Die Festschrift zur 200-Jahrfeier der SG Zürich

von ChessBase
09.06.2009 – Im August feiert die Schachgesellschaft Zürich, der älteste noch bestehende Schachklub der Welt, ihren 200sten Geburtstag. Zum Jubiläum gibt es dann ein hochdotiertes Open und acht Weltmeister werden im Züricher Hauptbahnhof ein gemeinschaftliches Simultan geben und am folgenden Tag ein Schnellschachturnier spielen. Doch es gibt noch ein Geschenk für alle Schachfreunde. In einer Festschrift hat die SG Zürich von Richard Forster ihre Geschichte in einer Festschrift herausgeben lassen. Ein großartiges Buch wie aus einer anderen Zeit.Zur SG Zürich..., Buch bei Schach-Niggemann bestellen...Zur Rezension...

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Richard Forster: Festschrift 200 Jahre SG Zürich
Von André Schulz

Die Schachgesellschaft Zürich ist der älteste noch existierende Schachverein der Welt. Gegründet wurde sie 1809 von sechs Personen, die die Liebe zum Schachspiel verband. "1809" -  plötzlich ist man mitten in der Zeit Napoleons angelangt. Eine unruhige Zeit, die durch die viele Kriege geprägt ist. Mit dem Sieg über Österreich im so genannten Fünften Koalitionskrieg hatte Napoleon 1809 die Herrschaft über den größten Teils Europa gewonnen. Die Schweiz ist zu dieser Zeit ein französischer Sattelitenstaat, des Öfteren Kriegsschauplatz und wird im Zuge der Kampfhandlungen mehrfach von fremden Truppen besetzt. Keine leichte Zeit also, aber gut genug, um in Zürich einen Schachklub zu gründen.

Den 200sten Jahrestag der Gründung feiert die SG mit einigen schönen Schachveranstaltungen. Neben einem hoch dotieren Open werden acht Weltmeister (eigentlich sieben plus Kortschnoj) ein Simultan geben, und zwar mitten in Zürich, nämlich im Hauptbahnhof. Am folgenden Tag werden sie im Schnellschach antreten. Außerdem hat die Schachgesellschaft sich und allen Schachfreunden eine Festschrift geschenkt. Und diese, von Richard Forster erstellt, ist wirklich überwältigend.

Wie schwer wiegen 200 Jahre? In diesem Fall lässt sich das genau sagen. Es sind 1,8 Kg. Das ist das physikalische Gewicht der 568 großformatigen Seiten, die nötig waren, um die wesentlichen Ereignisse der Geschichte der SG Zürich mitzuteilen. 200 Jahre sind eben eine Menge Holz, auch in Papierform. Mit seinem umfangreichen Buch über Amos Burn und die frühe englische Schachgeschichte hat Richard Forster - selbst eines der 90 derzeitig aktiven Mitglieder der SG Zürich - bereits angedeutet, was er unter einer gründlichen Darstellung versteht. Der Eindruck seiner Festschrift zum SG-Jubiläum ist ähnlich.

Der Inhalt besteht aus vier Teilen. Zu Beginn wird die eigentliche Geschichte des Klubs vermittelt, dessen Gründungsanstoß wohl vom Kolonialwarenhändler Johann Escher ausging. Anfangs spielte man noch privaten Brettern, erst 1810 wurden vom Klub Schachspiele angeschafft. Natürlich liegen die Rechnungen noch vor. Wir sind ja in der Schweiz. Mitgliedsbeiträge werden zu Anfang nicht erhoben, aber Bußen, die zu zahlen sind, wenn man dem Spielabend fernbleibt. Eine ausgezeichnete Idee, die vielleicht gerade jetzt von Vereinen wieder aufgegriffen werden könnte. Ab 1814 gibt es auch ein richtiges Spiellokal. In den Zwanziger Jahren des 19.Jh. wächst die Zahl der Mitglieder auf über 20. Ein Mitgliedsbeitrag wird nun eingeführt und schließlich kommt es zu ersten Wettkämpfen gegen andere Schachvereinigungen. Am 2.Juni 1822 wird der erste Schachwettkampf in der Schweiz gespielt zwischen der SG Zürich und der SG Winterthur, auf halbem Weg in Bassersdorf. Dieser verlief so, dass sechs Züricher und acht Winterthurer an einem Tag ohne besondere Bedenkzeitregelungen mit wechselnden Gegnern 81 Partien spielten. Natürlich weiß man noch das Ergebnis: 41:35 für Zürich nach Siegen.

