch wenn der mit sieben Stunden ziemlich lang war. Aber der Zwischenaufhalt in Nairobi gab mir die Gelegenheit, den Kilimandscharo vom Flugzeug aus zu fotografieren. Allerdings hatte ich nicht damit gerechnet, dass ich keinen Fenstersitz bekommen würde - also bettelte ich, kroch und trat anderen Leute auf die Füße - bis ich das Foto machen konnte.

Was war zuerst da - Huhn oder Ei? Manchmal frage ich mich, wer auf dem Brett meines Lebens den ersten Zug einer "Variante" macht, die dort immer wieder vorkommt: kommt das Abenteuer immer wieder zu mir oder bin ich eine Draufgängerin, die süchtig nach immer neuen Aufregungen und Erfahrungen ist? Vielleicht ist es die gegenseitige Anziehung, die uns einander umkreisen und umwerben lässt, bis der Zufall es will und wir einander in den Armen liegen.

Asiatische Einwanderer haben Reis und die Kultur des Reises auf die Insel gebracht.

Sonnenaufgang über den Reisfeldern

Für die Einheimischen ist es Alltag, für die Fotografin sind es einmalige Motive.

Unser Schachleben mit allem, was dazugehört, ist wirklich um Längen besser als das Kino! Nur eine Frage: Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, nicht nur einmal, sondern sogar zwei Mal in kurzer Zeit nach Afrika zu reisen - ohne Planung und absolut überraschend?

Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass ich, mit Wohnsitz in Europa, bereits in Afrika bin, genauer gesagt in Angola, aber nach Europa zurückfliegen muss, um nach einem Tag Pause wieder putzmunter zu Mutter Afrika zurückzukehren? Am Ende war der Umweg über Europa einfacher, billiger und schneller als der Flug von einem afrikanischen Land in ein anderes und ein kleiner Preis für eine phantastische (wenn auch zu kurze) Reise nach Madagaskar!

Madagaskar bietet immer wieder atemberaubende Anblicke, die man einfach fotografieren muss...

...muss ich das noch weiter ausführen?

Vermutlich wissen die Einheimischen, wann der Zug fährt...

Mein Flugticket war perfekt, alles war gebucht und eingecheckt, aber am Flughafen von Antananarivo wurden meine Pläne durchkreuzt - ich durfte meinen geplanten Rückflug nicht antreten, bekam aber ein neues Ticket. Erst in Paris, als ich bereits am Gate war, um meinen Anschlussflug nach Amsterdam zu nehmen, erkannte ich zu meiner Verblüffung, dass ich laut meinem neuen Ticket für einen anderen Flug eingecheckt worden war! Das führte zu vielen Diskussionen, verlorenem Gepäck und der Erkenntnis, dass man die Papiere, die man am Flughafen bekommt, genau studieren sollte, vor allem die Anschlussflüge.

Frauen waschen die Wäsche im Fluss; im Hintergrund sieht man die Umrisse neuer Wohnungen.

So sieht die Baustelle aus der Nähe aus.

Aber solche Erfahrungen machen mein Leben nur interessanter und ohne sie würde ich mich ärmer fühlen. Reisen ist ein großer Lehrmeister und auch wenn der Beruf der Schachspielerin gewisse Risiken birgt, so ist doch alles, was man auf seinen Reisen fühlt, sieht und lernt jeden Tropfen Schweiß und jede Mühe wert. Außerdem habe ich gelernt, damit umzugehen, nicht in der Heimat zu sein, denn ich trage meine Heimat bei mir, mit mir... Also auf nach Madagaskar, zum International Open 2015!

