Drama in 131 Zügen

von André Schulz
10.06.2014 – In einer größtenteils äußerst umkämpften Runde endeten alle Partien remis, mit einer Ausnahme. Anish Giri und Sergey Karjakin lieferten sich ein fast achtstündiges Duell, in dem Giri nach langem Lavieren materiellen Vorteil erzielte, dann versuchte riskant den Gewinn zu erzwingen, um schließlich seine vorteilhafte Position erst zum Remis, dann zum Verlust zu verderben. Im 131. Zug musste er aufgeben. Mehr...

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Heute stand beim No Logo Norway Chess Turnier die siebte Runde an. Am Mittwoch wird dann noch ein letzter Ruhetag eingelegt, bevor das Turnier am Donnerstag und Freitag ausklingt. Nach bis dato sechs gespielten Runden liegt das Feld dicht beieinander - zwischen dem Spitzenreiter, Kramnik (3,5 P.) und dem Letzten (Svidler, 2,5 P.) liegt gerade einmal ein einziger Punkt. Zum Angstgegner von Kramnik ist inzwischen Veselin Topalov avanciert. Sonst eher pragmatisch, scheint Kramnik gegen seinen ungeliebten Matchgegner aus dem Wettkampf von 2006 gerne auch mit der Brechstange vorgehen zu wollen, was zuletzt nicht funktionierte. Gestern unterlag der inzwischen in Paris beheimatete Ex-Weltmeister erneut, behielt aber seine Führungsposition in der Tabelle. Erstes Tiebreak-Kriterium bei Gleichstand ist übrigens hier Sonneborn-Berger, gefolgt von der Anzahl der Siege eines Spielers. Weil einige Spieler auf dem Weg zum Turniersaal im Stau stecken geblieben waren, begann die Runde etwas verspätet.

Daniel King zeigt eine Zusammenfassung der 7.Runde

Kramnik traf heute mit Weiß auf Levon Aronian - nicht gerade ein Aufbaugegner. Allerdings hat Kramnik gegen Aronian mit Weiß bisher noch nie verloren, aber zweimal gewonnen. Einer der Siege geschah jedoch beim Amber Blindschachturnier. Die weitaus meisten Partien zwischen den Beiden endeten bisher remis.

Der Weltmeister von 2000-2007 verzichtete auf die Katalanische Eröffnung, stattdessen kam die Ragosin-Variante aufs Brett. Die Spieler folgten dann einer Variante, die Aronian schon einmal vor sechs Jahren beim Club Cup gegen Emilis Pileckis gespielt hatte. Mit 12.Tfc1 wich Kramnik von diesem Vorgänger ab. Nach klassischen Vorbildern startete Kramnik dann am Damenflügel einen Minoritätsangriff und erhielt am Damenflügel, und später auch am Königsflügel das bessere Spiel. Aronian verteidigte sich jedoch hartnäckig und verschaffte sich mit einem Figurenopfer beste Chancen auf ein Dauerschach.

Das schwarze Gegenspiel reichte dann auch zum sicheren Remis.

Veselin Topalov, nach zwei Niederlagen im bisherigen verlauf des Turniers gestern also gegen Kramnik wieder einmal erfolgreich, musste gegen Fabiano Caruana antreten. Hier wählten die Spieler eine lange forcierte Variante im Englischen Angriff der Najdorf-Verteidigung, mit Topalov als Führer der schwarzen Steine. 14...e5 ist ein Zug, der 2006 erstmals von Topalovs Sekundanten Ivan Cheparinov gespielt wurde und zu wilden Verwicklungen führt. Caruana gab in der Folge eine Figur, dafür blieb der schwarze König im Zentrum stehen. Topalov gab eine Qualität zurück und so ergab sich nach dem Damentausch ein Endspiel, bei dem Caruana mit zwei Türmen plus Bauern gegen Topalovs Turm und zwei Leichtfiguren plus Bauern spielte und dabei noch den Trumpf zweier verbundener Freibauern am Damenflügel in der Hand hielt. Allerdings konnte er diese gegen die quirligen schwarzen Leichfiguren nicht entscheidend voran bringen und so wurde schließlich der Punkt geteilt.

Magnus Carlsen griff gegen Alexander Grischuks Grünfeld-Indisch zur Lf4-Variante, erreichte dort in der Eröffnung nichts, mit Ausnahme eines frühen Damentauschs. Danach stand erst das typische damenlose Grünfeld-Mittelspiel, später -Endspiel, auf dem Brett, mit einer schwarzen Bauernmehrheit am Damenflügel und einer solchen von Weiß im Zentrum.

