Interview mit Marco Bode
Von Hartmut Metz
Nachdruck in Auszügen mit freundlicher Genehmigung von Schachmagazin 64
Marco Bode hat als Fußballer
zahlreiche Erfolge gefeiert. 1996 wurde das Urgestein von Werder Bremen
Europameister und 2002 Vizeweltmeister. Danach beendete der gebürtige
Niedersachse seine Karriere. Der 40-Jährige, der 40 Mal in der
Nationalmannschaft auflief, bleibt den Fans jedoch vor allem wegen seiner
Fairness in Erinnerung – und den Schachspielern wegen seiner Verbundenheit
zum königlichen Spiel. Sitzt Marco Bode heute noch ab und zu am Brett?
Hartmut Metz verriet der ehemalige Profi, dass er regelmäßig bei ChessBase
Blitz- und Bulletpartien spielt. Und als Inhaber einer Marketing-Firma
namens Deepblue Sports und Mitproduzent von Kinderfernsehen denkt der
Hanseat natürlich daran, mit Felix Magath eine Schachsendung für das
Fernsehen zu produzieren.
Schach-Magazin 64: Was macht ein ehemaliger
Fußball-Nationalspieler, wenn er nicht Trainer oder Manager nach seiner
Karriere wird? Im Online-Lexikon Wikipedia heißt es, dass Sie Ihr
unterbrochenes Philosophie-Studium in Bremen wieder aufgenommen haben.
Bode:
Nein, das stimmt nicht. Während meiner Fußball-Karriere studierte
ich ein wenig Mathematik an der Fernuni Hagen und später kurz in Bremen ein
bisschen Philosophie. Das jedoch im Grunde genommen nur aus privatem
Interesse, weniger um einen Abschluss zu machen. Das nahm ich auch nicht
mehr nach dem Fußball auf, sondern eignete mir mehr betriebswirtschaftliches
Handwerkszeug an. Ich absolvierte in einem Jahr einen Kompaktkurs. Danach
legte ich mit verschiedenen Projekten los, die ich bis heute verfolge.
SM64:
Diese sind?
Bode:
Unter anderem Fernsehproduktionen. Mit der Hamburger Firma Nordisch
entwickele ich Kinderfernseh-Formate und produziere diese ebenso. Vor Jahren
entwickelten wir zum Beispiel eine Fußballshow für RTL, TOGGO United.
Zuletzt setzten wir „Abenteuer Action!“ für den Kinderkanal um. Und im
Frühjahr produzieren wir für den Südwestrundfunk eine Serie namens „Das
große Bolzplatz-Duell“, was auch wieder im Ki.Ka laufen soll. Der zweite
Punkt ist, dass ich seit vier Jahren Inhaber einer Agentur in Hamburg bin,
die sich um Sportmarketing und Kommunikation kümmert, Deepblue Sports.
SM64:
Oho, Deep Blue!
Bode:
Da haben wir den ersten Zusammenhang zum Thema Schach: Den Namen leiteten
wir nicht von dem Film über die Tiefsee ab, sondern natürlich vom
Schachprogramm, das als Erstes den amtierenden Weltmeister, Garri Kasparow,
schlug. Unser Bestreben ist es wie damals bei IBM, Kompetenzen an einen
Tisch zu bringen, um ein Ziel zu verfolgen.
...
SM64:
Hat Ihr Hang zur Mathematik und einem einst begonnenen Studium
auch mit der Liebe fürs Schach zu tun? Viele Naturwissenschaftler neigen zum
königlichen Spiel.
Bode:
Solch eine Verbindung ist vermutlich da. Neben Sport zählte Mathematik in
der Schule zu meinen besten und Lieblingsfächern. In der fünften Klasse
begann ich mit Schach. Wir mussten nachmittags an einer Arbeitsgemeinschaft
teilnehmen. Da ich in der Fußball-AG nach einem Losverfahren nicht zum Zuge
kam, erfüllte sich mein Zweitwunsch: Schach, weil ich es bis dahin noch
nicht konnte. Es machte mir enormen Spaß, und ich belegte es drei Halbjahre
hintereinander. Ich spielte mit 13, 14 dann ein Jahr lang in meinem
Heimatort, beim SV Osterode-Südharz. Es blieb aber nur ein Hobby, weil
natürlich der Fußball im Vordergrund stand und mehr und mehr Zeit
erforderte.