Alina L'Ami - Miloud Mezouaghi (Springeropfer Nummer 1)

[Event "Madagascar Open"] [Site "?"] [Date "2015.08.09"] [Round "?"] [White "L'Ami, Alina"] [Black "Mezouaghi, Miloud"] [Result "1-0"] [ECO "A44"] [WhiteElo "2371"] [BlackElo "2039"] [SetUp "1"] [FEN "2kr1n1r/pp1n2p1/3p3p/2pPpP2/2P1N1Pq/8/PP1BQ2P/2KR3R b - - 0 19"] [PlyCount "8"] [EventDate "2015.08.12"] {Vor diesem Turnier viel gespielt zu haben und viel gereist zu sein, hat nichts geholfen, als in Madagaskar Doppelrunden auf dem Programm standen. Nun war ich zwar nicht wirklich gut in Form, aber die drei Beispiele aus meinen Partien, die ich ihnen zeigen möchte, haben mir doch große Freude bereitet und ich hoffe, sie gefallen Ihnen auch. Alle drei enthalten ein Leitmotiv und deshalb zeige ich sie hier zusammen: in allen dreien spielte eine bestimmte Figur die Hauptrolle. Ich zeige sie also nicht aus Narzissmus, denn in einer Partie habe ich sogar Angst gehabt und nicht das gespielt, was ich hätte spielen sollen. Aber ich glaube diese Beispiele zeigen, wie gut es ist, wenn man immer aufmerksam und wach ist - und was soll ich machen, wenn ich diese Partien nun einmal gespielt habe? Die Eröffnung in dieser Partie begann ungünstig für mich und danach wurde es noch schlimmer. Aber ich kämpfte und und es kam zu folgender Stellung. Der letzte schwarze Zug war: } 19... Nf6 {Ich erinnere mich noch gut an das Grinsen auf meinem Gesicht, denn mein Gegner tappte in die teuflische Falle, die ich ihm gestellt hatte.} 20. Nxd6+ $1 { Obwohl ich während des Turniers vielleicht wie jemand gewirkt habe, der im Stile Karpovs langsam vorgeht und seine Vorteile allmählich verdichtet, bin ich am Brett tatsächlich alles andere als ruhig und kaltblütig. Um die Wahrheit zu sagen...ich war einfach müde und konnte mich nicht dazu aufraffen, zu rechnen oder komplizierte Stellungen zu spielen. Also ging ich praktisch vor: natürliche Züge spielen und sehen, was passiert, aber Fehler um jeden Preis vermeiden! Ansonsten setze ich das Brett gerne in Flammen und es gefiel mir, eine Figur geopfert zu haben.} Rxd6 21. Qxe5 { Schwarz steht auf Verlust. Gegen die unangenehme Drohung Lf4, nach der Mattdrohungen in der Luft liegen, kann er nichts machen. Mein Gegner probierte} Rd7 ({Vielleicht ist} 21... Kd7 {zäher, aber auch das rettet die schwarze Stellung nicht, denn Weiß spielt} 22. Rhe1 {und es ist aus; De7+ liegt in der Luft, genau wie Lf4 und Weiß dominiert die Stellung.} ({Während der Partie habe ich vor allem diese Variante berechnet} 22. Bf4 Ne8 23. Rhe1 Nh7 (23... Qd8 {funktioniert nicht wegen} 24. Qxe8+ Qxe8 25. Rxe8 Kxe8 26. Bxd6) 24. g5 Kc8 25. gxh6 { Und bei so vielen Bauern und so vielen Drohungen sollte Weiß auf Gewinn stehen.} ({Ich schmücke mich ungern mit fremden Federn und so sollte ich der Wahrheit die Ehre geben und verraten, dass wir uns in der anschließenden Analyse folgende Fortsetzung überprüft haben:} 25. Qe7 $4 {was zu einer ganzen Reihe tiefer Analysen führte; aber Schwarz kann einfach den Läufer auf f4 nehmen...?? Ein Beispiel, welche Rolle Halluzinationen beim Schach spielen können.}))) (21... Ra6 22. Bf4) 22. Bf4 Kd8 23. Rhe1 {Mit Matt oder entscheidendem Materialgewinn.} 1-0

Keine leichte Arbeit... und ich klage über meine Waschmaschine, die zu viel Lärm macht.

Frohe Leute machen froh!

