Kandidatenturnier: Interview mit Georg Meier

von Stephan Oliver Platz
19.03.2018 – Beim Kandidatenturnier in Berlin sind viele prominente Zuschauer, zum Beispiel auch der deutsche Nationalspieler Georg Meier. Er kommentierte für die Zuschauer und äußerte sich dann über den Verlauf und die Chancen der Spieler im Interview.

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"Nur Caruana hat realistische Aussichten das Kandidatenturnier zu gewinnen."

Interview mit dem deutschen Großmeister Georg Meier

Ein prominenter Gast beim Kandidatenturnier war letzte Woche Georg Meier. Ich traf den deutschen Großmeister während der dritten und fünften Runde im vierten Stock des „Kühlhauses“, wo die laufenden Partien auf Deutsch kommentiert werden. Er erklärte sich bereit, mir nach Ende der 6. Runde ein Interview zu geben.

Der deutsche Nationalspieler Georg Meier in Berlin (Foto: S.O. Platz)

Hier sind meine Fragen und seine Antworten:

Sechs Runden sind gespielt im Kandidatenturnier. Welche Spieler haben Sie positiv überrascht?

Georg Meier: Zu Beginn war ich von Vladimir Kramnik beeindruckt, der sich buchstäblich wieder neu erfunden hat. Doch mittlerweile ist klar, dass seine Energie bereits zur Neige geht und er beginnt, impulsiver zu agieren.

Von welchen Teilnehmern hätten Sie mehr erwartet?

Vor dem Turnier hatte ich keinerlei Erwartungshaltung - ich konnte auch keinen Favoriten benennen. Viele sahen (wie immer) Levon Aronian in dieser Rolle. Doch er hat regelmäßig Schwierigkeiten, sein bestes Schach im Kandidatenturnier zu zeigen.

Welcher von den acht WM-Kandidaten hätte Ihrer Meinung nach gegen Weltmeister Magnus Carlsen die besten Chancen? Wie beurteilen Sie seine Aussichten, das Kandidatenturnier zu gewinnen?

Ich glaube Aronian und Caruana hätten Chancen gegen Carlsen, doch nur Caruana hat realistische Aussichten das Kandidatenturnier zu gewinnen.

Was halten Sie vom Kühlhaus als Veranstaltungsort? Wie beurteilen Sie die Spielbedingungen?

Als Zuschauer finde ich den Austragungsort interessant, aber nach dem, was man von den Spielern hört, sind die Spielbedingungen indiskutabel.

Was macht den Unterschied aus zwischen den Top-Großmeistern und den anderen? Ist es ein angeborenes Talent, das man entweder hat oder nicht? Was macht es so schwer, in diese Gruppe vorzustoßen?

Der Mensch ist eine organische Einheit, nicht die Summe seiner Teile. Dementsprechend kann man hier keine einfachen Antworten geben. Aber wie es aussieht, wenn alles zusammenpasst, sieht man bei Magnus Carlsen: Großes Talent, starker Großmeister von Anfang an als Trainer (Agdestein), die Gelegenheit, in sehr jungem Alter statt zur Schule zu gehen Turniere in der ganzen Welt zu spielen, Unterstützung der ganzen Familie und schließlich großzügige Sponsoren in Norwegen. Es gibt viele Großmeister, die nur den ersten Punkt in ihrer Vita abhaken könnten ...

Wenn Sie die Chance bekämen, mit einem der acht Teilnehmer des Kandidatenturniers ein Jahr lang zu trainieren, für wen würden Sie sich entscheiden und warum?

Ding Liren, weil wir vermutlich grundverschiedene Perspektiven haben.

Niclas Huschenbeth (links) und GM Georg Meier (rechts). Foto: Platz

 
Georg Meiers schöner Sieg gegen Kramnik

Mit einer ELO-Zahl von 2648 ist Georg Meier aktuell die Nr. 2 im deutschen Schach hinter Liviu-Dieter Nisipeanu (2681). Der am 26. August 1987 in Trier geborene deutsche Großmeister hat eine Reihe schöner Erfolge aufzuweisen. So erreichte er bei der Schacholympiade in Dresden 2008 auf Brett 1 für Deutschland II eine ELO-Performance von 2779 mit 7 von 9 möglichen Punkten. 2011 wurde er mit der deutschen Nationalmannschaft Europameister. In der letzten Runde bezwang er dabei GM Sergej Movsesjan. In Dortmund 2014 schlug er sensationell Exweltmeister Vladimir Kramnik:

 

Diese Partie zeigt, dass das deutsche Schach durchaus auf hohem Niveau mithalten kann. Warten wir ab, ob es gelingt, bei einem der nächsten Kandidatenturniere einen deutschen Teilnehmer zu entsenden.

Ding Liren freut sich über Schnee in Berlin

Mit dem chinesischen GM Ding Liren (rechts, hier während einer Pressekonferenz mit Anastasia Karlovich) würde Georg Meier gerne trainieren. Der sympathische junge Chinese freute sich am Freitag, dass es in Berlin etwas schneite, denn in dem Teil Chinas, aus dem er komme, schneie es praktsch nie, meinte er. 

Ding Liren in der Pressekonferenz (Foto: S.O. Platz)

Bereitwillig gab er vor der Pressekonferenz einem Fan ein Autogramm. Stolz zeigt mir dieser Schachfan sein Schachbrett mit den Unterschriften prominenter Schachgroßmeister. Von den acht Kandidaten fehlt jetzt nur noch Wesley So. Besonders schwer wäre es gewesen, von Garry Kasparow ein Autogramm zu bekommen, erzählt er mir.

Schachfan: (Foto: S.O. Platz)

Caruana gewinnt gegen Aronian

Was den Gang der Ereignisse beim Kandidatenturnier anbelangt, so erwies sich Meiers Prognose als richtig, denn in der siebten Runde gewann Caruana mit Schwarz gegen Aronian und setzte sich mit +3 an die Tabellenspitze. Doch noch sind sieben weitere Partien zu spielen, und alles ist möglich. Shakriyar Mamedyarov liegt noch gut im Rennen, und selbst Vladimir Kramnik würde ich noch nicht abschreiben.

Georg Meier auf Wikipedia
 
  


Stephan Oliver Platz (Jahrgang 1963) ist ein leidenschaftlicher Sammler von Schachbüchern und spielt seit Jahrzehnten erfolgreich in der mittelfränkischen Bezirksliga. Der ehemalige Musiker und Kabarettist arbeitet als freier Journalist und Autor in Hilpoltstein und Berlin.

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