Für den endspielbegeisterten Norweger war dies ein gefundenes Fressen und so durchlief die Partie noch mehrere interessante Figurenkonstellationen, zum Schluss Springer gegen Läufer plus Bauern, bevor sie im 74. Zug remis endete.

In der Partie zwischen Anish Giri und Sergey Karjakin sah man die Englische Rubinsteinvariante, eigentlich nichts anderes als ein Maroczy- Aufbau mit vertauschten Farben. Man hat den Eindruck, das manche Top-Spieler es müde sind, mit Weiß ständig die sehr solide Grünfeld bzw. Berliner Verteidigung zu spielen und sich nun wieder einmal mehr der Englischen Eröffnung zuwenden.

In der Folge entstand eine schwerblütige positionelle Partie, die durch beiderseitiges Lavieren geprägt war. Als die Spieler den 70sten Zuge erreichten, waren gerade einmal in einer sehr verschachtelten Stellung drei Leichtfigurenpaare getauscht - und auf beiden Seiten waren noch je sieben Bauern auf dem Brett. Im 75. Zug konnte Giri dann aber einen auf b5 versprengten Turm im Tausch mit einem Springer gewinnen und damit einen materiellen Vorteil erzielen. Allerdings war es bei der verzahnten Bauernstruktur fraglich, ob Weiß in die schwarze Stellung würde eindringen können, um seinen Vorteil zur Geltung zu bringen. Danach entwickelte sich die Partie zum Drama. Mit einem riskanten Durchbruch wollte Giri den Gewinn erzwingen, verpasste dann die beste Möglichkeit und ließ ein gefährliches Gegenspiel mit einem schwarzen Freibauern zu. Am Ende verdarb er die nun wohl ausgeglichen Stellung zum Verlust. Im 131. Zug musste er aufgeben.

Eine interessante Frage war, ob Peter Svidler es heute schaffen würde die "Festung Agdestein" zu knacken, wobei mit "Festung" nicht etwa gemeint ist, dass Agdestein mauern würde. Das hat er bisher nicht gemacht. Der früher einzige norwegische Topspieler wurde von der jüngeren Generation inzwischen zwar elotechnisch überholt, kann aber offenbar gut im Konzert der Großen mithalten. Svidlers 1.Sf3 stellte eröffnungstheoretisch keine besonderen Herausforderungen. Sein Verzicht auf das Rochaderecht mit 13. Kf1 wirkte zunächst etwas extravagant. Bald danach geriet ein schwarzer Springer auf h5 völlig ins Abseits und man war gespannt, ob und wie Agdestein diesen wieder ins Spiel bekommen würde. Gar nicht, lautete die Antwort: Bei dem Versuch, aus dem versprengten Springer Kapital zuschlagen, ließ Svidler nämlich ein starkes Gegenspiel zu - anscheinend gab die Stellung für den St. Petersburger auch nicht mehr her - und musste sich schon im 24. Zug mit einer Stellungswiederholung zufrieden geben.

 

Runde 7, Dienstag, Juni 10
Hotel Scandic Stavanger Forus

Peter Svidler - Simen Agdestein ½-½
Magnus Carlsen - Alexander Grischuk ½-½
Anish Giri - Sergey Karjakin 0-1
Vladimir Kramnik - Levon Aronian ½-½
Fabiano Caruana - Veselin Topalov ½-½

 

Partien

 

 

 

 

 

Spielplan:

Alle Runden beginnen um 15.30 Uhr, die letzte Runde beginnt um 14.30 Uhr

Runde 1, Dienstag, Juni 3
Hotel Scandic Stavanger Forus

Peter Svidler - Vladimir Kramnk ½-½
Levon Aronian - Simen Agdestein ½-½
Sergey Karjakin - Veselin Topalov ½-½
Alexander Grischuk - Fabiano Caruana 0-1
Magnus Carlsen - Anish Giri ½-½

Runde 2, Mittwoch, Juni 4
Hotel Scandic Stavanger Forus

Levon Aronian - Sergey Karjakin 1-0
Vladimir Kramnik - Magnus Carlsen ½-½
Fabiano Caruana - Peter Svidler 1-0
Veselin Topalov - Alexander Grischuk 0-1
Simen Agdestein - Anish Giri ½-½

Runde 3, Donnerstag, Juni 5
Hotel Scandic Stavanger Forus

Sergey Karjakin - Simen Agdestein ½-½
Alexander Grischuk - Levon Aronian 1-0
Peter Svidler - Veselin Topalov ½-½
Magnus Carlsen - Fabiano Caruana ½-½
Anish Giri - Vladimir Kramnik 0-1