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SM64:
Klar, mit Auswahlmannschaften etc. waren Sie dann sicher viel unterwegs.
Bode:
Genau. Den Kontakt zum Schach hielt ich trotzdem. Wenn ich meine
beiden Brüder an Weihnachten wieder sehe, spielen wir sicher wieder ein paar
Partien.
SM64:
Ihre Brüder heißen?
Bode:
Der ältere Oliver, der jüngere Michael. Der ältere Bruder ist
promovierter Statistiker, was sein Faible für den Denksport erklärt – obwohl
ich ihm Schach erst beigebracht habe. Bei Werder spielte Schach auch stets
eine große Rolle. Die Abteilung war mal Deutscher Meister und besitzt noch
immer eine starke erste Mannschaft. Zudem machen sie sehr gute Jugendarbeit,
auch mit Schulschachmeisterschaften. So trug ich gegen Kinder aus dem
Baumschulenweg ein Simultan aus. Die Zehn- bis Zwölfjährigen spielten schon
richtig gut.
SM64:
Wie stark sind Sie?
Bode:
Ich bin etwas mehr als ein Hobbyspieler, aber wäre sicher eher
ein dürftiger Vereinsspieler – also irgendwo dazwischen bin ich anzusiedeln.
...
SM64:
Wie gut ist Ihre Wertungszahl auf dem Server?
Bode:
Ich schwanke meist zwischen 1600 und 1700. Bei mir ist oft viel Bewegung
drin: Einmal spiele ich 20 Partien in einer halben Stunde gut und schieße im
Bullet auf 1800 hoch – und dann geht es wieder runter auf 1500. Ich möchte
daher unterscheiden zwischen diesem anderen Spiel und Fünf-Minuten- oder gar
Schnellschach-Partien. Bei Letzteren bin ich auf jeden Fall stärker. Meine
größten Erfolge am Brett waren ein Remis gegen einen Bundesligaspieler des
SV Werder und der Vergleich mit Garri Kasparow. In dem Online-Simultan
unterlag ich zwar, hielt jedoch ziemlich lange durch.
SM64:
Auf welchem Server spielen Sie hauptsächlich?
Bode:
Ich spiele mit Fritz auf dem ChessBase-Server. Ich hatte einen guten Draht
zu der Hamburger Firma. Als ich auf meiner Webseite die Online-Partien
austrug, unterstützten die mich.
...
SM64:
Wer war unter den Kollegen Ihr gefährlichster Gegner auf den 64 Feldern?
Bode:
In der Nationalmannschaft spielte ich unter anderem mit Oliver
Bierhoff und Jens Lehmann. Gegen die hatte ich, würde ich mal behaupten,
immer die Nase vorne. Felix Magath soll auch stark sein, mit dem kreuzte ich
allerdings nie die Klingen. Als ich ihn unlängst traf, unterhielten wir uns
aber über Schach. Es interessiert ihn noch immer, er fungierte ebenso als
Olympiade-Botschafter. Bei Werder fällt mir Uwe Harttgen ein, ein alter
Freund von mir. Andreas Herzog und Wynton Rufer waren dagegen hoffnungslos
unterlegen ... Gegen Andy und Wynton spielte ich einmal blind – und da
wollten sie mich bescheißen. Ich merkte das allerdings, so dass sie
beeindruckt sofort aufgaben! Die Regeln kennen eben viele, richtig spielen
können indes nur die wenigsten. Im Gegensatz zu anderen Sportarten entfällt
der Zufall völlig. Deshalb hat einer mit bloßer Regelkenntnis natürlich
überhaupt keine Chance.