Ich wurde immer wieder gewarnt, vorsichtig zu sein und auf meine Kamera aufzupassen...aber das Leben auf den Straßen von Antananarivo wirkt ziemlich friedlich. Nur ein bisschen chaotisch.

Eins meiner Lieblingsfotos - von einem Hügel in Antananarivo gemacht.

Imbiss auf der Straße

Mein täglicher Weg zum Turniersaal

Der Versuch, den Verkehr zu kontrollieren.

Andere Möglichkeiten, seine Sachen zu transportieren

Viele der Einwohner Madagaskar stammen vom Volksstamm der Merina ab und ähneln Indonesiern.

Aber...

... viele haben auch offensichtliche afrikanische Wurzeln.

Offen gesagt wusste ich nichts über diese atemberaubende Insel. So nahm ich in aller Unschuld an, dass es dort, wie in anderen afrikanischen Ländern, in denen ich schon war, warm ist (wie in Angola oder Tansania). Allerdings gibt es hier, anders als ein bekannter Film suggeriert, auch keine Pinguine! Zum Glück habe ich in Antananarivo ein paar Dinge gelernt.

Der Turniersaal

Organisiert wurde das Turnier vom Schachverband Madagaskar mit Unterstützung
der Kasparov Chess Foundation Africa. Die Organisation war hervorragend und bot
vielen jungen afrikanischen Talenten die Gelegenheit, ihr Spiel und ihre Zahl zu
verbessern und gegen Titelträger aus dem Ausland zu spielen.

Falls Sie einmal nach Madagaskar fahren wollen - was ich nur empfehlen kann - dann sollten Sie sich auf den schönen Schock einstellen, den die Leute und die Kultur, das Land und die Tiere, Klima, Essen und Alltagsleben einem bereiten. Ich wünschte, ich hätte mindestens einen Monat hier verbringen können, um die ganzen lebhaften und bunten Eindrücke zu schildern, aber die sechs Tage, die ich in Antananarivo verbracht habe, waren bis zum Anschlag mit Leben gefüllt und zugleich mit dem undefinierbaren Gefühl, das mich die ganze Zeit begleitet hat und auch während der Partien nicht losließ: das ist irreal, ich kann das alles nicht glauben, ich bin hier! Es war, als ob man in einem Gemälde leben würde, das von Dali und Monet zusammen geschaffen wurde – surreal, impressionistisch, einzigartig.

Thabo Elisha - Alina L'Ami (Springeropfer Nummer 2)

[Event "Madagascar Open"] [Site "?"] [Date "2015.08.09"] [Round "?"] [White "Elisha, Thabo"] [Black "L'Ami, Alina"] [Result "0-1"] [WhiteElo "1943"] [BlackElo "2371"] [SetUp "1"] [FEN "r3kb1r/pp1b1ppp/1qn1p3/3pPn2/1P1P4/P1N1BN2/5PPP/R2QKB1R b KQkq - 0 10"] [PlyCount "15"] [EventDate "2015.08.12"] {Dies war meine letzte Partie im Turnier und die Stellung haben Sie sicher erkannt: ja, ich habe die Französische Verteidigung gespielt, eine Eröffnung, zu der ich eine tiefe Liebe entwickelt habe! Der letzte Zug von Weiß war der natürliche Entwicklungszug Sc3, auf den ich ein weiteres Opfer vorbereitet hatte...} 10... Nxe3 11. fxe3 Nxb4 $1 {Ich habe gehört, dass der Springer eine der trickreichsten Figuren im Schach ist, aber irgendwie habe ich in diesem Turnier immer wieder Springer geopfert. Und mehr noch als die klaren taktischen Schläge gefallen mir positionelle Opfer - und dies war eins.} 12. axb4 Bxb4 13. Qb3 Rc8 14. Rc1 Qa5 15. Kd2 O-O {Bringt den anderen Turm ins Spiel; Weiß hat eine Figur für zwei Bauern und eine sehr beengte Stellung: König, Turm und Dame müssen den Springer auf c3 im Auge behalten und auch den anderen Figuren fehlt die Koordination.} 16. Be2 {Dieser Zug verliert sofort, weil Weiß den Springer c3 nicht mehr verteidigen kann.} ({Hartnäckiger war} 16. Bd3 Ba4 {vielleicht die stärkste Fortsetzung} ({Während meiner Berechnungen plante ich } 16... Rc7 17. Ng1 $1 {die Pointe von Ld3 - das Feld e2 bleibt dem Springer vorbehalten..aber Rückzüge zu machen ist nie leicht.} Rfc8 18. Nge2 Ba4 19. Qb2 {und die Stellung befindet sich in einem gewissen Gleichgewicht: Schwarz kann den Springer c3 nicht weiter angreifen, aber auch Weiß kann nicht wirklich ziehen. Ich glaube, Schwarz steht immer noch besser, aber im praktischen Spiel ist das nicht so leicht nachzuweisen.}) 17. Qb2 f6 $1 {Warum sich beeilen? Weiß ist sowieso gebunden} 18. exf6 Rxf6 {und falls} 19. Ng1 e5 $1 20. dxe5 Rb6 $1 {Ist Schach nicht großartig?!}) 16... Rc7 17. e4 Rfc8 0-1

