Rezension Bologan und Tiviakov - Nimzo Indisch
Zwei Chessbase-DVDs zum Thema "Nimzo-Indisch": eine von Grossmeister Bologan "Never too late for the Nimzo-Indian", eine von GM Tiviakov mit dem Namen "Keine Angst vor 1. d4 - Nimzo-Indisch"
Für welche entscheidet man sich, welche ist für welche Zielgruppe geeignet oder ist es gar empfehlenswert, sich beide zuzulegen?
Sehen wir uns zuerst die DVD von Tiviakov an, der den Nimzo- und Damen-Inder fest in seinem Repertoire und beide Eröffnungen um viele neue Ideen bereichert hat. Tiviakov ist ein äußerst gewissenhafter Autor und so verwundert es nicht, dass er ein wirklich komplettes Repertoire vorstellt, was leider nicht immer eine Selbstverständlichkeit ist.
Im ersten Kapitel geht er dabei auch auf eher seltene vierte Züge von Weiß wie 4. e4, 4. Dd3, 4. Lf4 und 4. Ld2 ein und zeigt, wie Schwarz hier durch typisches Nimzo-indisches Spiel gutes Spiel erhält. Anhand einer eigenen Partie zeigt Tiviakov im zweiten Kapitel, wie er 4. Db3 zu beantworten gedenkt.
Die Kapitel 3 und 4 beschäftigen sich dann mit Spasskys Lieblingszug 4. Lg5 sowie dem recht populär gewordenen Zug 4. f3, gegen den Tiviakov gleich zwei Repertoirevorschläge präsentiert. Der zweite Vorschlag passt dabei auch ideal in seine Wahl gegen das Sämisch-System, das mit 4. a3 eingeleitet und im folgenden Kapitel besprochen wird und das nach wie vor sicherlich eine der größten Herausforderungen des Nachziehenden darstellt. In geübten Händen kann das Sämisch-System eine gefährliche Waffe sein. Tiviakovs Wahl für die Hauptvariante gegen das Sämisch-System ist sicherlich eine gute - wird aber vermutlich nicht jedem liegen. Aber damit muss man bei Repertoireempfehlungen halt stets rechnen.
Nicht ganz so zufrieden bin ich mit seiner Wahl gegen 4. g3 und 4. e3, aber das ist natürlich Geschmackssache. Gegen erstgenannte Variante wird 4. g3 c5, Sf3 cxd4, Sxd4: 0-0, Lg2 d5 empfohlen. Insbesondere in der Hauptvariante mit 8. cd5: geht Tiviakov davon aus, dass der Nachziehende, der in einigen Varianten einen Bauern für Kompensation auf den weißen Feldern opfert, weiß, wie die entstehenden Mittelspiele zu spielen sind. Ich bin mir nicht sicher, ob der durchschnittliche Vereinsspieler mit Wenigerbauer so als Nachziehender auf Sieg spielen wollen würde oder es könnte, selbst wenn das Blockade-Spiel des Nachziehenden einen gesunden Eindruck macht. Hier wäre meiner Meinung nach eine weniger verpflichtende Alternative wünschenswert gewesen, mit der man risikoloser auf Gewinn spielen könnte. Vor allem, weil Tiviakov zumeist ohnehin zwei Varianten gegen die meisten Spielweisen des Anziehenden vorstellt, empfand ich dieses Kapitel als etwas enttäuschend.
Auch seine Entscheidung für 4. e3 O-O, 5. Sge2 d5, a3 Le7 sowie 5. Sf3 d5, Ld3 b6 nebst La6 flösst mir nicht das größte Vertrauen ein, aber das mag eine stilistische Frage sein. Objektiv gesehen ist der Nachziehende sicherlich theoretisch "okay", aber dass es nicht ganz so leicht ist, zeigt die Partie Wojtaszek-Tiviakov, die Tiviakov verliert und hier auch vorstellt. Als Alternative wird statt 6. ...b6 auch noch 6. ....c5 vorgestellt, aber das Repertoirekonzept in sich scheint mir nicht ganz schlüssig, da ein roter Faden für den weniger meisterlichen Spieler hier schwerlich zu erkennen ist. Die Behandlung zu vieler unterschiedlicher Bauernstrukturen wird hier einfach so vorausgesetzt, dito ist Tiviakov in seinen Erklärungen teilweise arg schnell und hält sich sehr kurz, weshalb diese DVD eindeutig eher etwas für fortgeschrittene Spieler ist.
Auch gegen 4. Dc2 gibt er sowohl 4. ...c5 als auch 4. ...0-0. Beides erscheint mir hier sehr gut vorstellt, vor allem weil Tiviakov hier wieder dem "Spiel auf den weißen Feldern" eine besondere Bedeutung zukommen lässt - auch wenn die Kapitelsortierung innerhalb des Inhaltsverzeichnisses anhand endloser Varianten für den Benutzer sehr unübersichtlich erscheint.
Kommen wir nun zur Besprechung der Bologan-DVD "Never too late for the Nimzo-Indian". Wer bereits mit den DVDs oder Büchern von ihm vertraut ist, der weiß, dass der moldauische Grossmeister in Sachen Akribie seinem Kollegen Tiviakov in nichts nachsteht.
Die Bologan-DVD ist um rund 75 Minuten kürzer als die von Tiviakov, was allerdings der Tatsache geschuldet ist, dass Bologan´s Repertoire stets nur auf einem konkreten Vorschlag basiert.
Natürlich lassen sich Überschneidungen nicht ausschließen, wenn zwei Spitzen-Grossmeister ihre besten Varianten zusammenstellen und so überrascht es nicht, wenn Bologan in den Varianten 4. f3, 4. a3 als auch 4. e3 0-0, Sge2 d5 dieselben Abspiele empfiehlt wie es Tiviakov tut. Was mir bei Bologan jedoch besser gefallen hat, war seine Wahl für die Karpov-Variante nach den Zügen 4.e3 0-0 5.Bd3 d5 6.Nf3 c5 7.0-0 cxd4 8.exd4 dxc4 9.Bxc4 b6. Hier bekommt der Nachziehende einen klaren Mittelspiel-Plan in die Hand und vieles dreht sich infolgedessen um das Spiel gegen rückständige, hängende oder isolierte Bauern.
Während sich Tiviakov wie oben beschrieben nach 4. Dc2 sowohl mit dem traditionellen 4. ...c5 als auch 4. ...O-O auseinander setzt und im letztgenannten Abspiel eher auf noch relativ moderne Fortsetzungen setzt, bespricht Bologan sehr ausführlich die alte Hauptvariante, die nach 4.Qc2 0-0 5.a3 Bxc3 6.Qxc3 b6 nebst Lb7 entsteht.
Hervorhebenswerte Unterschiede gibt es in den Abspielen 4. Lg5, in dem Bologan das für mich überraschende 4. ...h6, Lh4 b6!? empfiehlt und 4. Sf3 b6, was einen Übergang in den Dameninder ermöglicht, zu dem es komplementäre DVDs sowohl von Tiviakov als auch Bologan gibt. Na das passt ja!
Fazit: Zwei sich recht gut ergänzende DVDs zum Nimzo-Inder für eindeutig fortgeschrittenere Spieler mit leichten Überschneidungen!
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