1830 kam Besuch aus Berlin. Die Studenten Wilhelm Hanstein (später Redakteur der Deutschen Schachzeitung) und Carl Mayet (später Teilnehmer am Turnier von London 1851 und Präsident der Berliner Schachgesellschaft) schauten vorbei und fegten mal eben so die Züricher Meister vom Brett. Danach stagnierte die Entwicklung der SG infolge gesellschaftlicher Veränderungen nach der französischen Juli-Revolution von 1830. Viele Aufzeichnungen gingen verloren.1845 wurde die schwächende alte Schachgesellschaft vom Schachverein zur Waag übernommen, der Namen und die verbliebenen Aktiven der SG übernahm.
 
Richard Forster hat auch die folgenden Jahre mit schweizerischer Gründlichkeit auf 125 Seiten dokumentiert. So war wohl einer der Höhepunkte des 19.Jh. der Besuch des inoffiziellen Weltmeisters Adolf Andersson, der die meisten Partien gegen die Züricher gewann, allerdings auch eine Niederlage einstecken musste. Im Laufe der weiteren Geschichte der SG begegnen wir vielen anderen Großen des Schachs, Persönlichkeiten, deren Wege sich hier kreuzten.

Der zweite Teil des Buches besteht aus einem Personallexikon, das fast 200 Seiten umfasst und chronologisch-alphabetisch Biografien und schachliche Leistungen der Schachspieler seit 1809 verzeichnet, die in der Geschichte der SG Zürich eine Rolle gespielt haben. Neben Gründervätern oder Mitgliedern der SG Zürich findet man auch zahlreiche Gäste, die sich teils kurz, teils länger in Zürich aufgehalten haben und dabei in Kontakt zur Schachgesellschaft kamen.

Die Kurzbiographien der teils bekannten, teils weniger bekannten Schachfreunde spiegeln in liebenswerter Weise nicht nur das Wirken der jeweiligen Personen wieder, sondern auch die Zeitumstände, unter denen sie gelebt haben. Wir lernen den Kaufmann Herrmann Bühler kennen, dem das Kunststück gelang, Emanuel Lasker gleich zweimal beim Simultan zu besiegen. Hans Fahrni, der erste Schweizer Berufsschachspieler wird vorgestellt. Der Ungar György Fluss, ein Freund von Aaron Niemzowitsch (meist, auch in der Festschrift Nimzowitsch geschrieben, aber die Form Niemzo- lässt besser den Ursprung des Namens erkennen), spielte eine Partie im Ersten Weltkrieg "auf einem Pfeiler einer gesprengten Brücke bei einem nördlichen Schlachtfeld".

Prof. Dr. Fritz Haber, Mitentwickler der deutschen chemischen Kriegsführung im Ersten Weltkrieg, war kurze Zeit Mitglied in der SG Zürich. Dem Mediziner und SG-Mitglied Nageli gelang sogar einmal ein Sieg über Ajechin in einer Turnierpartie, womit er neben Kortschnoj der einzige Schweizer ist, der je einen amtierenden Weltmeisters schlagen konnte.  Aaron Niemzowitsch studierte in Zürich und spielt natürlich auch Schach. Ebenso der spätere FIDE-Präsident Alexander Rueb. Der Kunstmaler Henry Grob (1.g4) war nach Fahrni und Paul Johner ein weiterer Schweizer, der den Schritt ins Profitum wagte und dabei sogar in der Schweiz blieb. Grobs Bücher, im Eigenverlag erschienen, brachten es auf eine Gesamtauflage von 100.000 Stück! Starke Spieler wie Werner Hug, Beat Züger, Florian Jenni, Viktor Kortschnoj und viele weitere werden skizziert. Anhand der Biografien lassen sich 200 Jahre Geschichte eines ganzen Kontinents erkennen.

