Helmut Pfleger zum 70sten

von ChessBase
06.08.2013 – Heute feiert mit Helmut Pfleger einer der ganz Großen seinen 70sten Geburtstag. Schach lernte er mit sechs Jahren und war bald einer der besten Spieler Deutschlands - als Amateur, denn hauptberuflich arbeitete Pfleger als Arzt. Große Bekanntheit erfuhr Helmut Pfleger als Moderator und Kommentator unzähliger TV-Schachsendungen. Zum 70sten...

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Helmut Pfleger wird 70

Geboren wurde Helmut Pfleger in Teplitz-Schönau, im Sudetenland, allerdings dort eher zufällig und durch die äußeren Umstände bestimmt. Eigentlich lebte die Familie in Berlin, doch die andauernden Bombardements der Alliierten auf die deutsche Hauptstadt veranlassten seine Mutter, zur Geburt ihres Kindes einen sicheren Ort außerhalb der Reichweite der Bomber aufzusuchen. Helmut Pfleger kam am 6. August 1943 zur Welt. Die Familie zog im folgenden Jahr 1944 nach Geyer, weil der Vater hier als Chemiker zu arbeiten hatte. Zum Ende des Krieges flohen Pflegers schließlich nach Bamberg und wurden dort heimisch. Sein Vater Robert Pfleger übte nun in Bamberg und in Erlangen als Professor eine Lehrtätigkeit an der Universität aus und begann mit dem Aufbau einer Arzneimittelfabrik, der Dr. R. Pfleger GmbH, die nach dem Tod des Firmengründers, 1970, durch testamentarische Verfügung in den Besitz der Robert-Pfleger-Stiftung überging und damit heute dem Staat Bayern gehört.

Das Familienleben der Pflegers war wenig intakt. Die Eltern hatten häufig Streit und so flüchteten die Mitglieder der Familie in Aktivitäten außerhalb des Familienlebens. Der Vater konzentrierte sich auf seinen Beruf, Helmut besuchte Vereine und ging zu den Pfadfindern. Und er begann, ebenso wie sein Bruder Horst, Schach zu spielen. Die Kinder lernten es von ihrem Vater, der selber regelmäßig einen Schachverein besuchte. Helmut entwickelte beim Schach großen Ehrgeiz, wohl auch, um hier endlich die ersehnte Anerkennung durch den Vater zu finden. Er wurde erst Bayrischer Jugendmeister, dann Deutscher Jugendmeister. 1963 wurde er geteilter Erster bei der Deutschen Meisterschaft, verlor aber den Stichkampf gegen Wolfgang Unzicker. 1964 folgte die Berufung in die Nationalmannschaft, wo Pfleger als 21-Jähriger bei bei der Schacholympiade in Tel Aviv die deutschen Farben zusammen mit Wolfgang Unzicker, Klaus Darga, Lothar Schmid und Dieter Mohrlok vertrat und mit der Mannschaft die Bronzemedaille gewann. Auch in Bamberg spielte Pfleger zusammen mit Lothar Schmid in einer Mannschaft. Mit dem Karl-May-Verleger verband ihn fortan eine enge Freundschaft.

Keiner der deutschen Top-Spieler war Berufsschachspieler, denn bis in die 1970er Jahre galt Schach nicht als Beruf. So begann auch Helmut Pfleger neben dem Schach eine Berufsausbildung und studierte Medizin. Von 1971 bis 1976 absolvierte er in der Inneren Abteilung in München-Perlach sein Praktikum. Nebenher studierte er, auch aus Eigeninteresse, noch Psychoanalyse und Psychologie und eröffnete 1983 eine Psychoanalytische und Psychotherapeutische Praxis, die er bis 2010 betrieb.

Pflegers Schach-TV-Karriere begann 1977, als der NDR eine wöchentliche Schach-Sendung mit Karpow produzierte. Der Weltmeister spielte eine Partie gegen das TV-Publikum. Pfleger war bald Dauergast im Fernsehen und übernahm schließlich die Moderation der Schachsendungen im NDR. 1978 produzierte der Sender zusammen mit der BBC eine Reihe von Beiträgen während der Schach-WM in Baguio City und fand dafür bis zu eine Million Zuschauer. Schach wurde fester Bestandteil im dritten Programm. Bei den großen Matches und Turnieren gab es regelmäßig Schachsendungen und Helmut Pfleger wurde zum "Anchorman" der deutschen TV-Schach-Berichterstattung. Ihm selber, der von Kindheit an unter einem Minderwertigkeitskomplex litt, bedeutete dieser Zuwachs an Popularität sehr viel, mehr als seine internationale Karriere als Spieler. Diese beendete Pfleger 1985, nachdem er noch bei der Mannschaftsweltmeisterschaft in Luzern für Deutschland gespielt hatte.

