Isle of Man: "El Niño" fegt über Grischuk hinweg

von Georgios Souleidis
19.10.2019 – Die 8. Runde des FIDE Chess.com Grand Swiss auf Isle of Man hatte es in sich. David "El Niño" Anton Guijarro (im Bild links) feierte einen Kurzsieg gegen Alexander Grischuk und liegt gemeinsam mit Fabiano Caruana und Levon Aronian, die sich den Punkt teilten, an der Spitze. An Brett sieben und acht kam es indes zur kuriosesten Begebenheit seit langem in der Schachszene. | Foto: Maria Emelianova/ chess.com

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Die spanische Hoffnung

El Niño (span. für „der Junge, das Kind“) ist nicht nur ein bekanntes Wetterphänomen, es ist auch der Spitzname von David Anton Guijarro, der ob seines jugendlichen Aussehens und seiner Stimme so genannt wird. Am Schachbrett agiert der 24-jährige Spanier aber völlig entgegen seines unscheinbaren Äußeren.

In der 8. Runde zeigte Guijarro gegen Alexander Grischuk, wozu er in der Lage ist. Dank einer fantastischen Vorbereitung in einer Nebenvariante der Englischen Partie, fegte er über den russischen Superstar in nur 24 Zügen hinweg und ist jetzt neben Levon Aronian der heißeste Anwärter auf den Qualifikationsplatz für das Kandidatenturnier.

Video-Analyse der Partie Anton Guijarro-Grischuk

Remis am Spitzenbrett

Fabiano Caruana versuchte es gegen und Levon Aronian ebenfalls mit der Englischen Partie. Nach dem Damentausch und einem abwechslungsreichen Mittelspiel eroberte die Nr. 2 der Welt einen Bauern am Damenflügel. Aronian hatte aber seinen e-Bauern bis nach e3 vorgeschoben und genau dieser Soldat rettete ihm den halben Punkt und gibt seinen Fans weiterhin Hoffnung, dass er sich für das Kandidatenturnier qualifiziert.

Levon Aronian und Fabiano Caruana | Foto: Maria Emelianova/ chess.com

 

Duplizität der Ereignisse und Schachblindheit an Brett sieben und acht

Die bislang größte Kuriosität des Turniers, ja vielleicht des gesamten Schachjahres, ergab sich an den Brettern sieben und acht. Alexei Shirov gegen Yu Yangyi sowie Sergey Karjakin gegen Aleksey Dreev spielten nebeneinander und folgten jeweils der gleichen Variante des Vierspringerspiels der Sizilianischen Verteidigung. Es handelt sich hierbei um eine sehr weit analysierte Variante, die in verschiedenen Publikationen in den letzten Jahres thematisiert wurde.

Die Akteure merkten natürlich, was vor sich geht, und fingen an, die Züge des Nachbarbrettes zu kopieren. Das ging sogar soweit, dass sie die schlechten Züge kopierten. Im 18. Zug stellten Shirov und Karjakin ihre Dame auf ein falsches Feld und die Schwarzspieler hätten die Partie sofort für sich entscheiden können, aber Yu Yangyi und Dreev wählten den gleichen Zug, der nicht nur nicht gewinnt, sie sondern in Nachteil geraten ließ!

Yu Yangyi (links) und Aleksey Dreev brüten über die gleiche Stellung nach 19.Lg2. Hier ist das Malheur schon geschehen | Foto: Maria Emelianova/ chess.com

Die Schiedsrichter merkten auch, was vor sich geht, und entschieden, die Bretter räumlich voneinander zu trennen. Shirov und Yu Yangyi mussten ihre Partie in einem Nebenraum fortführen. Letztendlich gewann Karjakin gegen Dreev, während der chinesische Großmeister seine Partie noch retten konnte.

Karjakin gab im Anschluss u.a. auf Twitter freimütig zu, dass es unmöglich war, nicht auf das andere Brett zu schauen und dass alle involvierten Spieler offensichtlich den Zügen vom Nachbarbrett folgten.

"Lustiges Ereignis heute, als wir die gleiche Stellung wie Shirov und Yu auf dem Brett hatten. Ich vergaß meine Partie gegen Yu und vertauschte mit g4 die Züge! Am Ende folgte Shirov mir, ich folgte Shirov, Dreev folgte Yu und Yu glaubte an meine Vorbereitung! So funktioniert das manchmal!"

