Der Schachspieler
Ein exzellenter Klassiker des fantastischen Films von Raymond Bernard in
restaurierter Fassung.
Wilma, 1776.
Polen steht unter russischer Okkupation und die Spannungen zwischen Besetzern
und Einheimischen drohen zu eskalieren. Baron von Kempelen, ein exzentrischer
Erfinder, lebt allein in einem bizarren mechanischen Haus. Umgeben von seinen
skurrilen Kreaturen schert ihn die Welt draußen eigentlich nur deswegen, weil
er zwei Unruhestifter unter seinen Fittichen hat: Boleslas Vorowski, einen
eigensinnigen Soldaten, und seine Pflegeschwester Sophie Novinska - beide
führende Köpfe des polnischen Widerstandes in Wilma. Sophies Porträt ziert
sogar die Fahne der Bewegung.
Als Boleslas einen russischen Soldaten umbringt, der versucht,
eine polnische Tänzerin zu vergewaltigen, löst die Mordtat blutige Kämpfe
zwischen Russen und Polen aus. Boleslas wird von den feindlichen Soldaten
gejagt. Um ihm die Flucht zu ermöglichen, versteckt Kempelen den
Aufständischen in seiner neuesten Erfindung, dem "Schachspieler". Eingeklemmt
in dem Automaten begibt sich Boleslas mit Baron von Kempen und Sophie auf
Tournee in Richtung Deutschland.
Sie nähern sich
der Grenze, Kempelens Plan scheint aufzugehen. Bis keine Geringere als
Katharina die Große, Zarin des russischen Reichs, eine Partie gegen den
"Schachspieler" spielt - und verliert...
Expressionistisches Werk
Inspiriert durch das Leben von Wolfgang
von Kempelen, dem Erfinder des Schachtürken, der den europäischen Adel während
des 18.Jahrhunderts mit seinen mechanischen Erfindungen in seinen Bann zog,
inszeniert dieses epische und romantische Werk den Widerstand des adligen
Polen gegen das übermächtige Russland in einem Stil, der sehr an „Napoléon“
von Abel Gance erinnert. Hier spielt sich die Schlacht aber auf einem
Schachbrett ab, so als wenn die Geschichte nur eine Illusion wäre. Die
prächtige Kleidung aus der Barockzeit, die expressionistische Ästhetik und die
Musik vom Komponist Henri Rabaud: „Der Schachspieler“ ist der zweite
historische Film von Raymond Bernard.
Als
Sohn von Tristan Bernard, einem früheren Schauspieler und Schriftsteller,
startet er seine Karriere als Regieassistent von Jacques Feyder im Studio
Gaumont. Im Jahre 1924 gründet er die „Société des Film historiques“ und
erringt einen großen Erfolg mit „Le Miracle des Loups“. Im Jahre 1934 wird er
durch „Les Miserables“ einer der gefragtesten Regisseure seiner Zeit und
konnte mit den Stars (Raimu, Michel Simon oder Edwige Feuillère) des damaligen
Kinos Filme drehen.
Wegen seiner jüdischen Abstammung werden seine Filme 1940 in den Kinos
verboten. Daraufhin versteckt er sich im Vercors, einem Gebirgsstock in den
französischen Alpen. 1946 nimmt er seinen Weg als Regisseur wieder auf, jedoch
konnten seine Nachkriegsfilme nie an den Erfolg und den Schwung seiner Filme
aus den 20er und 30er Jahren anknüpfen.
Der Schachspieler
Ein Film von Raymond Bernard (Frankreich, 1926, 2 h 15 m, schwarz/weiß,
Stummfilm). Nach dem Roman von Henry Dupuy-Mazuel. Mit Charles Dullin
(Wolfgang von Kempelen), Pierre Blanchar (Boleslas Vorowski), Pierre Batcheff
(Prinz Serge Oblomoff), Marcelle Dullin (Katharina die II von Russland), Édith
Jehanne (Sophie Vorowski), Camille Bert (Major Nicolaïeff). Bild: Joseph-Louis
Mundviller, Marc Bujard et Willy Faktorovitch. Kleidung: Jean Perrier, Eugène
Carré. Musik: Henri Rabaud (1926), gespielt vom Symphonieorchester Radio-Télé
Luxemburg unter der Leitung von Carl Davis.
Produktion: Société des Films Historiques. ARTE France. Version
restaurée (1990).
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