Der dritte und umfangreichste Teil des Werkes ist der Züricher Turniergeschichte gewidmet. Das Schweizer Turnierleben beginnt mit dem Jahr 1825. Die Züricher luden zum Turnier nach Baden im Kanton Aargau. Als Turniersaal fungierte der Gasthof Engel. Eine Reihe weiterer Turnier wurden vor allem ab den Sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts gespielt und im Jahr 1895 entsteht hier das berühmte Paarungssystem "Schweizer System", das heute auf allen Open gang und gäbe ist. Richard Forster beschreibt seine Entstehungsgeschichte en suite.

Am Jubiläumsturnier Zürich 1934 nehmen mit Bernstein, Euwe, Niemzowitsch, Lasker, Bogoljubov, Aljechin und Flohr zahlreiche Weltklassespieler teil. Es war eines der best besetzten internationalen Turniere der Dreißiger Jahre und fand im Kursaal von Zürich statt. Aljechin siegte vor Euwe und Flohr und die SG als Organisator hielt die Ereignisse in einem Turnierbuch fest. Die besten Partien sind in der aktuellen Festschrift noch einmal kommentiert wiedergegeben. Ein weitere großer Meilenstein der Weltgeschichte der Schachturnier war das Kandidatenturnier von 1953. Es ist vor allem durch Bronsteins Buch bekannt geblieben. Forster berichtet viele interessante Details. So betrug der Etat 100.000 CHF, zur Hälfte vom Warenhaus "Jelmoli" getragen. 9000 Zuschauer sorgten für Einnahmen aus Eintrittskarten in Höhe von 18.000 CHF.

Auch der große Bobby Fischer war in Zürich. Im Juni 1959 wurde anlässlich des 150sten Jubiläums ein Turnier veranstaltet, wieder im Kongresshaus Zürich. Der 16-jährige Fischer wurde Dritter hinter Tal und Gligoric. Viele weitere große Namen reihen sich in der Tabelle ein: Keres, Larsen, Unzicker, usw. Der große Star war Michail Tal. Er wurde im folgenden Jahr Weltmeister. Tragischer Held war Edgar Walther aus Zürich. Er stand gegen Fischer auf Gewinn, verdaddelte die Partie aber zum Remis. Sein Trost: Fischer nahm die Partie als eine seine "60 erinnerungswürdigen Partien" auf. Den bisherigen Abschluss der großen Züricher Turnier bilden das Geburtstagsturnier zum 70sten von Viktor Kortschnoj und schließlich den "Chess Champions Day 2006" zum 150sten Geburtstag der Credit Suisse. Hier spielte Garry Kasparov zum letzten Mal unter Turnierbedingungen. Der große Mentor, nicht nur des Schweizer Schachs, Dr. William Wirth, stand nicht nur hier unterstützend zur Seite.

Eine umfangreiche Chronik, gespickt mit vielen Partien, schließt das Werk ab.

Richard Forsters Festschrift zum 200-jährigen Jubiläum der Schachgesellschaft Zürich ist ein Buch aus einer anderen Zeit. Welcher Verein auf der Welt könnte überhaupt solch ein Buch mit seiner Geschichte füllen? Wer würde sie dann aufschreiben? Und wenn, welcher Verein könnte es sich heute leisten, diese in solch einem Buch zu veröffentlichen? Wirtschaftliche Gesichtspunkte können bei der Herausgabe keine Rolle gespielt haben, denn bei einem Preis von 60,- CHF werden sicher nicht einmal die Produktionskosten eingespielt. So ist das Buch auch nur mit Hilfe verschiedener Schweizer Stiftungen entstanden. Als Liebe zum Schach und seiner Geschichte. Nehmen Sie daran teil!

Richard Forster: Schachgesellschaft Zürich 1809 bis 2009
hrsg. von der Schachgesellschaft Zürich, 2009, 568 Seiten, Großformat
60 CHF,-

Zu bestellen bei der SG Zürich (s.u.).


Links:

Bericht zur Vorstellung der Festschrift...

Ausschnitt aus dem Buch bei der SG Zürich...

Bestelladresse...

 




 

 

 


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