1983 wechselte Pfleger zum WDR, wo er mit dem Redakteur Claus Spahn und Vlastimil Hort die Sendung Schach der Großmeister moderierte und kommentierte. Die Sendung wurde einmal im Jahr produziert und wandte sich auch an das "breite" Nichtfachpublikum. Für seine Art der Kommentierung, bei der Pfleger oft Geschichten und Anekdoten aus der Schachgeschichte einfließen ließ, wurde er von der Fachpresse und dem Fachpublikum regelmäßig kritisiert.

Claus Spahn, Helmut Pfleger, Vlastimil Hort im WDR

Allerdings ließ sich dabei der Neid auf den, der hier stellvertretend das Schach im Fernsehen vertrat, gelegentlich nur schwer übertünchen. Mancher, der sich sonst sicher nicht dafür interessiert hätte, kam jedoch durch Pfleger und seine Art der Darstellung zum Schach. So entdeckte der Fußballspieler und spätere Trainer Felix Magath, kürzlich auch schon 60 Jahre alt geworden, seine Liebe zum Schach, als er wegen einer Verletzung lange ans Bett gefesselt war, "Schach der Großmeister" sah und nun selber mit dem Schach begann. Als Manager des HSV rüstete er später den Hamburger Schachklub in der Anfangszeit der Schachdatenbanken mit Computern aus.

Nebenbei hinterließ die Sendereihe des WDR einen Zitatenschatz, aus dem die folgende Sequenz die vielleicht berühmteste ist. Ungefähr so:

Hort: "Waisst Duu, Chelmut, diesärr Zuug, ärrr ist nicht möglich."

Pfleger: "Was, wieso nicht?"

Hort: "Äs isst wägen Rägel. Waiß ist gar nicht am Zug!"

 

Helmut Pfleger beim Simultan

Im Laufe der Zeit wanderte die Sendung jedoch von der "Prime Time" auf immer unattraktivere Sendeplätze und verhungerte schließlich irgendwo im Nachtprogramm - kein Einzelschicksal für eine unkonventionelle Sendung in deutschen TV-Behörden. Nachdem der zuständige Redakteur Claus Spahn den Sender verlassen hatte war Schluss.

Vladimir Kramnik, Helmut Pfleger

Aber nicht nur im Fernsehen war und ist Pfleger präsent. Er pflegt Schachspalten in verschiedenen Zeitungen, darunter dem deutschen Ärzteblatt, der Welt und vor allem der Zeit. In seinen Kolumnen verbindet er Schachgeschichten und Anekdoten mit kniffligen Aufgaben. Sein Vorbild war dabei der Hamburger Schriftsteller Martin Beheim-Schwarzbach, der in seinem "Knaurs Schachbuch" auf unterhaltsame Weise große Schachpartien der Geschichte präsentiert hatte. Auch dafür wurde Pfleger von manchem "Kollegen", der nicht verstand, dass Schach nicht nur durch das Turnierschach repräsentiert wird, sondern erst durch seine Vielzahl von unterschiedlichen Erscheinungsformen zur Schachkultur aufsteigt, angegriffen. Besonders in der Zeitkolumne würdigte Pfleger regelmäßig Initiativen im deutschen Schachleben und nennt die Namen von zumeist wenig bekannten Schachfreunden, die in ihrem Umfeld einen oftmals lebenslangen Dienst am Schach leisten. Seine Zeit-Kolumnen erscheinen regelmäßig auch in Buchform.

Als Live-Kommentator hat Dr. Helmut Pfleger viele Jahre hinter dem Vorhang der Dortmunder Schachbühne gewirkt, zuletzt trat er noch bei der Weltmeisterschaft 2008 in Bonn in Erscheinung. Inzwischen fühlt er sich jedoch selber als "zu weit weg" vom aktuellen Spitzenschach und hat das Interesse an Live-Kommentierungen verloren.

Großmeister zum Anfassen

Soweit man das von außen beurteilen kann, führt Helmut Pfleger ein Leben als Asket. Er ist Vegetarier und fährt als Anhänger grüner Lebensphilosophie lieber mit dem Fahrrad als mit dem Auto. Seine besondere Liebe gehört  - neben dem Schach - dem Fußball. In einer Altherrenmannschaft tritt er regelmäßig gegen den Ball, ist hier aber im Gegensatz zum Schach eher als Verteidiger aktiv.

Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag!

André Schulz

 

 

TV-Interview mit Bayern Alpha...

 

 

Pfleger-Fans können seinen einzigartigen Kommentierungsstil übrigens auf seinen drei DVDs zu den schönsten Partien der Schachgeschichte genießen.

 

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Die ChessBase GmbH, mit Sitz in Hamburg, wurde 1987 gegründet und produziert Schachdatenbanken sowie Lehr- und Trainingskurse für Schachspieler. Seit 1997 veröffentlich ChessBase auf seiner Webseite aktuelle Nachrichten aus der Schachwelt. ChessBase News erscheint inzwischen in vier Sprachen und gilt weltweit als wichtigste Schachnachrichtenseite.

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