Von Bamberg nach Talinn
Wenn man Anfang 2006 auf das Bamberger
Jubiläumsturnier von 1968 blickt, muss man feststellen, dass sich heute, knapp
40 Jahre später, im Vergleich zu damals doch vieles geändert hat. Damals war
Durchführung und Verlauf eines solchen Turniers einfach viel amateurhafter - was
nur positiv gemeint ist.
Cheforganisator des Turniers, das zum 100-jährigen Jubiläum des Bamberger
Schachklubs durchgeführt wurde, war Lothar Schmid. Hauptberuflich
Karl-May-Verleger war Lothar Schmid Zeit seines Lebens immer nur Schachamateur,
hat es als solcher zum Großmeister gebracht, gehörte zur erweiterten Weltspitze
und schloss daran eine Laufbahn als Amateurschiedsrichter an. Spätestens seit
seiner Meisterprüfung 1972 in Reykjavik hat er auch als solcher Weltgeltung
erreicht.
Beim Jubiläumsturnier sorgte der damals 40-Jährige nicht für die Organisation,
sondern spielte auch noch selber mit, belegte den geteilten 2./3.-Platz und
kümmerte sich ganz nebenbei noch um die Erstkommunion seines Sohnes.
Lothar Schmid, Bamberg 1968
Auch die Finanzierung des Turniers war absolut amateurhaft. Der Bamberger
Gärtnereibesitzer Herrmann gab mit einer Spende von 200 DM
den Anstoß . 200 DM klingt heute weniger, als es damals war. Dann organisierte
er selber eine Sammlung und brachte 5000 DM zusammen. Die Stadt Bamberg gab
weitere 2000 DM und stellte eine Ausfallbürgschaft. Schließlich spendeten die
Bamberger Klubmitglieder soviel, dass die Kosten von mehreren 10.000 DM für das
Turnier erbracht werden konnten.
Was bekommt man 1968 für einige Zehntausend DM? Ein Schachturnier mit 16
Teilnehmern, darunter der amtierende Weltmeister Tigran Petrosian und mit Paul
Keres einen weiteren Spieler der Weltspitze.
Tigran Petrosian, Paul Keres
Zusammen mit Borislav Ivkov, Heikki
Westerinen, Jan Hein Donner, Milko Bobozov, Laszló Szabó, Dr. Andreas Dückstein
und Roman Torán sorgten sie für internationale Klasse.
Heikki Westerinen im Alter von 24 Jahren
Lothar Schmid, Rudolf Teschner, Wolfgang
Unzicker, Dr. Helmut Pfleger, Hans Günther Kestler, Jürgen Teufel und Klaus
Klundt hielten die deutschen Farben hoch.
Wolfgang Unzicker
16 Teilnehmer in einem Turnier bedeuten 15 Runden. Auch das ist amateurhaft und
wäre einem heutigen Profi nicht mehr zuzumuten, schon gar nicht für diese Börse.
Kurzremisen gab es auch, aber im Vergleich zu heute und im Verhältnis zur
Gesamtzahl der Partien nur wenige. Auch die heutzutage fast schon
obligatorischen anämischen Schlussrunden mit schnellen Remisen an fast allen
Brettern kannte man nicht. Anscheinend hatten die Meister damals Freude am
Schach.
Am Ende gewann Paul Keres überlegen und mit zwei ganzen Punkten Vorsprung vor
Weltmeister Petrosian und Organisator Lothar Schmid. Auf die deutsche
Schachszene hat das Turnier einen großen Eindruck gemacht. Schirmherr war der
damalige Postminister Dr. Dollinger, der zum Turnier
eigens anreiste, sich Partien anschaute und später auch bei der Abschlussfeier
zugegen war.
Alle Partien zum Nachspielen...
Nach seinem Auftritt in Bamberg waren Keres nur noch sieben
Lebensjahre vergönnt. Im Alter von 57 verstarb er in Helsinki an einem
Herzanfall. Im Laufe seines Lebens hat er sich überall in der Welt viele Freunde
gemacht und ist wohl der einzige Schachspieler, dem an zwei Orten Gedenkturniere
zugedacht sind, in Talinn und in Vancouver, wo er kurz vor seinem Tod noch an
einem Turnier teil genommen hatte. In estland wird er als Nationalheld verehrt.
Sein Konterfei ziert sogar eine Banknote.
In diesem Jahr jährt sich Keres Geburtstag zum 90sten Mal. Die estnischen
Schachfreunde haben daher zusätzlich zum jährlichen Gedenkturnier ein Colloquium
veranstaltet, zu dem einige Weggefährten ihres Idols eingeladen wurden und in
Ansprachen des Meister gedenken. Mit Lothar Schmid und Wolfgang Unzicker sind
auch zwei Spieler des Bamberger Jubiläumsturniers dabei.
Bilder vom Gedenkturnier:
Fotos: Golubenko
Die beiden A-Turniere
Anatoli Karpov spielte selbst noch zwei Mal gegen Keres (2 Remis)
Pi Cramling in Aktion
Im Anschluss an das Turnier wurde ein
Colloquium veranstaltet, auf dem Weggefährten von Paul Keres zu Wort kamen:
Ehrengäste: Ivanschuk, Averbach, Sosonko, Unzicker, Kasimdzanov,
Shirov, Tajmanov, Cmilyte, Kortschnoj
Sosonko, Kortschnoj und Gattin, Klovans, Spasski
Preisverleihungen
Im Kereshaus in Talinn werden zahlreiche Fotos und Fotos und Dokumente
aufbewahrt:
Keres' Hochzeitsfoto
Notationsformular Keres -Capablanca
André Schulz
"DM": Deutsche Mark, damals
Währung in der Bundesrepublik Deutschland.
"Post": Staatliche
Organisation bis zum Ende des ausgehenden 20.Jh., die für Versand und
Telefonkommunikation zuständig war. Deutschsprachige Vorläuferorganisation von
Deutsche Post Worldnet Mail Express Logitics Finance (ohne
Addressfactory Direct, Addressfactory Prepaid, FunCard Mailing oder Mailfactory
Postkarte) und Deutsche Telekom (ohne T-Com, T-mobile, T-Online und
T-Systems, aber mit ganz einfachen
T-Arifen: statt Call Plus, Call Time, XXL, XXL Freetime, XXL-Fulltime oder
XXl Local einfach nur 23 Pfennig pro Achtminutentakt.)