Interview mit Francois Bayrou
Nachdruck in deutscher Übersetzung aus „Europe Echècs“ April 2007, mit
freundlicher Genehmigung.
Spielen Sie Schach und wenn ja, unter welchen Umständen haben sie das
Schachspiel erlernt?
Ich
spiele Schach, aber zu wenig nach meinem Geschmack. In den Weihnachtsferien
spiele ich immer mit meinen Kindern, wo wir zu Hause ein „internes Turnier“
austragen. Schach Spielen habe ich an der Universität in Bordeaux gelernt, als
ich in der Vorbereitungsklasse für das Literaturstudium war.
Welches sind Ihrer Meinung nach die vermittelten Qualitäten oder Tugenden des
Schachs?
Meiner
Meinung nach bringt das Schach zwei wichtige Vorteile mit sich: Erstens schult
es unsere Abstraktions- und Konzentrationsfähigkeiten und zweitens bringt es den
Respekt seinem Gegner gegenüber zum Anschein. In der heutigen Zeit gibt es zu
wenige Aktivitäten, die genau diese Tugenden hervorbringen.
Kennen Sie Schachspieler der Weltspitze ?
Als ich
nationaler Bildungsminister war, hatte ich das Glück Garry Kasparow zu treffen,
als er noch amtierender Schachweltmeister war. Er ist ein Mann von großem
Reichtum, den ich neben seinen aktuellen politischen Ambitionen auch wegen
seiner Kraft der Leidenschaft für das Schach fasziniert habe.
Der Leitspruch des Internationalen Schachverbandes (FIDE) lautet « Gens una
Sumus – Wir sind eine Familie“. Sind Sie empfänglich für dieses universelle und
deswegen menschliche Maß, das den Dialog zwischen all den Ungleichheiten öffnet?
Dieser
Leitspruch könnte der meines politischen Engagement sein. Ich glaube an die
Stärke der familiären Bindung, genau wie an die nationale oder europäische
Bindung. Was voranstellt, warum wir uns zusammentun, müsste der Leitspruch für
jeden Politiker sein, der wirklich die Probleme unserer Mitbürger lösen will.
Präzise gesagt, überschreitet Schach die Grenzen von Alter, sozialer und
kultureller Herkunft, Benachteiligungen. Glauben Sie, dass Schach Träger für die
soziale Bindung sein kann?
Das
Schachspiel ist ein kräftiger Träger für Beziehung, die auf dem Teilen der
gleichen Leidenschaft und des Kampfgeistes basieren. Rund um die 64 Felder eines
Schachbretts, heben sich die Alters-, Geschlechts- und Herkunftsunterschiede
zugunsten eines gemeinsamen Kampfgeistes auf. Diesen freien Geist, den das
Schachspiel vermittelt, schätze ich.
Das Schach hat 15 historische Zeitalter, ohne die Kaiser, Könige, Präsidenten
und Herrscher aller Zeitalter zu nennen, die man von überall kennt. Was ist so
faszinierend für die großen Machthaber am Schach?
Wenn
man nach dem Grund für die Leidenschaft der Führer für diese Spiel sucht, sollte
man die Möglichkeit eines totalen Triumphes nicht vergessen. Ich glaube auch
nicht, dass Schach nur ein Sport für Elitäre ist. Die großen Spieler kamen
zahlreich aus Unterschichten und haben im Schach ihre Fähigkeiten für einen
persönlichen Erfolg gefunden Ich glaube, dass Schach ein außergewöhnlich
demokratisches Spiel ist, genau genommen weil jeder, der sich dabei konzentriert
und eine Leidenschaft entwickelt, die Fähigkeiten hat, jeden Gegner zu schlagen,
sei es der mächtigste Politiker der Welt.
Um auf den Punkt zu kommen, warum wurden ihrer Meinung nach politische Größen
wie Napoléon der Erste oder Jules Grévy, Kissinger oder Valéry Giscard d’Estaing
von diesem Spiel angezogen?
Beim
Schach, wie auch in der Politik muss man mehrere Schritte im Voraus denken.
Man spricht oft vom politischem oder geopolitischem Schachbrett. Denken Sie,
dass es eine Parallele zwischen politischem und schachlichem Kampf gibt?
Natürlich. Der politische Kampf stellt auch die zwei wesentlichen Größen im
Schachspiel dar: Taktik und Strategie. Man lernt daraus die Wichtigkeit des
Studierens von vergangenen Kämpfen, ohne dabei zu vergessen, dass die Erfindung
und Vorstellung neuer Lösungen die stärkste Waffe ist, um eine Partie zu
gewinnen.
Wie würden sie heutzutage das Bild vom Schach in der Öffentlichkeit
charakterisieren?
Die
Studien haben gezeigt, dass das pädagogische Interesse am Schach groß ist und
Schlussfolgerungen darbietet, an die ich mich ohne Schwierigkeiten anschließe.
Dagegen bedauere ich, dass die Anzahl von Profi sowie Vereinsspielern noch nicht
so ausgeprägt ist.
Hat sich ihrer Meinung nach dieses Bild während der letzten Jahre entwickelt?
Ja, mir
scheint, dass sich das Bild des Schachspiels in den letzten Jahren positiv
entwickelt hat. Der Medienrummel der großen Partien und vor allem die Arbeit der
Vereine und lokalen Verbände haben großen Anteil daran. Ich freue mich, dass wir
eine zunehmende Demokratisierung im Schachspiel erleben.
Der französische Verband hat gerade eine Rahmenvereinbarung mit dem nationalen
Bildungsministerium abgeschlossen. Sollten Sie zum Präsidenten der Republik
gewählt werden, würden Sie erwägen sich noch mehr für die schachliche Aktivität
in Frankreich einzusetzen?
Ich
wäre glücklich in der einen oder anderen Weise zur Entwicklung des Schachspiels
mitzuwirken. Die staatlichen Herrscher haben in der Tat die Möglichkeit diese
Aktivität zu unterstützen, besonders indem sie sie in den Schulen ausbauen
Praktisch gesehen, wären Sie bereit finanzielle Mittel bereit zu stellen, um die
Sichtbarkeit des Schachs zu vergrößern?
Das
Schachspiel braucht eine nationale Unterstützung; ich denke, dass es vor allem
eine Reihe von lokaler Unterstützung braucht, damit sich die Vereine überall
entwickeln.
Einer der größten Meister aller Zeiten, der Deutsche Siegbert Tarrasch
(1862-1934), hatte erklärt: „Das Schachspiel hat wie die Liebe, wie die Musik
die Fähigkeit, den Menschen glücklich zu machen“. Was halten Sie davon?
Ich
glaube, dass das Schachspiel eine Fähigkeit hat: Die Menschen intelligent zu
machen.
Und zum Schluss, was sind ihre Wünsche als Kandidat für das französische
Schach ?
Dass
die Anzahl der Spieler, Passionierten und Profispieler stetig steigt.