Ein Trainer mit Methode: Teimour Radjabov im Gespräch mit Vladimir Chuchelov

von Carlos Colodro
02.04.2021 – Über zehn Jahre hinweg hat Vladimir Chuchelov, basierend auf seinen eigenen Ideen, die Denkart des “strategischen Gleichgewichts” entwickelt. Teimour Radjabov, der Chuchelovs Vorgehensweise erstmals 2014 kennengelernt hat, hat unlängst einen 90-minütigen geistreichen Chat mit dem Trainer geführt. Chuchelov spricht darin über seine Entscheidung für den hauptberuflichen Job als Trainer, berichtet über seine Erfahrungen mit Giri und Caruana und blickt auf das demnächst fortzusetzende Kandidatenturnier. | Foto von Anastasiya Karlovich: Vladimir Chuchelov 2014 beim Tashkent Grand Prix

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Strategisches Gleichgewicht

Die meisten Leser werden von Großmeister Vladimir Chuchelov schon gehört haben - für alle anderen folgt hier seine von der offiziellen Website der Chess Stars Academy entnommene Kurz-Vita:

Vladimir Chuchelov ist ein belgischer Schachgroßmeister und professioneller Trainer. Ab 2009 hat er für vier Jahre als Cheftrainer des niederländischen Schachverbands gearbeitet. Seit 2010 ist er "FIDE Senior Trainer". 2013 erhielt er die "Botvinnik Medal" als bester Trainer.

Lesen Sie nachstehend die Highlights des launigen Interviews - das vollständige Video findet sich am Ende des Beitrags.

Vladimir Chuchelov

Beim traditionellen Turnier in Wijk aan Zee

Über seine Entscheidung, hauptberuflich als Trainer zu arbeiten

Es seine eine große Motivation, eine Offenbarung für ihn gewesen, sagt der in Moskau geborene Chuchelov, als Jeroen Piket ihn 2002 als seinen Sekundanten beim Turnier in Wijk aan Zee haben wollte.

Loek van WelyObwohl es dort nicht gut lief — Chuchelov wurde krank und konnte nicht bis zum Ende des Turniers bleiben - wollte Loek van Wely [Foto] beim nächsten Turnier in Wijk seine Hilfe. Van Wely hatte dann ein unerwartet starkes Ergebnis von 7,0/13 bei dem Eliteturnier: Er gewann gegen Bareev, Kramnik, Topalov and Timman.

Chuchelov:

Die Resultate eines Schachspielers hängen nur zu ca. 60% davon ab, was er tut, wie er sich vorbereitet. Die anderen 40% sind auf verschiedene Rahmenbedingungen zurückzuführen - das kann alles Mögliche betreffen. Auf lange Sicht, das ist dabei völlig klar, müssen sich aber die Resultate harter Arbeit bemerkbar machen. Hier sprechen wir über drei oder vier Jahre.

Chuchelov entschied sich für die hauptberufliche Arbeit als Trainer, als er erkannte, dass er schon immer die analytische Arbeit dem praktischen Spiel vorgezogen hatte. Eine Menge gelernt hat er zudem von seinem eigenen Trainer Abram Khasin.

Radjabov über Chuchelovs Einfluss:

Du denkst, Du bist ganz oben und weißt eine Menge, doch dann hat es meine Haltung gegenüber dem Schach komplett verändert.

Über Caruana and Giri

Heute ist Fabiano Caruana für sein herausragendes theoretisches Wissen und seine umfassende Professionalität bekannt, doch er war nicht immer so diszipliniert. Chuchelov:

Mit Fabiano war es zunächst nicht so einfach. [...] Wenn Du von frühester Kindheit an etwas sehr intensiv tust und dadurch eigentlich gar keine normale Kindheit hast, dann gerätst Du irgendwann in eine Art Midlifecrisis.

Caruana war demotiviert — er wollte nicht arbeiten und war mehr daran interessiert, Videospiele zu spielen. Sein Vater hatte Angst, dass er nie die 2700 Elopunkte erreichen würde.

Es kostete mich ein Jahr, ihn wieder fürs Schach zu interessieren.

Vladimir Chuchelov, Fabiano Caruana

Chuchelov and Caruana beim Thessaloniki Grand Prix 2013

Mit Anish Giri war es anders. Giri hatte von vornherein eine strukturierte Herangehensweise ans Schach:

Mit Anish war es einfacher, weil er interessierter und flexibler war. Zudem sprachen wir beide Russisch und hatten denselben kulturellen Hintergrund.

Caruana and Giri waren nicht die einzigen Weltklassespieler, die Training bei Chuchelov hatten. Andere Stars, die nach den Methoden des Belgiers gearbeitet haben, waren: Leinier Dominguez, Wesley So (einige wenige Sitzungen), Pentala Harikrishna, Vidit Gujrathi and Hou Yifan (im Match gegen Muzychuk).

Dominguez hat Chuchelov berichtet, dass er zwar die meisten Dinge bereits gewusst habe, dies aber nicht habe formulieren können.

Über das Kandidatenturnier

Auch Chuchelov kann den Sieger des Kandidatenturniers nicht vorhersagen. Radjabov hat ihn aber insbesondere zu den Aussichten von Ian Nepomniachtchi befragt:

Radjabov: Gegenüber den anderen Teilnehmern hat Nepo den besten Score gegen Carlsen. Falls er das Kanidatenturnier gewinnt: Könnte dies einen Einfluss auf den dann folgenden Wettkampf um die Weltmeisterschaft haben?

Chuchelov: Vor allem, wenn er aufhört Französisch zu spielen (lacht) — das wäre die erste Bedingung. Und er benötigt wirklich eine sehr professionelle Vorbereitung. Er muss eine Menge Dinge ändern, um weniger angreifbar zu sein. Er hat viele Qualitäten; Qualitäten, die bislang geeignet waren, seine Defizite in der Vorbereitung zu überlagern.


Das ganze Interview (in englischer Sprache, Dauer ca. 90 Min.)


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Carlos Colodro stammt aus Bolivien und ist Spanisch-Philologe. Seit 2012 arbeitet er als freier Übersetzer und Autor. Schach, Literatur und Musik sind seine großen Leidenschaften.

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