Runde 4, Samstag, Juni 7
Vågen VGS, Sandnes

Levon Aronian - Peter Svidler ½-½
Sergey Karjakin - Alexander Grischuk 1-0
Fabiano Caruana - Anish Giri ½-½
Veselin Topalov - Magnus Carlsen ½-½
Simen Agdestein - Vladimir Kramnik ½-½

Runde 5, Sonntag, Juni 8
Hotel Scandic Stavanger Forus

Alexander Grischuk - Simen Agdestein ½-½
Peter Svidler - Sergey Karjakin ½-½
Magnus Carlsen - Levon Aronian 1-0
Anish Giri - Veselin Topalov 1-0
Vladimir Kramnik - Fabiano Caruana 1-0

Runde 6, Montag, Juni 9
Aarbakke fabrikkhall, Bryne

Levon Aronian - Anish Giri ½-½
Sergey Karjakin - Magnus Carlsen ½-½
Alexander Grischuk - Peter Svidler ½-½
Veselin Topalov - Vladimir Kramnik 1-0
Simen Agdestein - Fabiano Caruana ½-½

Runde 7, Dienstag, Juni 10
Hotel Scandic Stavanger Forus

Peter Svidler - Simen Agdestein ½-½
Magnus Carlsen - Alexander Grischuk ½-½
Anish Giri - Sergey Karjakin 0-1
Vladimir Kramnik - Levon Aronian ½-½
Fabiano Caruana - Veselin Topalov ½-½

Runde 8, Donnerstag, Juni 12
Hotel Scandic Stavanger Forus

Levon Aronian - Fabiano Caruana
Sergey Karjakin - Vladimir Kramnik
Alexander Grischuk - Anish Giri
Peter Svidler - Magnus Carlsen
Simen Agdestein - Veselin Topalov

Runde 9, Friday, Juni 13
Hotel Scandic Stavanger Forus

Magnus Carlsen - Simen Agdestein
Anish Giri - Peter Svidler
Vladimir Kramnik - Alexander Grischuk
Fabiano Caruana - Sergey Karjakin
Veselin Topalov - Levon Aronian

 

Live-Kommentare auf Schach.de

Alle Runden werden live auf dem Fritzserver in zwei Sprachen in bewährter Weise von unserem Kommentatorenteam analysiert und kommentiert. Die deutsche Kommentierung besorgt größtenteils Klaus Bischoff. Oliver Reeh wird zusammen mit Merijn van Delft bzw. Karsten Müller jeweils einmal aus dem "Studio Hamburg" übernehmen.

Klaus Bischoff,  der "Anchorman" der deutschen Schachkommentierung

Oliver Reeh, genant "Taktik-Reeh", ist allen deutsche Schachfreunden nicht nur durch seine wöchentliche TV-ChessBase-Sendung bestens bekannt.

Karsten Müller wurde mit seinen herausragenden Endspiel-DVDs zum neuen "Endspielpapst". Sogar Magnus Carlsen hat mit seiner Hilfe Endspiele gelernt

Merijn van Delft stammt aus der Apeldoorner Schachlehrer-Dynastie der van Delfts und lebt wechselweise in den Niederlanden und in Hamburg.

Oder mögen Sie lieber englische Kommentare: Dann haben Sie die Möglichkeit  auf dem "Zweiten TV-ChessBase Programm" den Ausführungen von Daniel King und Yasser Seirawan zu lauschen. Simon Williams und Chris Ward übernehmen ebenfalls insgesamt drei Runden.

 

Daniel King ist als TV-Schachmoderator in England so bekannt, dass ihn einst Audi für einen Werbespot verpflichtet hat

Yasser Seirawan war in seiner aktiven Zeit eine der besten Spieler der Welt und beherrscht in seinen Kommentaren die Kunst der Entschleunigung wie kein Zweiter

Simon Williams, englischer Großmeister, hat mit seinen beiden tollen Königs-Gambit-DVDs gerade bei ChessBase eine Lücke gefüllt

Chris Ward, Drachenexperte und Schachkommentator

 

 

 

 

 

Rundenbeginn ist jeweils 15.30 Uhr, mit Ausnahme der letzten Runde, die um 14.30 Uhr beginnt. Die Live-Kommentare sind alle Premium-Mitgliedern des Fritz-Servers kostenlos zugänglich.

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Fotos: Turnierseite No Logo Norway Chess

Turnierseite...

 


André Schulz, seit 1991 bei ChessBase, ist seit 1997 der Redakteur der deutschsprachigen ChessBase Schachnachrichten-Seite.

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