 

Schlechter Tag für die deutschen Spieler

Matthias Blübaum und Vincent Keymer verloren durch eine Niederlage jeweils an Boden im Turnier. Keymer liegt aber mit einer Leistung von über 2600 Punkten weiterhin auf GM-Norm-Kurs. Durch etwas Lospech muss er in der 9. Runde wieder mit Schwarz gegen den starken russischen Großmeister Vadim Zvjaginsev antreten, der bis dato aber noch keine Partie gewann bei diesem bärenstark besetzten Turnier.

Während Blübaum mit 4,0 Punkten bei 50% liegt, haben Keymer und Niclas Huschenbeth 3,5 Punkte auf dem Konto. Huschenbeth remisierte seine Partie der 8. Runde gegen Alina Kashlinskaya. Elisabeth Pähtz ist vor einigen Runden vom Turnier zurückgetreten.

Ergebnisse der 8. Runde

Name Pkt. Ergebnis Pkt. Name
Caruana Fabiano ½ - ½ Aronian Levon
Wang Hao 5 ½ - ½ 5 Carlsen Magnus
Anton Guijarro David 5 1 - 0 5 Grischuk Alexander
Maghsoodloo Parham 5 ½ - ½ 5 Vitiugov Nikita
So Wesley ½ - ½ 5 Alekseenko Kirill
Anand Viswanathan 1 - 0 Fedoseev Vladimir
Shirov Alexei ½ - ½ Yu Yangyi
Karjakin Sergey 1 - 0 Dreev Aleksey
Wojtaszek Radoslaw 0 - 1 Kovalev Vladislav
Nakamura Hikaru 1 - 0 Melkumyan Hrant
Gelfand Boris 1 - 0 Zhang Zhong
Hovhannisyan Robert ½ - ½ McShane Luke J
Adhiban B. ½ - ½ Robson Ray
Tari Aryan ½ - ½ Kryvoruchko Yuriy
Svidler Peter 4 1 - 0 Jumabayev Rinat
Lenderman Aleksandr 4 ½ - ½ 4 Artemiev Vladislav
Mamedov Rauf 4 ½ - ½ 4 Vidit Santosh Gujrathi
Matlakov Maxim 4 1 - 0 4 Najer Evgeniy
Sarana Alexey 4 0 - 1 4 Le Quang Liem
Xiong Jeffery 4 1 - 0 4 Papaioannou Ioannis

...

Stand nach der 8. Runde

Rg. Name Pkt.  Wtg1 
1 Caruana Fabiano 6,0 2701
2 Anton Guijarro David 6,0 2687
3 Aronian Levon 6,0 2684
4 Wang Hao 5,5 2737
5 Alekseenko Kirill 5,5 2700
6 Maghsoodloo Parham 5,5 2687
7 Kovalev Vladislav 5,5 2679
8 Carlsen Magnus 5,5 2671
9 Vitiugov Nikita 5,5 2657
10 Karjakin Sergey 5,5 2655
11 Nakamura Hikaru 5,5 2644
12 Anand Viswanathan 5,5 2638
13 Gelfand Boris 5,5 2636
14 Shirov Alexei 5,0 2713
15 Adhiban B. 5,0 2705
16 Tari Aryan 5,0 2698
17 Kasimdzhanov Rustam 5,0 2694
18 Grischuk Alexander 5,0 2683
19 Rakhmanov Aleksandr 5,0 2683
20 McShane Luke J 5,0 2674
21 Yu Yangyi 5,0 2659
22 Kryvoruchko Yuriy 5,0 2651
23 So Wesley 5,0 2645
24 Svidler Peter 5,0 2642
25 Matlakov Maxim 5,0 2639
26 Xiong Jeffery 5,0 2634
27 Howell David W L 5,0 2632
28 Le Quang Liem 5,0 2630
29 Ragger Markus 5,0 2614
30 Hovhannisyan Robert 5,0 2607

insgesamt 154 Spieler

Partien

 

Turnierseite...

Ergebnisse bei Chess-results...


Georgios Souleidis ist Internationaler Schachmeister und hat in Bochum Publizistik und Kommunikationswissenschaft studiert. Er arbeitet als Journalist, Autor und Schachtrainer. Er schreibt u.a. als Chefredakteur für die Schachbundesliga, für Chessbase, die Zeitschrift SCHACH, SPIEGEL ONLINE oder die Deutsche Presse-Agentur. Falls er mal nicht schreibt, Training gibt oder auf seinem YouTube-Kanal Schach lehrt, versucht er aktiv am Brett zu beweisen, dass 1. e2-e4 der beste Eröffnungszug ist.

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