SM64:
Eine Vereinsmitgliedschaft in der Schach-Abteilung des SV Werder
oder jetzt beim Hamburger SK kam nie in Betracht?
Bode:
Momentan glaube ich nicht, weil so viele andere Dinge und Hobbys
im Vordergrund stehen. Aber mit 60, vielleicht komme ich da auf den
Geschmack ...
SM64:
Promoten Sie Schach stattdessen mal mit einer Sendung im Kinderkanal?
Bode:
Wer weiß, darüber nachgedacht haben wir schon einmal, aber ein fertiges
Konzept haben wir bisher noch nicht. Am ehesten könnte etwas wie die
Kindersoftware „Fritz&fertig“ von ChessBase funktionieren. also Schach nicht
nur zu zeigen und zu analysieren, sondern pädagogisch heranzugehen. Den
richtigen Dreh fanden wir aber noch nicht ganz raus. Und einen Sender dafür
zu begeistern, dürfte auch nicht so leicht sein, obwohl ja viele Kinder
Schach spielen und die Zielgruppe nicht zu klein sein sollte.
SM64:
Vielleicht wird es also noch etwas mit einer Fernsehsendung.
Bode:
Leider muss ich einschränken: Schach ist insgesamt weniger
fernsehtauglich und eher fürs Internet geeignet. Schade, ich verfolgte
früher immer die Schachsendungen mit Helmut Pfleger und Vlastimil Hort. All
die großen Kämpfe zwischen Karpow und Kasparow. Das sieht man heute gar
nicht mehr – es ist eben Fernsehen, wie es heute nicht mehr existiert. Ich
denke, man müsste eher schauen, dass man Felix Magath gegen vier Kinder ein
Simultan spielen lässt. Zudem baut man noch ein bisschen etwas Drumherum mit
„Tipps und Tricks“, dann könnte es funktionieren.
SM64:
Haben Sie einen Schach-Lieblingsspieler oder –literatur?
Bode:
Ich habe mir gerade ein Buch des Mathematikers Christian Hesse besorgt, der
auch ein Schachbuch verfasste. Ich liebe logische Knobeleien wie in diesem
Buch und häufig kann man Beispiele aus dem Schach verwenden: Das probieren
wir mal gleich an Ihnen aus. Stellen Sie sich vor, Sie haben 256
Schachspieler, die im K.-o.-System gegeneinander antreten. Wie viele Partien
benötigt man mindestens, um einen Sieger zu ermitteln?
SM64:
128 plus 64 ... Obwohl, das geht doch schneller: Ich meine, n-1. Es müssten
folglich 255 Partien sein.
Bode:
Genau. Das ist die normale Variante, dass man erst mal mit 128 anfängt zu
rechnen. Bei Hesse muss man gar keine Formel kennen, sondern er erklärt es –
was mich fasziniert –, so dass man ganz anders an die Probleme herangeht.
Das ist dann Mathematik auf hohem Niveau, so dass es auch ein sechsjähriges
Kind begreift. Man überlegt sich: Es spielen immer zwei gegeneinander und
255 müssen ausscheiden. Somit müssen 255 verlieren, also müssen es 255
Partien sein. Ansonsten habe ich wenige Schach-Theoriebücher gelesen. An
eines erinnere ich mich allerdings: „Erfolgreich eröffnen“ hieß es. Und
„Angriff auf den König“, das klassische Angriffspartien enthielt, fällt mir
ein. Mein erstes Buch, mit dem ich Schach gelernt habe, war ein ganz dickes
Werk von Theo Schuster. So lernte ich ein bisschen Eröffnungen, ein bisschen
Mittel- und ein bisschen Endspiel. Viel mehr ist es nicht geworden. Das
unterschätzen viele Laien, was die Großmeister alles können. Man sieht es ja
in der Bundesliga, wie die die ersten Züge runterrasseln und sich bis zur
Neuerung erinnern.
SM64:
Herr Bode, vielen Dank für das Gespräch.
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Das vollständige Interview
kann in Schachmagazin 64, Ausgabe Januar/2010 nachgelesen werden.