Was man in Antananarivo sieht (und auf dem Turnierplakat)

Alina L'Ami - Harison Andriamandimbisoa (Springeropfer Nummer 3)

[Event "Madagascar Open"] [Site "?"] [Date "2015.08.08"] [Round "?"] [White "L'Ami, Alina"] [Black "Andriamandimbisoa, Harison"] [Result "1-0"] [WhiteElo "2371"] [BlackElo "1955"] [SetUp "1"] [FEN "r3rnk1/1bp2p1p/1p1q1bp1/pP1pN3/P2P1P2/1QN1P3/4B1PP/2R2RK1 w - - 0 20"] [PlyCount "1"] [EventDate "2015.08.12"] {Und dies ist das dritte Beispiel eines möglichen Springeropfers. Ich habe darüber nachgedacht, ich wollte das spielen, aber ich habe meinem Gehirn und seinem aktuellen Aufmerksamkeitslevel nicht vertraut, also habe ich mich zurückgehalten.} 20. Bf3 $6 {auch danach behält Weiß Vorteil, aber der beste Zug ist das eben nicht.} ({Stattdessen war} 20. Ne4 $1 {angezeigt!} dxe4 21. Qxf7+ Kh8 22. Bc4 Re6 23. Bxe6 Qxe6 24. Rxc7 Bd5 25. Qxe6 Bxe6 {Bis hierhin hatte ich gerechnet, aber die Züge und Felder tanzten irgendwie vor meinen Augen und ich war mir nicht sicher, wie die Stellung einzuschätzen ist. Wenn ich mir jetzt die Stellung anschaue...muss ich lächeln, denn Weiß steht klar besser.} 26. Rb7 Bd8 27. Nc6 Nd7 28. Rc1 {Es stimmt, Schwarz hat zwei Figuren für den Turm, aber Weiß hat zwei Bauern mehr und beherrscht das Brett. Es sollte nicht mehr allzu lange dauern, bis der Vorteil zum ganzen Punkt verwandelt ist. Wie auch immer, das war meine "Ilias", in der das Pferd die Hauptrolle spielt.}) 1-0

Das extrem kalte Wetter acht Grad Celsius (!!), das am frühen Morgen oder späten Abend herrschte, riss mich bald nach meiner Ankunft aus meinen Tagträumen. Schließlich wartete ein straffes Programm auf mich. Ankunft am späten Abend, am nächsten Tag Vortrag und dann Doppelrunden bis zum Ende des Turniers.

Teil zwei folgt in Kürze


Alina L'Ami ist Schachprofi, WGM, und bringt allem, was sie macht, großen Enthusiasmus entgegen. Sie liebt es, in die entlegensten Winkel der Erde zu reisen, um dort Schach zu spielen und darüber hier bei ChessBase zu berichten.

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